Verordnung über das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe zum
Schutze der Republik in Verwaltungssachen.
Vom 1. August 1922.
Auf Grund des § 17 Abs. 4
und § 23 Abs. 2 des Gesetzes
zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 (Reichsgesetzbl. I S. 585) wird mit
Zustimmung des Reichsrats folgendes bestimmt:
Z i f f e r I
[1] Die Entscheidungen des Staatsgerichtshofs zum
Schutze der Republik |
|
1. über Beschwerden |
|
|
a) gegen Verbote von Versammlungen, Aufzügen oder Kundgebungen und
gegen Auflösungen von Vereinen oder Vereinigungen (§§ 14,
15 des Gesetzes),
b) gegen Verbote von Druckschriften (§ 21
des Gesetzes),
c) gegen Anordnungen auf Grund des § 23 des Gesetzes gegenüber Mitgliedern vormals landesherrlicher
Familien; |
|
2. auf Anrufung seitens der Landeszentralbehörde oder des
Reichsministers des Innern in den Fällen des § 17
Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 5 des Gesetzes, |
erfolgen vorbehaltlich der Ziffer IV in der im § 12 Abs. 2 Satz 1 bis
3 des Gesetzes vorgeschriebenen Besetzung.
[2] Beschlüsse, die lediglich zur Vorbereitung der Entscheidung dienen und nicht
in einer Sitzung des mit neun Mitgliedern besetzten Staatsgerichtshofs gefaßt werden,
ergehen in der im § 12 Abs. 2 Satz 4 bestimmten
Besetzung. |
Z i f f e r II
[1] Die Entscheidungen ergehen in der Regel ohne vorherige
mündliche Verhandlung auf Grund der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen. Den
Beteiligten ist, soweit Äußerungen von ihnen noch nicht vorliegen, Gelegenheit zur
Äußerung gegeben.
[2] Der Staatsgerichtshof kann eine mündliche Verhandlung anordnen, zu der alsdann
die Beteiligten zu laden sind.
[3] Die Beteiligten können sich in dem Verfahren vertreten lassen.
Z i f f e r III
[1] Der Staatsgerichtshof ist befugt, von Amts wegen weitere
Erhebungen anzustellen, insbesondere Zeugen und Sachverständige eidlich zu vernehmen. Die
Vorschriften der Strafprozeßordnung finden entsprechende Anwendung.
[2] Die Gerichte sind zur Rechtshilfe nach den Bestimmungen des Titel 13 des
Gerichtsverfassungsgesetzes verpflichtet.
Z i f f e r IV
In dringenden Fällen kann der Staatsgerichtshof zum Schutze der
Republik eine vorläufige Entscheidung erlassen. Diese ergeht in der im § 12 Abs. 2 Satz 4 des Gesetzes
vorgesehenen Besetzung. Die Entscheidung kann in den Fällen der Ziffer I
1 a und b für endgültig erklärt werden, wenn kein Mitglied widerspricht; jedoch steht
den Beteiligten die Anrufung des Staatsgerichtshofs in voller Besetzung innerhalb einer
Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung frei.
Z i f f e r V
Alle endgültigen Entscheidungen des Staatsgerichtshofs sowie die
vorläufigen Entscheidungen nach Ziffer IV sind schriftlich zu
begründen und den Beteiligten zuzustellen.
Berlin, den 1. August 1922.
Der Reichsminister des Innern
Köster
|