Rede des ersten stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Michael Glos zum Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes der Bundesregierung sowie der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen im Bundestag

vom 1. März 2002[1]


Michael Glos (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der freundlichen Aufforderung am Schluss wird es uns schwer fallen, diesem Gesetz zuzustimmen; denn der Inhalt und die Überschrift passen nicht zusammen.

(Sebastian Edathy [SPD]: Machen Sie es trotzdem! Auch wenn es schwer fällt, Herr Glos!)

Dieses Gesetz ist kein Gesetz zur Begrenzung der Zuwanderung. Wir befürchten, dass sich die Zuwanderung nach Deutschland aufgrund dieses Gesetzes ausweitet.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy [SPD]: Befürchtungen ohne Grund, Herr Kollege!)

Wenn dieses Gesetz ein großer Erfolg, sozusagen ein großer Renner wäre, dann säße der Herr Bundeskanzler heute hier auf der Regierungsbank; denn er schmückt sich gerne mit Erfolgen. Wie wenig wichtig er das Gesetz nimmt, das das zentrale Reformwerk der Bundesregierung im gesellschaftspolitischen Bereich sein soll, zeigt die Tatsache, dass er heute nicht anwesend ist.

(Jochen Welt [SPD]: Das sind alles Marginalien, die Sie da bringen! - Ludwig Stiegler [SPD]: Sie hängen dem Kanzler immer so gerne an den Lippen! - Weiterer Zuruf von der SPD: Sie müssen zuhören!)

- Ich höre ganz genau zu.

Ich möchte einige Widersprüche der Argumentation von Frau Müller offen legen. Wir haben mit Spannung zugehört, nachdem wir am Montagabend um 20.30 Uhr aufgefordert worden sind, n-tv oder Phoenix einzuschalten, um dort die neuen Vorschläge mitgeteilt zu bekommen. Es wurde versucht, darzustellen, dass es um etwas substanziell anderes gehe. Sie, Frau Müller, haben da gesagt - ich erinnere mich genau daran -, dass sich an der Substanz des Gesetzentwurfs nichts verändert hat. Das haben Sie in Richtung Ihrer eigenen Reihen gesagt, um die grünen Truppen zusammenzuhalten. Heute haben Sie ganz anders argumentiert. Sie behaupteten, der Gesetzentwurf habe sich total verändert und er sei jetzt in unserem Sinn. Ich frage Sie: Was gilt jetzt eigentlich? Gilt das, was Sie am Montagabend gesagt haben, oder das, was Sie hier gesagt haben?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin der Meinung, dass dieser zur Verabschiedung vorliegende Gesetzentwurf den Sorgen der Menschen in Deutschland nicht gerecht wird. Im Herbst 2000 ermittelte Emnid, dass 66 Prozent der Befragten die Zuwanderung nach Deutschland als zu stark empfinden und dass damit die Grenze der Belastbarkeit der Gesellschaft überschritten ist. 62 Prozent der jungen Menschen sind laut Shell-Studie der gleichen Meinung. Für 61 Prozent der Befragten muss das Ziel eines Zuwanderungsgesetzes sein, die Zuwanderung zu verringern; das hat Allensbach im Oktober 2001 ermittelt. Trotz intensiver Diskussionen und Beratungen Ihres Gesetzes sagen laut Emnid vom letzten Freitag 76 Prozent der Menschen, dass Ihr Gesetz zu mehr Zuwanderung führt.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Weil Sie ihnen etwas Falsches einflößen! - Sebastian Edathy [SPD]: Weil Sie wissentlich die Unwahrheit verbreiten!)

Damit liegen Sie neben der Meinung der Mehrheit der Menschen bei uns im Land. Das wissen Sie. Deswegen scheuen Sie vor der Wahl eine Diskussion darüber und deswegen möchten Sie das jetzt möglichst rasch vom Tisch haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wird sich für Rot-Grün rächen, sich so kalt über die Sorgen der Mehrheit der Deutschen hinwegzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy [SPD]: Unsinn!)

Ich zitiere Georg Paul Hefty. Er hat in der "FAZ" geschrieben:
Schily hat sich in allen Einzelheiten in erster Linie nicht als Sachwalter der Bürger, sondern als der seiner Partei und ihres Koalitionspartners erwiesen.

(Ludwig Stiegler [SPD]: So würden Sie ihn gern stilisieren!)

Vom Inhalt und von der Ausgestaltung der einzelnen Zuwanderungstat bestände her ist der heute vorliegende Entwurf nach wie vor auf Erweiterung angelegt. Dahinter steckt, wie ich meine, ein grundsätzlicher Paradig-menwechsel. Gesellschaftspolitisch sollen die Weichen offensichtlich auf die Umwandlung Deutschlands in ein multikulturelles Einwanderungsland, so wie es die Grünen schon immer gewollt haben, gestellt werden. Eine verantwortungsvolle Politik, so meinen wir, muss die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten auf ein sozial verträgliches Maß begrenzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es fehlt mir auch die Diskussion darüber, dass die EU-Osterweiterung vor der Tür steht und dass damit natürlich Freizügigkeit für viele zig Millionen Menschen in der Europäischen Union bestehen wird - auch ohne ein Zuwanderungsgesetz.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Da würde ich mal die Vorrangregelungen lesen! - Sebastian Edathy [SPD]: Herr Glos lässt sich von der Realität nicht beirren!)

Wer verantwortungsvoll handeln will, der muss die Zuwanderung in unsere Sozialsysteme, vor allem auch durch den Missbrauch unseres Asylrechts, reduzieren. Eine verantwortungsvolle Regelung muss die so gewonnenen Spielräume ausschließlich für die Zuwanderung beruflich höher Qualifizierter nutzen.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Dann würde ich mal das Gesetz lesen! - Dr. Michael Bürsch [SPD]: Genau so ist es angelegt!)

Vor allem muss die Integration der rechtmäßig und dauerhaft hier leben den ausländischen Mitbürger gefördert werden. Das ist in der Vergangenheit - ich gebe gern zu: auch während unserer Regierungszeit - zu wenig geschehen.

(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: In Baden-Württemberg klappt das ganz gut! Nicht zuletzt die Länder haben hier Verantwortung!)

Wenn wir uns über das Zuwanderungsgesetz nicht einig werden - ich befürchte, dass eine Einigung in dieser Wahlperiode nicht mehr möglich ist -,

(Sebastian Edathy [SPD]: Das befürchten Sie? Heuchelei!)

dann müssen wir versuchen, zumindest im Integrationsteil etwas hinzubekommen. Das wäre des Schweißes der Edlen wert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine verantwortungsvolle Politik muss das Entstehen von Ausländerfeindlichkeit angehen,

(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist wohl wahr! Hört! Hört!)

indem die Ursachen bekämpft werden.

(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden viel dazu beitragen, dass das nicht passiert!)

Die Union hat als Erste ein Konzept zur Steuerung und Begrenzung vorgelegt. Sie haben es nicht in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen. Vorhin hat hier jemand gefragt: Was würden Sie machen, wenn wir Ihren Entwurf unter einer an deren Überschrift vorlegen würden?

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Nicht erkennen! - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir könnten das CSU-Programm abschreiben und Sie würden nicht zustimmen!)

Darauf antworte ich: Wir würden zustimmen. Aber was jetzt auf dem Tisch liegt, ist nicht unser Entwurf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wird die Tatsache, dass keine andere westliche Industrienation einen so hohen Ausländeranteil hat wie Deutschland - 9 Prozent -, immer noch nicht richtig zur Kenntnis genommen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Falsch! - Sebastian Edathy [SPD]: Die Schweiz zum Beispiel!)

Der EU-Durchschnitt liegt bei 5,5 Prozent. Frankreich hat einen Ausländeranteil von 6 Prozent und Großbritannien einen von 4 Prozent. Die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft und unseres Arbeitsmarktes ist erschöpft und teil weise stark überfordert.

In vielen Großstädten beginnen sich Parallelgesellschaften zu entwickeln. Sie hören den Menschen im Münchner Hasenbergl oder im Berliner Wedding nicht mehr zu;

(Sebastian Edathy [SPD]: Unsinn!)

sonst würden Sie auch deren Gefühle kennen und berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir als Politiker müssen lernen, auch auf das zu hören, was uns die Menschen sagen, die nicht in den elitären Diskussionszirkeln und Kommissionen dabei sind.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Schon heute beträgt der Ausländeranteil in München 22,6 Prozent, in Hamburg 16 Prozent und in Berlin beinahe 13 Prozent.

Es gab eine Anhörung im Innenausschuss. Dabei haben Bevölkerungswissenschaftler ihre Studien vorgetragen.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Aber Sie waren ja leider nicht da! Ich habe Sie nicht gesehen!)

- Man kann das auch nachlesen; man muss nicht überall dabei sein. Ich empfehle auch Ihnen: Lesen Sie viel! Dann lernen Sie etwas dazu.

Bevor Sie lesen, hören Sie aber erst einmal zu. Ich sage Ihnen nämlich, was zum Beispiel der Bevölkerungswissenschaftler Birg in einem Gutachten für die Bayerische Staatsregierung dargestellt hat.

(Sebastian Edathy [SPD]: Birg war der einzige Kritiker!)

Demnach werden in vielen Großstädten in Deutschland ab 2010 die Zu gewanderten die Hälfte der Bevölkerung unter 40 Jahren stellen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Professor Münz, Mitglied der so genannten Süssmuth-Kommission. Es war eigentlich keine Süssmuth-Kommission, sondern eine Regierungskommission. Es war auch nicht, wie vorhin dargestellt worden ist, eine Kommission aller Parteien. Das kann sie nicht sein, wenn Sie die Kommissionsmitglieder auswählen.

(Sebastian Edathy [SPD]: Welcher Fraktion gehört Frau Süssmuth eigentlich an, Herr Glos?)

Ich will auch nur mit dem Märchen aufräumen, dass darüber immer wieder verbreitet wird:

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Süssmuth, vor deren persönlicher Arbeit ich Respekt habe, hat dort aus schließlich auf eigene Rechnung gehandelt. Auch das muss einmal festgestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja unglaublich! Kleinkariert!)

Herr Professor Münz, der Mitglied dieser so genannten Süssmuth-Kom mission gewesen ist, geht also davon aus, dass bis zum Jahre 2050 in Städten wie München, Hamburg oder Frankfurt bei einem durchschnittlichen jährlichen Nettozuwachs von 200 000 Ausländern der Ausländeranteil auf über 45 Prozent ansteigen wird. Ich frage - das müssen wir beachten -: Wie wollen Sie angesichts dieser Entwicklung diese Menschen in unsere Gesellschaft ohne innere Konflikte integrieren? Eine Antwort darauf zu finden muss unsere Hauptaufgabe sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie reden von Zuwanderungsbegrenzung, tatsächlich wird sie aus geweitet.

(Sebastian Edathy [SPD]: Nein!)

Ich versuche das noch einmal mit ein paar Fakten deutlich zu machen: 250.000 so genannten Geduldeten, also Personen, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind, geben Sie ein Daueraufenthaltsrecht, das auch noch - darum geht es - mit einem Nachzugsrecht für Familienangehörige verbunden ist.

(Sebastian Edathy [SPD]: Kommen die zusätzlich? Genfer Konvention, Herr Glos, mal nachlesen! - Weitere Zurufe von der SPD)

Das führt natürlich zu einer starken zusätzlichen Zuwanderung. Alle Ausländer, die aus humanitären Gründen ein Bleiberecht in Deutschland haben, erhalten nach Ihrem Gesetz Zugang zum Arbeitsmarkt. Asylbewerber, bei denen überhaupt nicht klar ist, ob sie einen Anspruch auf Asyl haben, sollen ihre Familien nach Deutschland holen können. Ich habe das so präzise ausgedrückt, damit es auch die Leute draußen verstehen.

Blicken wir einmal ein Stück in die Geschichte der sozialdemokratischen Partei zurück: Früher war die sozialdemokratische Partei noch eine Arbeitnehmerpartei,

(Zurufe von der SPD)

heute ist sie in weiten Teilen eine Soziologenpartei geworden.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy [SPD]: Das brauchen Sie uns nicht zu erzählen! Ist ja unglaublich!)

- Nun hören Sie doch bitte einmal zu, vielleicht lernen Sie etwas. - Bei 347 000 Arbeitslosen hat Willy Brandt 1973 den Anwerbestopp verkündet.

(Sebastian Edathy [SPD]: Ist das ehrenrührig?)

Bei 4,3 Millionen offiziell gemeldeten Arbeitslosen will Gerhard Schröder diesen Anwerbestopp aufheben. Das ist Tatsache.

Ich habe durchaus Verständnis für den Ruf mancher Unternehmen nach ausländischen Arbeitskräften. Betriebswirtschaftlich macht das ganz klar Sinn. Jeder Nachfrager freut sich darüber, wenn das Angebot größer wird, weil dann der Preis sinkt. Wir aber lehnen Lohndumping für deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy [SPD]: Ist ja unglaublich, was Sie da erzählen! - Weiterere Zurufe von der SPD)

Wir lehnen Lohndumping in Deutschland ab. Es muss natürlich bei dem alten Grundsatz bleiben, dass die Arbeit eher zu den Menschen durch weltweite Arbeitsteilung gebracht wird als die Menschen zur Arbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU - Ludwig Stiegler [SPD]: Dann machen wir demnächst das Tariftreuegesetz miteinander!)

Wir haben andere Entscheidungskriterien als die Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften zu berücksichtigen. Die sind den Mechanismen des Aktienmarktes verpflichtet, wir sind dem gesamtvolkswirtschaftlichen Interesse unseres Landes verpflichtet. Auch der Herr Bundeskanzler spricht ja von gesamtstaatlicher Verantwortung. Es kann natürlich sein, dass durch Zuwanderung der Gewinn einer Aktiengesellschaft erhöht werden kann. Eine Aktiengesellschaft, die aus ausländischen Arbeitnehmern Nutzen zieht, ist aber nicht dem Gemeinwohl verantwortlich. Die Integrationskosten bleiben nämlich bei der Gesellschaft hängen. Diese sind gewaltig hoch und nirgendwo wurden dafür Rückstellungen gebildet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Sebastian Edathy [SPD]: Sie blockieren, weil Sie Integration verhindern!)

Wir schieben da einen Berg von Kosten vor uns her. Die Wirtschaft hat bisher keine Antwort auf dieses Problem gegeben. Wir hören deswegen zwar sehr genau zu, was die Wirtschaft sagt,

(Sebastian Edathy [SPD]: Nicht nur, vielleicht auch einmal die Kirchen!)

wir setzen diese Forderungen aber nicht im Verhältnis 1:1 um.

Es wäre auch besser gewesen, wenn Sie zum Beispiel bei Ihrer Steuerpolitik nicht nur auf Punkt und Komma genau das umgesetzt hätten, was die großen Aktiengesellschaften gewollt haben; dann wären wir heute in einer an deren Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zwischen 1979 und 1999 hat sich die Zahl der Ausländer in Deutschland mehr als verdoppelt; das ist eine Tatsache. Gleichzeitig ist in diesen 20 Jahren die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer unverändert geblieben.

(Zuruf von der SPD: Die 630-Mark-Verträge haben Sie noch vergessen! - Jochen Welt [SPD]: All das, was Sie als negativ schildern, ist in Ihrer Regierungszeit passiert!)

Es hat also eine gewaltige Zuwanderung in unsere Sozialsysteme stattgefunden. Die Arbeitslosenquote der in Deutschland lebenden Ausländer ist doppelt so hoch wie der Durchschnitt.

(Sebastian Edathy [SPD]: Was erzählen Sie heute eigentlich?)

- Ich weiß gar nicht, warum Sie dauernd schreien. Wer schreit, hat Unrecht, habe ich einmal gelernt. - Die Quote ausländischer Sozialhilfeempfänger ist dreimal so hoch wie die Quote bezogen auf die gesamte Bevölkerung.

Nur durch eine konsequente und wirksame Politik zur Begrenzung des Zuzugs aus Ländern, die nicht Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft sind, lässt sich die unverzichtbare Zustimmung der deutschen Bevölkerung zur Ausländerintegration sichern. Dies ist zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens unerlässlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieses Zitat stammt aus einem Beschluss der Bundesregierung vom 3. Februar 1982 unter Vorsitz von Helmut Schmidt. Er ist angeblich das Vorbild unseres jetzigen Bundeskanzlers. Da kann ich nur feststellen: Wie weit hat sich Bundeskanzler Gerhard Schröder von Helmut Schmidt entfernt!

(Beifall bei der CDU/CSU - Ludwig Stiegler [SPD]: Nur, weil Sie nicht lesen können!)

Wir müssen - das sage ich auch der deutschen Wirtschaft - das in Deutschland vorhandene Arbeitskräftepotenzial besser ausschöpfen. Es ist unmenschlich, dass man viele Erwerbstätige zwischen dem 55. und 64. Lebensjahr nach Hause schickt, statt sie auf neue Tätigkeiten umzuschulen, und gleichzeitig nach Menschen von außerhalb ruft.

(Sebastian Edathy [SPD]: Sie können heute produktiver sein, Herr Glos!)

Das mag das soziale Verständnis der Neosozialdemokraten sein, die jetzt an der Regierung sind und alles tun, um dem grünen Partner zu gefallen. Unser Verständnis von sozialer Gerechtigkeit ist das jedenfalls nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Politik hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der deutsche Arbeitsmarkt wieder besser ausgeschöpft wird. Ich bin der Meinung - da gebe ich Bundeskanzler Schröder Recht -, dass wir die deutschen Begabungsreserven besser nutzen müssen.

(Sebastian Edathy [SPD]: Fangen Sie einmal bei sich an, Herr Glos!)

Er hat gesagt - das können Sie im "Tagesspiegel" vom 5. Februar 2002 nachlesen -: Eine Gesellschaft, die es nicht schaffe, Begabungsreserven bei sozial Schwächeren zu erschließen, sollte es lassen, über Einwanderung zu diskutieren. Dieser Satz stammt vom Bundeskanzler. Dem sollten Sie glauben.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Was habt ihr denn beim Job-Aqtiv-Gesetz gemacht? Da habt ihr euch gedrückt!)

Ich komme zum Schluss: Nach dem 22. September dieses Jahres werden wir die Gelegenheit haben, ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz auf den Weg zu bringen.

(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben auch nur Sie!)

Dann werden wir, nicht zuletzt durch Ihren verfehlten Gesetzentwurf, andere Mehrheiten in diesem Haus haben.

(Sebastian Edathy [SPD]: Aha, es geht Ihnen also nur um Wahlkampf! Um die Sache geht es Ihnen doch gar nicht!)

Wir werden mit den Wählerinnen und Wählern über dieses Gesetz sprechen und ihnen Pro und Contra erklären. Wir haben keine Angst vor den Wählerinnen und Wähler. Sie müssen sie fürchten.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

 

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Anmerkung:
[1] Im Deutschen Bundestag gaben im Anschluß an die Debatte 587 Abgeordnete ihre Stimme ab. Der Entwurf des Zuwanderungsgesetzes wurde mit 321 zu 225 Stimmen und 41 Enthaltungen angenommen und damit als Gesetz beschlossen.
In seiner Sitzung vom 22. März stimmte der Bundesrat nach heftiger Debatte und einer verfassungsrechtlich umstrittenen Abstimmung, die von lautstarker und vorher abgesprochener "Empörung" der CDU-geführten Länder begleitet wurde, mit einer knappen Mehrheit von 35 Stimmen ebenfalls für das Gesetz.
Bundespräsident Johannes Rau fertigte am 20. Juni 2002 das Zuwanderungsgesetz aus, nachdem er durch sorgfältige Prüfung der verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Abstimmung im Bundesrat zu dem Ergebnis gekommen war, dass "zweifelsfrei und offenkundig ein Verfassungsverstoß" nicht vorläge. Er verwies jedoch ausdrücklich auf die Möglichkeit, die Vorgänge der Abstimmung im Bundesrat durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Anschließend wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet und hätte somit zum vorbestimmten Zeitpunkt in Kraft können.
Daraufhin reichten die sechs CDU-regierten Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Saarland, Sachsen und Thüringen wegen der verfassungsrechtlich umstrittenen Bundesratsabstimmung Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts schloss sich am 18. Dezember 2002 der Auffassung der Union an. Er stellte fest, dass die Abstimmung im Bundesrat nicht verfassungsgemäß stattgefunden hatte. Aus diesem Grund trat das Zuwanderungsgesetz, trotz Verkündung im Bundesgesetzblatt, nicht in Kraft.


Quelle: Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 222. Sitzung vom 01.03.2002 (Plenarprotokoll 14/222).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede des ersten stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Michael Glos zum Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes der Bundesregierung sowie der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen im Bundestag (01.03.2002), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2002/rede_glos_03-01.html, Stand: aktuelles Datum.


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Rüdiger Veit (SPD), Friedrich Merz (CDU), Kerstin Müller (Bündnis 90/Die Grüne), Dr. Max Stadler (FDP), Petra Pau (PDS), Dr. Michael Bürsch (SPD), Michael Glos (CSU), Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Roland Claus [I] (PDS), Sebastian Edathy (SPD), Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Christel Riemann-Hanewinckel (SPD), Christa Lörcher (fraktionslos), Leyla Onur (SPD), Otto Schily (SPD), Wolfgang Bosbach (CDU), Gerhard Schröder (SPD), Dr. Angela Merkel (CDU), Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Roland Claus [II] (PDS), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
Reden zum Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern [Zuwanderungsgesetz] im Bundesrat (22.03.2002):
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, Sachsen (CDU); Heide Simonis, Schleswig-Holstein (SPD); Peter Müller [I], Saarland (CDU); Kurt Beck, Rheinland-Pfalz (SPD); Roland Koch, Hessen (CDU); Sigmar Gabriel [I], Niedersachsen (SPD); Jörg Schönbohm, Brandenburg (CDU); Dr. Fritz Behrens, Nordrhein-Westfalen; Herbert Mertin, Rheinland-Pfalz (FDP); Ruth Wagner, Hessen (FDP); Dr. h. c. Manfred Stolpe, Brandenburg (SPD); Otto Schily [I], Bundesinnenminister (SPD); Dr. Edmund Stoiber, Bayern (CSU); Otto Schily [II], Bundesinnenminister (SPD); Peter Müller [II], Saarland (CDU); Sigmar Gabriel [II], Niedersachsen (SPD); Dr. Günther Beckstein, Bayern (CSU); Otto Schily [III] (SPD)
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Erklärung von Bundespräsident Johannes Rau zur Ausfertigung des Zuwanderungsgesetzes am 20. Juni 2002 im Schloss Bellevue in Berlin (20.06.2002)
Begleitbrief des Bundespräsidenten Johannes Rau an den Bundeskanzler und die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat bezüglich der Unterzeichnung des Zuwanderungsgesetzes (20.06.2002)
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Letzte Änderung: 03.03.2004
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