Rede des Bundesaußenministers Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) zur Europadebatte im Deutschen Bundestag

Vom 18. Oktober 2001


Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen [Bündnis 90/Die Grünen]:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Ratifizierung des Vertrages von Nizza wird ein wichtiger Schritt der Europäischen Union durch das deutsche Parlament vollzogen. Dieser Vertrag hat, wie jeder europäische Vertrag, Kompromisscharakter. Er öffnet aber gleichzeitig die Tür zur Erweiterung der Europäischen Union. Diese Erweiterung wurde auch von den Rednern der Opposition als alternativlos dar gestellt, aus Gründen, die ich hier im Einzelnen nicht wiederholen will. Es sind im wahrsten Sinne des Wortes historische, aber auch zukunftsorientierte Gründe. Europa zusammenzuführen liegt im deutschen Interesse. Deutschland, in der Mitte Europas gelegen, hat ein wirklich vitales Interesse am europäischen Einigungsprozess, das heißt an dem Zusammenfügen der beiden Teile Europas, die durch den Kalten Krieg über fünf Jahrzehnte getrennt waren.

Dennoch sollten wir in dieser Diskussion allmählich auch die Schwierigkeiten benennen, die sich daraus ergeben. Herr Kollege Haussmann, ich teile Ihre Meinung überhaupt nicht, dass es sich bei dem Vertrag von Nizza um einen schlechten Vertrag handelt. Bei aller Kritik, die es im Einzelnen gibt, hat allein die Reaktion der Beitrittsländer klargemacht, dass der Vertrag von Nizza ohne jeden Zweifel die Voraussetzung für die Herstellung der Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Merz, das gilt auch für die Umsetzung der Agenda 2000. Ich kann Sie nur inständig darum bitten, von der Idee - falls Sie sie ernst gemeint haben - Abstand zu nehmen, noch einmal neu über diese Agenda zu verhandeln.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wir werden gar keine andere Wahl haben!)

- Wir werden sehr wohl eine andere Wahl haben. Denn wenn Sie es ernst damit meinen, das Paket der Agenda 2000 jetzt aufmachen zu wollen

(Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Das wird teuer!)

- nicht nur teuer, Herr Bundeskanzler -, frage ich mich nicht nur, wie Sie diesen Sack so füllen wollen, dass unsere Interessen gewahrt bleiben, sondern auch, wie Sie ihn wieder zubekommen wollen. Das ist der entscheidende Punkt. Bei wichtigen und sehr einflussreichen Partnern finden Sie ein großes Interesse daran, Finanzentscheidungen, die wir - damit sind wir gut beraten - erst 2005, also im Vorfeld von 2006, treffen werden, nicht bereits heute auf die Tagesordnung zu setzen.

Wir haben mit wirklich allem Nachdruck dafür gekämpft, dass die Erweiterung nicht mit der Frage der zukünftigen Ausgestaltung der Strukturfonds verknüpft wird. Allein an dieser Frage, Herr Merz, werden Sie festmachen können, dass es überhaupt nicht im deutschen Interesse sein kann, das Paket der Agenda 2000 jetzt wieder aufzumachen. Bei allem Verständnis für Differenzierungsnotwendigkeiten der Opposition: Ich bitte Sie, anzuerkennen, dass gerade in der Finanzierungsfrage - das betrifft gar nicht so sehr die absolute Höhe, sondern die Verteilung der Finanzen - eines der großen Probleme liegt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie bestätigen doch das, was ich sage!)

- Nicht, was die Agenda 2000 betrifft. Wir sind vielmehr gut beraten, den in diesem Zusammenhang bereits gemachten Abschluss in der entsprechenden Größenordnung mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Wenn wir das nicht tun und über die Agenda 2000 wieder neu verhandelt wird, wird eine Büchse der Pandora geöffnet, die nicht nur dem Finanzminister die letzten Haare rauben wird. Ich weiß wirklich nicht, wie wir in diesem Falle zu einer entsprechenden Vereinbarung kommen würden.

Meine Damen und Herren, der 11. September 2001 hat natürlich auch für Europa eine entscheidende Bedeutung. Diese furchtbare Tragödie und die damit verbundene Herausforderung macht aber - darüber möchte ich heute hauptsächlich sprechen - die Schwächen des europäischen Projekts schlaglichtartig klar. In dieser existenziellen Krise, in der es im wahrsten Sinne des Wortes um elementare Herausforderungen geht, in der sich die Menschen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern überall, im Zusammenhang mit den derzeit bestehenden Anthraxgefahren und der Umfunktionierung von zivilen Luftverkehrsmaschinen in fliegende Bomben durch einen mörderischen Terrorismus plötzlich wieder an der Handlungsfähigkeit der Regierungen bzw. der Exekutive orientieren, stellt sich die Frage nach der Handlungsfähigkeit Europas, und zwar im Guten oder im Schlechten, ganz besonders.

Da wir heute eine Debatte über Europa führen, sollten wir insofern eine sorgfältige und, wie ich finde, auch ehrliche Analyse vornehmen, die ein Stück weit, Herr Kollege Haussmann, von den allseits geteilten, sonntagsredlichen Positionen Abschied nehmen muss, weil uns das in der gegenwärtigen Situation zurückwerfen und nicht voranbringen würde. Mit großer Sorge beobachte ich, ob sich Europa, was die Reaktion auf die terroristische Herausforderung an geht, sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik bewährt. Im Hinblick auf die Innenpolitik ist völlig klar: Die Innenminister werden nicht warten können, bis im europäischen Konzert irgendetwas geschieht. Wirksame Maßnahmen müssen vielmehr möglichst zeitnah getroffen werden. Das heißt, entweder wird Europa die Kraft haben, diese Beschlüsse zu fassen, oder es wird, objektiv bedingt, in der gegenwärtigen Krisensituation die nationale Ebene handeln müssen. Die Konsequenz daraus wäre, ohne dass man es will, ohne dass man es politisch beabsichtigt, faktisch zumindest ein Stillstand im Bereich der dritten Säule, im Bereich dessen, was in Tampere verabschiedet wurde.

Aber dasselbe gilt natürlich auch für die Außen- und Sicherheitspolitik; der Bundeskanzler hat es zu Recht angesprochen. Die Frage ist: Ist Europa so weit oder gibt es eine Möglichkeit, Europa hier sichtbarer zu positionieren? Gott sei Dank gibt es auf diesem Feld eine enge Koordination und Kooperation. Der Bundeskanzler hatte verlangt, dass schon in der ersten Woche nach den Anschlägen ein Sonderrat stattfinden sollte, bevor die Vertreter der einzelnen Staaten nach Washington reisten. Der Sonderrat auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs hat dann stattgefunden. Es hat eine beeindruckende Erklärung gegeben. Es gibt eine gemeinsame Positionierung aller europäischen Mitgliedstaaten, ob sie nun der NATO angehören oder nicht der NATO angehören. Hier hat die Europäische Union an einer wichtigen, an einer historischen Weichenstellung meines Erachtens entsprechend reagiert.

Wir würden uns wünschen, dass es in dieser Richtung weitergeht, dass zum Beispiel auch in der Frage der Nach-Taliban-Lösung für Afghanistan die Europäische Union - und eben nicht nur die Mitgliedstaaten - eine sichtbare Rolle spielt. Das ist von über ragender Bedeutung. Die Europäische Union hat Stärken im humanitären Bereich und im Bereich des wirtschaftlichen Aufbaus. Die Europäische Union hat aber mittlerweile auch Stärken in der Konfliktmoderation. Das ist ebenfalls ein wesentlicher Gesichtspunkt. Javier Solana hat einer gemeinsamen, koordinierten europäischen Sicherheits- und Außenpolitik Gesicht gegeben.

Selbstverständlich werden wir im Zusammenhang mit der GASP und im Zusammenhang mit der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik die Dinge voranbringen müssen, die bereits vereinbart sind und die Sicherheitspolitik, die sicherheitspolitischen Strukturen entsprechend bestimmen. Die Bundesregierung wird hier immer eine sozusagen parallele Politik verfolgen, nämlich einerseits unseren nationalen Beitrag einbringen - in der Frage der politischen Lösung, in der Frage der militärischen Solidarität, in der Frage der humanitären Initiativen - und andererseits nicht müde werden, auch die europäische Sichtbarkeit zu stärken und ein Mehr an gemeinsamer europäischer Außen- und Sicherheitspolitik zu erreichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, im Nahen Osten stehen wir bedauerlicherweise wieder vor einer sehr, sehr ernsten Situation. Dennoch kann man gerade an dieser Region klar machen, wie sich die gemeinsame Außenpolitik in der Europäischen Union entwickelt hat. Javier Solana - ich erwähne ihn hier zum zweiten Mal - wurde in die Mitchell-Kommission entsandt. Er hat durch seine Arbeit dort, aber auch durch seine Tätigkeit hinterher klargemacht, dass die Europäer im Nahost-Friedensprozess nicht nur eine Randrolle spielen, wenn es um die ökonomischen Fragen, wenn es um das Bezahlen geht, sondern dass Europa dort in der Tat politische Interessen hat und dass Europa - nicht als Alternative zu den USA, sondern in Kooperation mit und in Ergänzung zu den Vereinigten Staaten von Amerika - eine ganz entscheidende Rolle spielen kann.

Genau an dieser Stelle haben auch wir unsere nationalen Beiträge anzusiedeln. Das wollen wir auch in Zukunft so machen. Wir sehen all das, was wir tun, nicht als Alternative, nicht als ein Stück Renationalisierung deutscher Außenpolitik, sondern als einen deutschen Beitrag zu europäischer Politik. Wir wünschen uns hier auch eine stärkere institutionelle Ausformung der europäischen gemeinsamen Außenpolitik für die Zukunft, wobei das alles andere als einfach werden wird.

Es gibt wichtige Partner, die dazu eine distanziertere und völlig andere Haltung haben. Aber, meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung: Wenn die Europäer getrennt bleiben, werden selbst die größten Mitgliedstaaten - von den mittleren und kleineren spreche ich dann gar nicht - in der Welt des 21. Jahrhunderts nicht Gestaltungsfaktor sein, sondern wir werden uns dann lediglich an Positionen anschließen dürfen, die andere formulieren. Das kann weder in unserem noch im europäischen Interesse sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS])

Deswegen wird es ganz entscheidend darauf ankommen, dass wir in diesem Bereich vorankommen, auch wenn wir über längere Zeit noch eine parallele Entwicklung brauchen und verfolgen werden.

Ich sehe, dass die Herausforderungen, die auf Europa zukommen, in der Tat zunehmen. Der Nahe Osten ist erwähnt worden. Aber auch der Balkan ist eine Region, um die sich Europa kümmern muss. Herr Kollege Merz, ich halte nichts davon, Europa mit Aufgaben zu überfrachten, indem man die Gebiete nennt, wo es noch tätig werden könnte. Hier werden Sie sehr schnell auf eine lange Liste kommen. Wir müssen vielmehr von dem Punkt ausgehen, wo Europa heute tätig ist, und dann überlegen, was die nächsten machbaren Schritte sind. Das ist der entscheidende Punkt.

(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Neue Prioritäten!)

- Wenn wir uns darin einig sind, dann ist es gut. Manchmal trägt eine Diskussion zur Klärung der Standpunkte und zur Beseitigung von Missverständnissen bei. Auch der südliche Kaukasus beispielsweise ist uns regional sehr nah.

Aber ich möchte noch hinzufügen - das frage ich diejenigen, die die Balkanintervention nicht nur kritisch begleitet, sondern mit teilweise fragwürdigen Argumenten abgelehnt haben -: Wo stünden wir heute, wenn Herr Milosevic weiterhin in Belgrad an der Macht wäre?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wo stünden wir heute angesichts von Hunderttausenden vertriebenen albanischen Muslimen in Lagern außerhalb des Kosovo? Wo stünden wir heute, wenn diese Krise nach Zentraleuropa getragen worden wäre?

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da hat er die Parteitagsrede umschreiben müssen!)

- Das hat überhaupt nichts mit einer Parteitagsrede zu tun, sondern ist eine Überlegung zur Formulierung europäischer Interessen. Wenn es einen zwingenden Grund zur Intervention gegeben hat, dann war es neben den humanitären Gründen der Gedanke, dass sich der Balkan nicht zu einem Teil dieses Krisengürtels entwickeln durfte. Ansonsten hätten wir diese Krise in Europa vor unserer Haustür gehabt. Das muss doch heute jeder, der Augen für die politische Lage hat, schlicht und einfach anerkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Deswegen ist es so wichtig, dass die Europäer und die Bundesrepublik Deutschland als Teil Europas ihr Engagement auf dem Balkan fortführen. Das muss langfristig und dauerhaft geschehen. Ich hoffe, dass die militärische Komponente mit dem Fortgang der politischen Stabilisierung und der ökonomischen Entwicklung mehr und mehr zugunsten des politischen und ökonomischen Engagements abnehmen wird. Davon können Sie ausgehen. Dennoch muss dieses Engagement langfristig sein.

Diese Region zu europäisieren, das heißt an das Europa der Integration heranzuführen, entspricht genau dem, was der Bundeskanzler mit der Qualifizierung der europäischen Integration als größtes friedenspolitisches Projekt in seiner Regierungserklärung festgestellt hat. Das gilt sowohl für die Vergangenheit als auch für die aktive Heranführung der westlichen Balkanregion an das Europa der Integration für die Gegenwart und die Zukunft.

Selbstverständlich wird Europa auch bei einer Lösung des Problems für das Land und die Bevölkerung Afghanistans eine Rolle spielen müssen. Auch hier gibt es gegenwärtig zwar in der öffentlichen Debatte eine Verengung auf das Militärische - die ich verstehe -, aber ist der Kern eigentlich politisch. Das Problem wurde durch die Invasion der Sowjetunion, aber letztendlich durch das Sich-selbst-Überlassen nach dem Ende des Kalten Krieges ausgelöst. Es ist doch zuerst und vor allem die afghanische Bevölkerung, die zunächst über zehn Jahre unter der Invasion der Sowjetunion, der Roten Armee, zu leiden hatte.

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Keine Differenzen, Herr Außenminister!)

- Dass Sie neuerdings bei diesem Thema keine Differenz haben, freut mich. Ich kann mich an andere Zeiten erinnern.

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Schon länger ist das so!)

Nach der Invasion war das Land durch die Kriegsherren zerrissen - etwas, das wir bei einer politischen Lösung verhindern müssen - und am Ende stand der Siegeszug der Taliban. All das hat dazu geführt, dass wir seit langem eine anhaltende humanitäre Katastrophe in diesem Land haben. Das wissen diejenigen, die sich damit beschäftigen, sehr gut. Aber die breite Öffentlichkeit hat dies bisher nicht wahrgenommen.

Übrigens gilt dies auch für andere humanitäre Katastrophen auf diesem Globus. Ich nenne als Beispiel Algerien und andere Staaten Afrikas. So lange ein Konflikt lokal bleibt, wird er von der breiten Öffentlichkeit - Stichwort: CNN-Effekt - nicht wahrgenommen. Deswegen weise ich auf diesen Punkt hin. Die politische Lösung muss von innen kommen.

(Dr. Helmut Haussmann [FDP]: Richtig!)

Es wird keine tragbare Lösung in Afghanistan geben, wenn sie von außen aufgestülpt wird. Insofern ist sich die internationale Staatengemeinschaft einig, dass alle Möglichkeiten zur Schaffung einer neuen Legitimität geprüft werden sollen, etwa durch den Rückgriff auf den König, der bereit wäre, eine Übergangsrolle zu spielen.

Es ist eine Option, die, wie andere Optionen auch, sorgfältig zu prüfen ist. Die Erneuerung muss von innen kommen, es muss eine neue Legitimität durch eine große Stammesversammlung geschaffen werden, sobald die Voraussetzungen dazu gegeben sind. Am Ende muss eine legitime Regierung stehen, die dem Land und den Menschen eine humanitäre Perspektive gibt und gleichzeitig dem Terrorismus keine weitere Unterstützung mehr angedeihen lässt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Von dieser Grundlage muss ausgegangen werden.

Das Ganze wird allerdings nur funktionieren, wenn es in die Zustimmung der regionalen Nachbarn eingebettet ist, die Zustimmung der internationalen Staatengemeinschaft findet und

(Zuruf von der PDS: Bombardierung!)

- Sie müssen mir einmal sagen, wie Sie die Taliban, die für diese lang anhaltende humanitäre Katastrophe und die Unterstützung des Terrorismus verantwortlich sind, wegbekommen wollen, ohne ihnen wirklich entgegenzutreten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Es ist doch nicht so, dass sich irgendjemand - etwa die Regierung der Vereinigten Staaten - in den vergangenen Jahren nach einer militärischen Konfrontation gedrängt hätte. Nicht die USA haben die Taliban angegriffen, sondern es wurde New York City angegriffen und über 6000 amerikanische Staatsbürger haben durch diesen Terroranschlag ihr Leben verloren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Nicht die Amerikaner, sondern andere haben den Konflikt begonnen.

Wenn Sie die Argumente ernst nehmen - Sie müssen sie nicht teilen -, müssen Sie eines akzeptieren: Keiner von uns - angefangen von Präsident Bush über den Bundeskanzler bis hin zu den Kollegen hier, die diese Politik unterstützen - hat sich nach diesem Konflikt gedrängt. Insofern müssen Sie schon die Frage beantworten, wie Sie - dies ist mehr als Innenpolitik - anders als durch gutes Zureden die Dinge so verändern wollen, dass diese über zehn Jahre dauernde humanitäre Katastrophe und die Unterstützung des Terrorismus endlich beendet werden können. An diesem Maßstab müssen wir uns messen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen: All das wird nur funktionieren, wenn die Vereinten Nationen dabei eine wichtige - ich behaupte sogar: eine zentrale - unterstützende Funktion haben werden. Auch hieran sehen Sie, dass diese Tragödie Chancen eröffnet, und zwar Chancen für Europa, aber auch für eine neue multilaterale Politik durch das Reengagement der USA. Chancen bestehen vor allen Dingen auch für die Vereinten Nationen. Ich behaupte, dass im Zuge dieser Entwicklung auch die Reformdebatte der Vereinten Nationen eine neue Chance bekommen wird, diesmal zu einer substanziellen Reformdebatte zu werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, vor diesen Herausforderungen stehen wir als Deutsche in Europa, weil Europa vor diesen Herausforderungen steht. Wenn es gelingt, in Laeken die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die notwendigen institutionellen Fortschritte erzielen zu können, um Europa in der Welt des 21. Jahrhunderts handlungsfähiger zu machen, liegt das in unser aller Interesse.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

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Quelle: Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 195. Sitzung vom 18. Oktober 2001 (Plenarprotokoll 14/195).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede des Bundesaußenministers Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) zur Europadebatte im Deutschen Bundestag (18.10.2001), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2001/rede_fischer_1018.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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