[Erstes] Gesetz zum Schutze der Republik.
Vom 21. Juli 1922.
Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit
Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:
I. Strafbestimmungen zum Schutze der Republik
§ 1
[1] Wer an einer Vereinigung oder Verabredung teilnimmt, zu
deren Bestrebungen es gehört, Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder
eines Landes durch den Tod zu beseitigen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder
mit lebenslangem Zuchthaus bestraft.
[2] Ist in Verfolgung dieser Bestrebungen eine Tötung begangen oder
versucht worden, so wird jeder, der zur Zeit der Tat an dieser Vereinigung oder
Verabredung beteiligt war und ihre Bestrebungen kannte, mit dem Tode oder mit lebenslangem
Zuchthaus bestraft.
§ 2
Wer an einer Geheimverbindung der im § 128 des Strafgesetzbuchs
bezeichneten Art teilnimmt, wird mit Zuchthaus bestraft, wenn die Verbindung eine im § 1 Abs. 1 genannte Bestrebung verfolgt.
§ 3
Der Teilnehmer an einer in den §§ 1, 2 bezeichneten Vereinigung, Verabredung oder Verbindung bleibt straffrei,
wenn er der Behörde oder der bedrohten Person von dem Bestehen der Vereinigung,
Verabredung oder Verbindung, von den ihm bekannten Mitgliedern und
ihrem Verbleibe Kenntnis gibt, bevor in Verfolgung der Bestrebungen der
Vereinigung, Verabredung oder Verbindung eine Tötung begangen oder versucht worden
ist.
§ 4
Dem Teilnehmer an einer in den §§ 1, 2 bezeichneten Vereinigung, Verabredung oder Verbindung steht gleich, wer
die Vereinigung oder Verbindung oder einen an der Verabredung Beteiligten mit Rat oder
Tat, insbesondere mit Geld unterstützt.
§ 5
[1] Wer von dem Dasein einer in den §§ 1, 2 genannten Vereinigung, Verabredung oder Verbindung oder von dem Plane,
eine im § 1 genannte Person zu töten, Kenntnis hat, wird mit Zuchthaus,
bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, wenn er es
unterläßt, von dem Bestehen der Vereinigung, Verabredung oder Verbindung, von den ihm
bekannten Mitgliedern, ihrem Verbleib oder von der geplanten Tötung und der Person des
Täters der Behörde oder der bedrohten Person unverzüglich Kenntnis zu geben.
[2] Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Anzeige von einem Geistlichen
in Ansehung dessen, was ihm bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden ist, hätte
erstattet werden müssen. Straffrei bleiben Verwandte auf- und absteigender Linie,
Ehegatten und Geschwister, wenn sie sich nach Kräften bemüht haben, den Täter von der
Tat abzuhalten, es sei denn, daß die Unterlassung der Anzeige eine Tötung oder einen
Tötungsversuch zur Folge gehabt hat.
§ 6
Wer einen anderen begünstigt (§ 257 des Strafgesetzbuchs), der
eine im § 1 Abs. 1 genannte Person vorsätzlich getötet oder zu töten
versucht hat oder der an einer solchen Tat teilgenommen hat, wird mit Zuchthaus bestraft.
§ 7
[1] Mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren
wird, soweit nicht andere Vorschriften eine schwerere Strafe androhen, bestraft: |
- wer gegen Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes einen
Angriff auf Leib und Leben (Gewalttätigkeit) begeht oder mit einem anderen verabredet,
oder wer zu einer solchen Gewalttätigkeit auffordert;
- wer einen anderen, der als Mitglied einer republikanischen Regierung des Reichs
oder eines Landes durch eine gegen ihn gerichtete Gewalttätigkeit getötet worden
ist, öffentlich oder in einer Versammlung beschimpft oder verleumdet;
- wer öffentlich oder in einer Versammlung ein Verbrechen gegen § 1
oder Gewalttätigkeiten, die gegen Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs
oder eines Landes begangen worden sind, verherrlicht oder ausdrücklich billigt,
wer solche Taten belohnt oder den Täter oder Teilnehmer begünstigt (§ 257 des
Strafgesetzbuchs);
- wer an einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung (§§ 128, 129 des
Strafgesetzbuchs), die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßig festgestellte
republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt, oder
sie oder im Dienste ihrer Bestrebungen ein Mitglied mit Rat und Tat, insbesondere mit Geld
unterstützt;
- wer sich einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung (§§ 128, 129 des
Strafgesetzbuchs) anschließt, die selbst oder deren Mitglieder unbefugt Waffen besitzen;
- wer ein bis dahin verheimlichtes Waffenlager in Eigentum oder Gewahrsam hat und es
unterläßt, der Behörde von dem Aufbewahrungsort unverzüglich Kenntnis zu geben; dem
Waffenlager steht ein Munitionslager, ein Geschütz, ein Minenwerfer oder Flammenwerfer,
ein Maschinengewehr oder eine Maschinenpistole gleich.
|
[2] In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus. [Anm. 1]
[3] Neben der Freiheitsstrafe ist auf Geldstrafe bis zu fünf Millionen Mark zu
erkennen. [Anm. 2] |
§ 8
Mit Gefängnis bis zu fünf Jahren, neben dem auf
Geldstrafe bis zu einer Million Mark erkannt werden kann, wird bestraft, |
- wer öffentlich oder in einer Versammlung die verfassungsmäßig festgestellte
republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes beschimpft oder dadurch
herabwürdigt, daß er Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines
Landes beschimpft oder verleumdet;
- wer öffentlich oder in einer Versammlung die Reichs- oder Landesfarben beschimpft;
- wer von dem Vorhandensein eines bis dahin verheimlichten Waffenlagers Kenntnis hat und
es unterläßt, hiervon der Behörde unverzüglich Kenntnis zu geben, es sei denn, daß
damit für Verwandte auf- oder absteigender Linie oder Geschwister oder den Ehegatten des
Wissenden die Gefahr der Bestrafung einträte oder, daß die Anzeige von einem
Geistlichen, Rechtsanwalt oder Arzt in Ansehung dessen hätte erfolgen müssen, was ihm
bei Ausübung seines Berufs anvertraut worden ist. § 7 Nr. 6 Halbsatz 2
gilt entsprechend.
|
§ 9
[1] Neben jeder Verurteilung wegen Hochverrats oder wegen eines
Verbrechens gegen die §§ 1 bis 6 ist auf Geldstrafe zu
erkennen; die Höhe der Geldstrafe ist nicht beschränkt.
[2] Dem Verurteilten kann im Urteil der Aufenthalt in bestimmten Teilen oder an
bestimmten Orten des Reichs auf die Dauer bis zu fünf Jahren angewiesen werden; gegen
Ausländer ist auf Ausweisung aus dem Reichsgebiete zu erkennen. Zuwiderhandlungen gegen
diese Anordnungen werden mit Gefängnis bestraft. [Anm. 3]
§ 10
[1] Die Verurteilung zum Tode oder zu Zuchthaus wegen Hochverrats
oder einer in den §§ 1 bis 7 bezeichneten strafbaren
Handlung hat außer den im § 31 des Strafgesetzbuches genannten Folgen den Verlust der
aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte und bei Beamten und Militärpersonen den
Verlust des Gehalts und, wen sie nicht mehr im Amte sind, des Ruhegehalts von Rechts wegen
zur Folge.
[2] Wird wegen der im Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen oder wegen eines
Vergehens gegen den § 8 auf Gefängnis oder Festungshaft erkannt, so
kann zugleich der Verlust der bekleideten öffentlichen Ämter, bei Militärpersonen
auf Dienstentlassung, dauernde oder zeitweilige Unfähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Ämter, den gänzlichen oder teilweisen, den dauernden oder
zeitweiligen Verlust des Gehalts oder des Ruhegehalts erkannt werden. Soweit nach
anderen Vorschriften auf Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte
erkannt werden kann, behält es dabei sein Bewenden.
§ 11
Deutsche und Ausländer können wegen der in den §§ 1
bis 8 bezeichneten Handlungen auch dann verfolgt werden, wenn diese Taten
im Ausland begangen sind.
II. Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik [Anm. 4]
§ 12
[1] Bei dem Reichsgerichte wird ein Staatsgerichtshof zum Schutze
der Republik eingerichtet.
[2] Der Staatsgerichtshof entscheidet in einer Besetzung von neun Mitgliedern. Drei
von ihnen sind Mitglieder des Reichsgerichts. Die übrigen sechs Mitglieder brauchen nicht
die Fähigkeit zum Richteramte zu haben. Entscheidungen außerhalb der Hauptversammlung
ergehen in der Besetzung von drei Mitgliedern, von denen mindestens eins dem
Reichsgerichte nicht angehört. Die Mitglieder werden von Reichspräsidenten für die
Dauer der Geltung dieses Gesetzes ernannt. Für die ordentlichen Mitglieder sind
Stellvertreter zu ernennen. Die notwendigen ergänzenden Bestimmungen trifft der
Reichsminister der Justiz mit Zustimmung des Reichsrats.
[3] Anklagebehörde ist die Reichsstaatsanwaltschaft. Der § 147 Abs. 2 und der §
153 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend. Auf das Verfahren finden die
Vorschriften über das Verfahren vor den Strafkammern entsprechende Anwendung.
Der Reichsminister der Justiz kann mit Zustimmung des Reichsrats besondere
Vorschriften erlassen. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Öffentlichkeit und
Mündlichkeit der Hauptversammlung, die Ausschließung und Ablehnung der
Gerichtspersonen, die Verhaftung, die Verteidigung, das Verfahren gegen
Nichtanwesende, den Umfang der Beweisaufnahme und die Vorschriften des § 262 der
Strafprozeßordnung dürfen nicht zum Nachteil des Beschuldigten geändert werden.
Gegen die Entscheidung des Staatsgerichtshofs finden Rechtsmittel nicht statt.
§ 13
[1] Der Staatsgerichtshof ist zuständig für die in den §§ 1 bis 8 dieses Gesetzes bezeichneten Handlungen,
gleichgültig, ob sie nach diesem Gesetz oder anderen Gesetzen strafbar sind, für
Hochverrat sowie für Tötung und Tötungsversuch, begangen gegen Mitglieder einer
früheren republikanischen Regierung. Soweit diese Taten ausschließlich gegen die
verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform eines Landes, die Mitglieder
einer im Amt befindlichen oder einer früheren republikanischen Regierung eines Landes
oder gegen die Landesfarben gerichtet sind, ist die Zuständigkeit des Staatsgerichtshof
nur begründet, wenn die Landesregierung oder der Verletzte bei dem Oberreichsanwalte vor
der Eröffnung des Hauptverfahrens die Einleitung oder Übernahme des Verfahrens
beantragt.
[2] Der Staatsgerichtshof ist ferner zuständig für Handlungen, die mit den nach
Abs. 1 zu seiner Zuständigkeit gehörenden Handlungen im tatsächlichen Zusammenhange
stehen.
[3] Der Oberreichsanwalt kann eine Untersuchung an die zuständige
Staatsanwaltschaft abgeben. Der Staatsgerichtshof kann eine bei ihm anhängig gewordene
Untersuchung auf Antrag des Oberreichsanwalts zum ordentlichen Verfahren verweisen.
[4] Diese Vorschriften sind auch anzuwenden auf die vor dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes begangenen strafbaren Handlungen. [Anm. 5] Ist in der Sache
bereits ein Urteil ergangen, gegen das die Revision zulässig ist, so entscheiden über
die Revision die ordentlichen Richter.
III. Verbotene Vereinigungen
§ 14
[1] Versammlungen, Aufzüge und Kundgebungen können verboten
werden, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis rechtfertigen, daß in ihnen
Erörterungen stattfinden, die den Tatbestand einer der in den §§ 1 bis
8 bezeichneten strafbaren Handlungen bilden.
[2] Vereine und Vereinigungen, in denen Erörterungen der bezeichneten Art
stattfinden oder die Bestrebungen dieser Art verfolgen oder die die Erhebung einer
bestimmten Person auf den Thron betreiben, können verboten und aufgelöst werden.
[3] Im Falle des Verbots ist dem Veranstalter auf Antrag sofort ein kostenfreier
Bescheid mit Angabe der Gründe zu erteilen.
§ 15
Die Vorschriften des § 14 Abs. 1 finden keine
Anwendung auf Versammlungen der Wahlberechtigten zur Betreibung der Wahlen des Reichstags,
des Reichspräsidenten, der Volksvertretung eines Landes oder einer kommunalen oder
sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft vom Tage der amtlichen Bekanntmachung des
Wahltags bis zur Beendigung der Wahlhandlung. Das gleiche gilt für Versammlungen zur
Betreibung von Abstimmungen und Eintragungen, die zur Feststellung des Willens der
Bevölkerung auf Grund der Reichsverfassung und der
Verfassungsgesetze der Länder stattfinden.
§ 16
Versammlungen, auch der im § 15 genannten Art,
in denen Zuwiderhandlungen gegen die §§ 1 bis 8
vorkommen und geduldet werden, können durch Beauftragte der Polizeibehörde aufgelöst
werden.
§ 17
[1] Zuständig für Maßnahmen nach § 14 sind
die Landeszentralbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen.
[2] Der Reichsminister des Innern kann die Landeszentralbehörden um die Anordnung
einer solchen Maßnahme ersuchen. Glaubt die Landeszentralbehörde einem solchen Ersuchen
nicht entsprechen zu können, so teilt sie dies unverzüglich auf telegraphischem oder
telephonischem Wege, spätestens aber am zweiten Tage nach Empfang des Ersuchens dem
Reichsminister des Innern mit und ruft gleichzeitig auf demselben Wege die
Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik an. Entscheidet dieser
für die Anordnung, so hat die Landeszentralbehörde die erforderlichen Maßnahmen sofort
zu treffen.
[3] Gegen eine Anordnung nach §§ 14, 15
ist binnen zwei Wochen vom Tage der Zustellung oder Veröffentlichung ab die Beschwerde
zulässig; sie hat keine aufschiebende Wirkung. Die Beschwerde ist bei der Stelle
einzureichen, gegen deren Anordnung sie gerichtet ist. Diese hat sie unverzüglich an
die Landeszentralbehörde abzugeben. Die Landeszentralbehörde kann der Beschwerde
außer im Falle des Abs. 2 abhelfen; andernfalls hat sie die Beschwerde
unverzüglich dem Staatsgerichtshofe zum Schutze der Republik zur Entscheidung
vorzulegen. Gegen eine Entscheidung der Landeszentralbehörde, die der Beschwerde
abhilft, kann der Reichsminister des Innern die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum
Schutze der Republik anrufen.
[4] Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe regelt der Reichsminister des Innern
mit Zustimmung des Reichsrats. Insbesondere kann er Vorschriften über die Zulässigkeit
vorläufiger Entscheidungen erlassen.
§ 18
Im Falle der Auflösung eines Vereins oder einer Vereinigung kann
das Vermögen des Vereins oder der Vereinigung zugunsten des Reichs beschlagnahmt und
eingezogen werden.
§ 19
[1] Wer nach § 14 verbotene Versammlungen,
Aufzüge oder Kundgebungen veranstaltet oder in solchen als Redner auftritt, wird mit
Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, neben dem auf Geldstrafe bis zu
fünfhunderttausend Mark erkannt werden kann.
[2] Ebenso wird bestraft, wer sich an einem nach § 14 Abs. 2
aufgelösten Verein oder einer danach aufgelösten Vereinigung als Mitglied beteiligt oder
sie auf andere Weise unterstützt. Dem aufgelösten Verein steht ein angeblich neuer
Verein gleich, der sich sachlich als der alte darstellt, das gleiche gilt für
Vereinigungen.
IV. Beschlagnahme und Verbot von Druckschriften
§ 20
Die Vorschriften des Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874
(Reichsgesetzbl. S. 65) über die Beschlagnahme von Druckschriften (§§ 23 ff. des
Gesetzes) finden auch auf die in §§ 1 bis 8 dieses
Gesetzes bezeichneten strafbaren Handlungen mit der Maßgabe Anwendung, daß der
Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß des Gerichts, der die vorläufige Beschlagnahme
aufhebt, die sofortige Beschwerde mit aufschiebender Wirkung zusteht.
§ 21
[1] Wird durch den Inhalt einer periodischen
Druckschrift die Strafbarkeit einer der in den §§ 1 bis 8
bezeichneten Handlungen begründet, so kann die periodische Druckschrift, wenn es sich um
eine Tageszeitung handelt, bis auf die Dauer von vier Wochen, in anderen Fällen bis auf
die Dauer von sechs Monaten verboten werden. Auf die Zuständigkeit und das Verfahren
finden die Vorschriften des § 17 Anwendung.
[2] Das Verbot umfaßt auch jede angeblich neue Druckschrift, die sich sachlich als
die alte darstellt.
§ 22
Wer eine nach § 21 verbotene Druckschrift
herausgibt, verlegt, druckt oder verbreitet, wird mit Gefängnis von drei Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft, neben dem auf Geldstrafe bis zu fünfhunderttausend Mark erkannt
werden kann.
V. Mitglieder vormals landesherrlicher Familien
§ 23
[1] Mitglieder solcher Familien, von denen ein Angehöriger bis
November 1918 in einem ehemaligen deutschen Bundesstaate regiert hat, kann, wenn sie ihren
Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Ausland haben, von der Reichsregierung das Betreten
des Reichsgebiets untersagt oder der Aufenthalt auf bestimmte Teile oder Orte des Reichs
beschränkt werden, falls die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß andernfalls das Wohl der
Republik gefährdet wird. Im Falle der Zuwiderhandlung könne sie durch Beschluß der
Reichsregierung aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden.
[2] Jede der vorbezeichneten Anordnungen ist mit schriftlichen Gründen zu versehen
und den Betroffenen zuzustellen. Binnen zwei Wochen nach Zustellung kann der Betroffene
die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik anrufen. Das Verfahren
regelt der Reichsminister des Innern mit Zustimmung des Reichsrats.
VI. Schlußbestimmungen
§ 24
Mitglieder der republikanischen Regierungen des Reichs und der
Länder im Sinne dieses Gesetzes sind der Reichspräsident sowie alle
Regierungsmitglieder, die einer aus allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl
hervorgegangenen Volksvertretung verantwortlich sind oder waren.
§ 25
Das Strafgesetzbuch wird dahin geändert: |
- Als § 49 b wird folgende Vorschrift eingestellt:
|
|
"Wer mit einem anderen ein
Verbrechen des Mordes verabredet, wird schon wegen dieser Verabredung mit Gefängnis nicht
unter einem Jahre bestraft; die Strafe ist Zuchthaus, wenn eine Person aus Gründen
ermordet werden soll, die in ihrer Stellung im öffentlichen Leben liegen. Neben
der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu fünf Millionen Mark erkannt
werden.
Straffrei bleibt, wer der bedrohten Person oder der Behörde
von der Verabredung Kenntnis gibt, bevor der Mord begangen oder versucht worden
ist." |
- Der § 111 Abs. 2 Satz 1 erhält folgenden Zusatz:
|
|
"; war die Aufforderung auf eine
Tötung gerichtet, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten, neben dem auf
Geldstrafe bis zu einer Million Mark erkannt werden kann." |
§ 26
Eine Maßnahme, die auf Grund der Verordnungen des
Reichspräsidenten vom 26. und 29. Juni 1922 [Anm. 6] (Reichsgesetzbl.
I S. 521, 523 und 532) getroffen und auch nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zulässig
ist, gilt als auf Grund dieses Gesetzes getroffen.
§ 27
[1] Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Den
Zeitpunkt, mit dem der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik errichtet wird, bestimmt
der Reichsminister der Justiz. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juni 1922
(Reichsgesetzbl. I S. 521) errichtete Staatsgerichtshof bestehen; seine Zuständigkeit
bestimmt sich vom Inkrafttreten dieses Gesetzes ab nach dessen Vorschriften. Mit der
Errichtung des neuen Staatsgerichtshofs gehen die bei dem bisherigen Staatsgerichtshof
anhängigen Sachen in der Lage, in der sie sich befinden, auf den neuen Staatsgerichtshof
über. Das Nähere wegen der Überleitung bestimmt der Reichsminister der Justiz.
[2] Das Gesetz tritt nach Ablauf von fünf Jahren außer Kraft. [Anm.
7]
Berlin, den 21. Juni 1922.
Der Reichspräsident
Ebert
Der Reichsminister des Innern
Köster
Der Reichsminister der Justiz
Dr. Radbruch
|