Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik.

Vom 21. Juli 1922.


  Der Reichstag hat das folgenden Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:

A r t i k e l  I

  Das Reichsbeamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 1907 (Reichsgesetzbl. S. 245) wird wie folgt geändert:

  A. § 3 erhält folgende Fassung:
  Jeder Reichsbeamte ist auf die Reichsverfassung (Artikel 176) und auf die gewissenhafte Erfüllung aller Obliegenheiten des ihm übertragenen Amtes eidlich zu verpflichten.
  Die Eidesleistung soll bei der Aushändigung der Bestallung oder dem Dienstantritt, spätestens in unmittelbarem Anschluß an den Dienstantritt stattfinden. Wird sie verweigert, so ist die Ernennung des Beamten in seinem Rechtsverhältnis zum Reich nichtig.
  Über den Ersatz der Eidesleistung durch eine andere feierliche Erklärung bei Angehörigen einer Religionsgemeinschaft, denen die Eidesleistung aus religiösen Gründen verboten ist, bestimmt der Reichsminister des Innern im einzelnen Falle.

  B. Hinter dem § 10 werden folgende §§ 10 a und 10 b eingefügt:

§ 10 a

  Der Reichsbeamte ist verpflichtet, in seiner amtlichen Tätigkeit für die verfassungsmäßige republikanische Staatsform einzutreten.
  Er hat alles zu unterlassen, was mit seiner Stellung als Beamter der Republik nicht zu vereinen ist. Insbesondere ist ihm untersagt:
  1. sein Amt oder die ihm kraft seiner amtlichen Stellung zugänglichen Einrichtungen für Bestrebungen zur Änderung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform zu mißbrauchen;
  2. bei Ausübung der Amtstätigkeit oder unter Mißbrauch seiner amtlichen Stellung über die verfassungsmäßige republikanische Staatsform, die Reichsflagge oder über die verfassungsmäßigen Regierungen des Reichs oder eines Landes zur Bekundung der Mißachtung Äußerungen zu tun, die geeignet sind, sie in der öffentlichen Meinung herabzusetzen;
  3. bei Ausübung der Amtstätigkeit oder unter Mißbrauch seiner amtlichen Stellung auf die ihm unterstellten oder zugewiesenen Beamten, Angestellten und Arbeiter, Zöglinge oder Schüler im Sinne mißachtender Herabsetzung der verfassungsmäßige republikanischen Staatsform oder der verfassungsmäßigen Regierungen des Reichs oder eines Landes einzuwirken;
  4. Handlungen nach Nr. 1 bis 3 bei dienstlich unterstellten Personen, sofern sie im Dienste begangen werden, zu dulden.
  Dem Reichsbeamten ist weiterhin untersagt, in der Öffentlichkeit gehässig oder aufreizend die Bestrebungen zu fördern, die auf Wiederherstellung der Monarchie oder gegen den Bestand der Republik gerichtet sind, oder solche Bestrebungen durch Verleumdung, Beschimpfung oder Verächtlichmachung der Republik oder von Mitgliedern der im Amte befindlichen Regierung des Reichs oder eines Landes zu unterstützen.

§ 10 b

  Weitergehende Verpflichtungen, die sich für den Reichsbeamten innerhalb oder außerhalb seines Amtes über die Bestimmungen des § 10 a hinaus aus den besonderen Aufgaben des ihm übertragenen Amtes oder den Umständen des Falles nach den allgemeinen Vorschriften über die Pflichten der Reichsbeamten ergeben, bleiben unberührt.
  C. Im § 72 Zeile 2 ist die Klammer "(§ 10)" zu ändern in "(§§ 10, 10 a, 10 b)".
  D. Dem § 76 wird als Abs. 2 angefügt:
      Liegt ein Verbrechen gegen § 10 a Abs. 2 und 3 im Rückfall vor, so ist auf Dienstentlassung zu erkennen.
  E. Der § 87 Abs. 2 des Reichsbeamtengesetzes erhält folgende Fassung:
      Durch Anordnung des Reichspräsidenten könne im Einvernehmen mit dem Reichsrat einzelne Disziplinarkammern auch an anderen Orten errichtet oder nach anderen Orten verlegt werden.
  F. § 89 erhält folgende Fassung:
      Jede Disziplinarkammer besteht aus sieben Mitgliedern.
      Der Präsident und wenigstens zwei andere Mitglieder müssen in richterlicher Stellung im Reiche oder in einem Lande sein. Für den Präsidenten und jedes Mitglied sind Stellvertreter zu ernennen. Die übrigen Mitglieder werden aus dem Beamtenstand entnommen.
      Die Disziplinarkammern entscheiden in einer Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Der Vorsitzende und wenigstens ein Beisitzer müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören.
Auf das Verfahren sind die Gerichtsferien der ordentlichen Gerichte ohne Einfluß.
  G. § 91 erhält folgende Fassung:
      Der Disziplinarhof besteht aus elf Mitgliedern.
      Der Präsident und zwei Mitglieder müssen zu den Mitgliedern des Reichsgerichts gehören. Zwei weitere Mitglieder müssen Bevollmächtigte zum Reichsrat sein. Die übrigen Mitglieder werden aus dem Beamtenstande entnommen. Für jedes Mitglied sind vier Stellvertreter zu ernnennen.
      Die mündliche Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Disziplinarsachen erfolgt durch sieben Mitglieder. Der Vorsitzende und wenigstens ein Mitglied müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören.
  H. Der § 93 erhält folgende Fassung:
      Die Mitglieder der Disziplinarkammern und des Disziplinarhofs werden für die Dauer von drei Jahren vom Reichspräsidenten ernannt, die richterlichen Mitglieder und die des Reichsrats nach Anhörung des Reichsrats.
Die Amtsdauer der gegenwärtigen Mitglieder der Disziplinarkammern und des Disziplinarhofs findet mit dem 31. August 1922 ihr Ende.


A r t i k e l  II

  Die Bestimmungen der §§ 3, 10 a und 10 b des Reichsbeamtengesetzes gelten sinngemäß auch für Soldaten, ohne daß hierdurch die weitergehenden Vorschriften des Wehrgesetzes vom 23. März 1921 (Reichsgesetzbl. S. 329), insbesondere die Vorschriften des § 36 über das Verbot politischer Betätigung, berührt werden.


A r t i k e l  III

  Durch Reichs- oder Landesgesetz kann über die bestehenden Vorschriften hinaus bestimmt werden, daß im Interesse der Festigung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform nichtrichterliche Beamte, die den jetzigen Besoldungsgruppen von A XII an aufwärts angehören und die entweder sich in leitender Stellung oder in der Stellung von Stellvertretern leitender Beamten befinden oder politische Entscheidungen zu treffen haben oder mit Aufgaben zum Schutze der Republik besonders betraut sind, jederzeit durch die vorgesetzte oberste Reichs- oder Landesbehörde mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes einstweilen in den Ruhestand versetzt werden können. Dabei ist es unerheblich, ob die betroffenen Beamten vor oder nach dem Inkrafttreten der Reichsverfassung angestellt worden sind.
  Das Gesetz hat die Kategorien von Beamten, auf die es anzuwenden ist, im Rahmen der Ermächtigung des Abs. 1 näher zu bezeichnen.


A r t i k e l  IV

  Auf Grund des Artikels III wird für nichtrichterliche Reichsbeamte folgendes bestimmt:
  Durch die vorgesetzte oberste Reichsbehörde können mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes im Interesse der Festigung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform jederzeit einstweilen in den Ruhestand versetzt werden:
  1. Leiter von Reichsbehörden und ihre Stellvertreter, die der jetzigen Besoldungsgruppe A XIII oder einer höheren Gruppe angehören,
  2 Ministerialräte in Dirigentenstellungen,
  3. Beamte, die den jetzigen Besoldungsgruppen von A XII an aufwärts angehören, wenn sie mit Aufgaben zum Schutze der Republik besonders betraut sind.
Diese Beamtenstellungen sind in dem anliegenden Verzeichnis aufgeführt. Die Reichsregierung kann das Verzeichnis unter Mitwirkung eines Ausschusses des Reichstags ändern.


A r t i k e l  V

  Beamte, die auf Grund dieses Gesetzes oder des § 25 des Reichsbeamtengesetzes in der Fassung vom 18. Mai 1907 (Reichsgesetzbl. S. 245) in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, sind die Kosten des Umzugs nach den für Reichsbeamte geltenden allgemeinen Vorschriften zu gewähren, sofern der Umzug bis zum Ablauf eines Jahres seit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ausgeführt wird. Kann der Umzug aus wichtigen Gründen innerhalb dieser Frist nicht erfolgen, so bleibt der Anspruch auf Gewährung der Umzugskosten bei Ausführung des Umzugs innerhalb einer angemessenen Frist seit Wegfall der wichtigen Gründe unberührt.


A r t i k e l  VI

  Die Folgen der Verweigerung des Eides auf die Reichsverfassung regeln sich für die Beamten, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits angestellt sind, nach den bisher geltenden Bestimmungen.


A r t i k e l  VII

  Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.


  Berlin, den 21. Juli 1922.

Der Reichspräsident
Ebert

Der Reichsminister des Innern
Köster

Anlage

Verzeichnis
zum Artikel IV Nr. 3 des Gesetzes über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik.

Dem Artikel IV Nr. 3 des Gesetzes über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik unterfallen folgende Beamte:
der Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung,
die planmäßigen und außerplanmäßigen Referenten
des Büros des Reichspräsidenten,
der Reichskanzlei,
der Abteilungen für Politik und Verfassung und die öffentliche Ordnung im Reichsministerium des Innern,
der Presseabteilung der Reichsregierung,
des Reichskommissars für die Überwachung der öffentlichen Ordnung,
die Zivilamtschefs und die planmäßigen und außerplanmäßigen Referenten des Reichswehrministeriums,
die Ministerialbürodirektoren des Büros des Reichspräsidenten, der Reichskanzlei, des Reichsministeriums des Innern und des Reichswehrministeriums.

 

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Quelle: Reichsgesetzblatt 1922 I, S. 590-593.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik (21.07.1922), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/rbeamte-pflicht_ges.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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