Rede des Justizministers des Landes Rheinland-Pfalz Herbert Mertin (FDP) zum Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) im Bundestag (22.03.2002)

vom 22. März 2002


Herbert Mertin (Rheinland-Pfalz): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den vergangenen Jahren ist das Problem der Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Kommissionen und Gremien untersucht, diskutiert und besprochen worden. Das Ergebnis ist eigentlich einhellig: Die Bundesrepublik braucht Zuwanderung, und zwar aus demografischen, wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Gründen; denn eine Gesellschaft, die sich fremden Einflüssen und Ideen nicht öffnet, erstarrt.

Wenn man die Debatte im Land in den letzten Wochen verfolgt, gewinnt man bei so manchem Redebeitrag den Eindruck, als ob mit dem Gesetz etwas völlig Neues geregelt werden solle. Zuwanderung findet doch statt! Wir brauchen nur samstags zu schauen, wer in unseren Bundesligamannschaften aufläuft. Beim FC Bayern stürmen Südamerikaner. Sie stürmen, damit der FC Bayern oben mitspielt. Wieso soll dies für unsere mittelständische Wirtschaft nicht möglich sein?

Wie schwierig dies ist, zeigt die Debatte um die Green Card. Dabei wurde deutlich, dass wir Regelungen, rechtliche Rahmenbedingungen benötigen, um Zuwanderung an unseren Interessen ausgerichtet zu steuern.

Zuwanderung kann letztlich nur erfolgreich stattfinden, wenn die Integration bei uns gelingt. Integration gelingt am besten, wenn über die entsprechenden Regelungen in der Gesellschaft große Einigkeit herrscht. Ich bedauere es sehr, dass es in den letzten Wochen zu einer Polarisierung gekommen ist, obwohl die Positionen doch recht nahe beieinander lagen, und dass heute hier Einigkeit nicht besteht.

Rheinland-Pfalz versucht mit seinem Antrag eine Brücke zu bauen, um die Blöcke einander anzunähern und breitere Zustimmung zu ermöglichen, um die Konfliktlage, in der sich z. B. Herr Schönbohm befindet - er hat sie sehr anschaulich dargestellt -, vielleicht zu überwinden und zu erreichen, dass unsere Gesellschaft bei dem Integrationsprozess mitgenommen wird. Integration muss die Gesellschaft leisten. Es ist nicht damit getan, dass wir hier darüber beschließen, sondern darüber sollte breiter Konsens bestehen. Wir sind der Auffassung, dass über einige Punkte gesprochen werden sollte, eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes aber nicht notwendig ist.

Ein wichtiger Punkt betrifft die Kosten. Herr Ministerpräsident Gabriel hat dargelegt, dass die Länder heute schon sehr hohe Integrationskosten tragen, insbesondere in den Fällen, in denen Integration nicht erfolgreich ist. Viele Spätaussiedler z. B. haben keine ausreichenden Sprachkenntnisse, sie werden straffällig und stellen uns vor große Probleme.

Greifen Sie deshalb unseren Vorschlag, eine Brücke zu bauen, auf, um in den nächsten Wochen eine gemeinsame Haltung zu finden und eine große Mehrheit für das Gesetz zu erreichen! So können wir auch die Integrationsbereitschaft unserer Gesellschaft wecken.

Rheinland-Pfalz hat sich, wie der Herr Ministerpräsident schon dargelegt hat, immer für ein Zuwanderungsgesetz eingesetzt. Wir haben einen eigenen Entwurf hier eingebracht. Insofern liegt uns daran, das Gesetz auch zu verabschieden.

Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, dem Innenminister von Rheinland-Pfalz, Kollegen Zuber, herzlich für sein Engagement in diesem Bereich zu danken. Er arbeitet seit vielen Jahren hart an diesem Problem. Auch ihm ist es ein Bedürfnis, dass das Gesetz zu Stande kommt.

Ich möchte betonen, dass das Stimmverhalten von Rheinland-Pfalz selbst für den Fall, dass unser Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses keine Mehrheit findet, daran ausgerichtet sein wird, das Gesetz nicht scheitern zu lassen; denn nach Abwägung des Für und Wider sind wir der Überzeugung, dass wir das Zuwanderungsgesetz brauchen. Wenn der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wird, können erforderliche Veränderungen gegebenenfalls später noch vorgenommen werden.

 

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Quelle: Bundesrat, Stenographischer Bericht der 774. Sitzung vom 22.03.2002 (Plenarprotokoll 774).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede des Justizministers des Landes Rheinland-Pfalz Herbert Mertin (FDP) zum Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) im Bundestag (22.03.2002), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2002/rede_mertin_zuwanderungsgesetz.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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