Rede des Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Michael Glos zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus

vom 8. November 2001


Michael Glos (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entgegen meiner ursprünglichen Absicht möchte ich einige Bemerkungen zu dem machen, was wir heute hier gehört haben. Zum einen ist der Außenminister wieder rückfällig geworden und hat offen zum Gesetzesbruch aufgerufen.

(Lachen bei der SPD - Rudolf Bindig [SPD]: Kleinkarierter Einstieg!)

Sitzblockaden sind eine Nötigung. Wenn in Gorleben nicht nachdrücklich zu Sitzblockaden aufgerufen würde, müssten wir 18000 Polizisten weniger ein setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Rudolf Bindig [SPD]: Kleinkarierter Glos!)

Paulus, einer der beliebtesten Heiligen in der katholischen Kirche, war vorher Saulus. Ich weiß nicht, ob auch er zwischendurch rückfällig geworden ist.

(Rudolf Bindig [SPD]: Es ist zum Aus-dem-Saal-Treiben, wie Sie hier rumreden!)

Zweitens. Herr Bundeskanzler, ich fand, es gab wieder eine unsägliche Rede von der PDS. Die PDS wird von Ihnen, was Information und Einbeziehung ins Parlament angeht, noch immer gleichberechtigt behandelt.

(Rudolf Bindig [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Gerade angesichts dessen, was der Kollege Schulz heute gesagt hat, sollten Sie sich das einmal durch den Kopf gehen lassen. Dabei sollten Sie insbesondere darüber nachdenken, ob es angesichts der Schwierigkeiten in unserer Zeit angemessen ist, dass es gemeinsame Regierungen mit der PDS gibt.

(Heino Wiese [Hannover] [SPD]: Er schafft es einfach nicht, staatstragend zu werden!)

Sie haben bekanntlich über eine französische Zeitung direkt aus Indien ein Machtwort darüber gesprochen, was in Berlin zu geschehen hat. Ein ähnliches Machtwort sollten Sie, diesmal vielleicht über eine deutsche Zeitung, für Mecklenburg-Vorpommern oder in Sachsen-Anhalt sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Gernot Erler [SPD]: Das ist bayerische Weltpolitik?)

Ein weiterer Punkt. Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie sehr herzlich, dass Sie den verbliebenen Widerspruch auflösen; Ihr Verteidigungsminister war dazu entweder nicht in der Lage, konnte oder wollte es nicht. Dieser Widerspruch besteht darin, dass Sie heute - ich habe genau zugehört - einmal von einer konkreten Anfrage der amerikanischen Regierung gesprochen haben, mit der wir es zu tun hätten, also von einer Anfrage und nicht von einer Anforderung.

Sie haben dann später gesagt - Sie können es im Protokoll nachlesen -: Wir sind der Aufforderung nachgekommen. - Ich weiß aber immer noch nicht, ob es eine Anfrage, Aufforderung oder ein Angebot war. Ich stehe natürlich zu dem, was hier gesagt worden ist. Es ist richtig, dass wir unsere Hilfe anbieten müssen, weil wir Mitglied dieser Antiterrorkoalition sind. Aber wenn in einer so schwierigen und ernsten Situation der Bundeskanzler die Fraktionsvorsitzenden des Parlaments einlädt und anschließend die deutsche Öffentlichkeit unterrichtet, dann hat dieses Parlament einen Anspruch auf die Wahrheit und einen Anspruch darauf, genau zu erfahren, wie es gewesen ist. Wir würden die Entscheidung auch mit tragen, wenn es keine konkrete Aufforderung gegeben hätte, Herr Bundeskanzler.

(Heino Wiese [Hannover] [SPD]: Darüber kann man eine halbe Stunde reden!)

Wie es an anderer Stelle aussieht, ist nicht unser Bier und wird auch nicht Maßstab unseres Abstimmungsverhaltens sein. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Rudolf Bindig [SPD]: Sie sollten das Rednerpult verlassen!)

Herr Bundeskanzler, viele sagen, wir seien eine schlechte Opposition, weil wir trotz dieser Schwierigkeiten bereit sind, die Bundesregierung zu stützen. Ich finde, dass die Aufgabe der Opposition selbstverständlich das Kontrollieren und das Offenlegen von Widersprüchen ist. Wir sind aber auch gewählt, das Beste für unser Land zu erreichen. Es ist gut für dieses Land und seine Zukunft und für die Sicherheit seiner Menschen, wenn wir fest an der Seite der Verbündeten stehen. Hier geht es nämlich auch um deutsche Interessen. Es liegt im deutschen Interesse, dass der Terror überall dort, wo er sich zeigt, bekämpft und ausgemerzt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dass man vorher nicht genau sagen kann, wo, wie und wann möglicher weise Spezialtruppen eingesetzt werden - heute sagt man zu solchen Aktionen "hit and run" -, das wissen wir alle. Wir verlangen das auch nicht. Wir wollen nicht, dass solche Aktionen vorher in Ortsvereinen und in Ortsverbänden, auf lokalen Parteitagen und auf Landesparteitagen diskutiert werden, bevor in den Fraktionen des Parlaments darüber beraten wird, ob da oder dort zugegriffen werden kann. Wir haben Vertrauen in das Handeln der militärischen Führung, wir haben Vertrauen in die Amerikaner und wir haben Vertrauen in Sie. Denn Sie haben in dieser Zeit eine gute Figur gemacht.

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Der will auch in die Regierung!)

Deswegen haben Sie es eigentlich nicht nötig, dass Sie gerade diesen gefährlichen Einsatz mit Zweifeln belasten. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie ein paar Worte dazu sagen würden, wie es wirklich gewesen ist.

Wir möchten natürlich auch - das sind wir unseren Soldaten und auch denen, die uns gewählt haben, schuldig -, dass wir nach angemessener Zeit erneut damit befasst werden, damit dem Parlament eine Zwischenbilanz vor gelegt werden kann und damit es über die Erfolgsaussichten diskutieren kann. Ich habe eigentlich wenig Zweifel, dass Sie dann wieder unsere Zustimmung bekommen. Deshalb lautet meine Bitte: Überlegen Sie es sich, ob die Befristung nicht auf ein halbes Jahr begrenzt sein sollte, damit wir uns nach dieser Zeit damit erneut befassen können! Wir selbst können die im Antrag vorgesehene Befristung nicht ändern. Deshalb habe ich diesen Punkt an dieser Stelle angesprochen.

Eine letzte Bemerkung. Herr Bundeskanzler, beziehen Sie diejenigen, die Verantwortung mit übernehmen, stärker ein. Ich glaube, dass diesbezüglich bei uns noch ein entsprechendes Gremium fehlt. Wir brauchen für diese schwierige Zeit - ich befürchte, sie wird nicht leichter - ein Gremium, das auch Verantwortung mit übernimmt. Dazu gehört natürlich, dass vorher vertraulich informiert wird.

Die Zustimmung des Parlaments - sie ist ohne Zweifel vorhanden - ist möglicherweise leichter zu erreichen als eine ständige Zustimmung und der Konsens der Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit, die man in schwierigen Zeiten braucht. Das wird letztlich nicht ohne die CDU/CSU gehen. Deshalb meine Bitte, entsprechende Überlegungen anzustellen. Wenn Sie uns im Interesse unseres Landes brauchen, stehen wir selbstverständlich zur Verfügung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind uns alle in diesem Hause darüber klar, dass wir in schwierigen Zeiten über schwierige Fragen diskutieren. Wir sollten weder die Geschichte verharmlosen, um rascher Zustimmung zu bekommen, noch - und das geht auch an die Adresse der veröffentlichten Meinung - zu sehr Panik und Hektik verbreiten. Wenn ich heute in großen Boulevardzeitungen lesen muss, wie gefährdet wir sind und welch schlimme Anschläge wir möglicherweise zu erwarten haben, wenn wir zustimmen, dann beunruhigt das. Vielleicht könnte der Bundesinnenminister auch dazu ein paar Worte sagen; denn wir wollen keine Verunsicherung, sondern Sicherheit der Bevölkerung und auch Sicherheit für die Zukunft. Bei all diesen Maßnahmen haben Sie uns an Ihrer Seite.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

 

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Quelle: Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 198. Sitzung vom 08.11.2001 (Plenarprotokoll 14/198).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede des Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Michael Glos zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus (08.11.2001), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2001/rede_glos_1108.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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