Gesetz über die Straffreiheit für das Saarland.

Vom 28. Februar 1935.


  Aus Anlaß der Rückkehr des Saargebietes in das deutsche Mutterland hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1

  Für Straftaten, die im Saarland von Bewohnern des Saarlandes begangen sind, wird über die von der Reichsregierung bereits vor der Rückgliederung gegebenen Zusagen hinaus Straffreiheit nach folgenden Bestimmungen gewährt.

§ 2

  (1) Freiheitsstrafen, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig erkannt und noch nicht verbüßt sind und die ein Jahr Gefängnis oder ein Jahr Festungshaft, allein oder neben Geldstrafe, nicht übersteigen, werden erlassen, wenn der Täter bei der Begehung der Tat unbestraft oder nur mit Geldstrafen und mit Freiheitsstrafen von insgesamt höchstens sechs Monaten vorbestraft war.
  (2) Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten, allein oder nebeneinander, werden ohne Rücksicht auf frühere Strafen des Täters erlassen.
  (3) Ist wegen mehrerer selbständiger Handlungen auf ein Gesamtstrafe erkannt, so tritt der Straferlaß ein, wenn die Gesamtstrafe die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Grenzen nicht übersteigt.

§ 3

  (1) Anhängige Verfahren wegen strafbarer Handlungen, die vor dem 1. März 1935 begangen sind, werden eingestellt, wenn keine höhere Strafe oder Gesamtstrafe als Gefängnis bis zu einem Jahr oder Festungshaft bis zu einem Jahr, allein oder neben Geldstrafe, zu erwarten ist, sofern der Täter bei der Begehung der Tat unbestraft oder nur mit Geldstrafen und mit Freiheitsstrafen von insgesamt höchstens sechs Monaten vorbestraft war.
  (2) Ist keine höhere Strafe oder Gesamtstrafe als Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, allein oder nebeneinander, zu erwarten, so wird das Verfahren ohne Rücksicht auf frühere Strafen des Täters eingestellt.
  (3) Neue Verfahren werden in den Fällen der Absätze 1 und 2 nicht eingeleitet.

§ 4

  Vorstrafen, deren Vermerke im Strafregister getilgt oder zu tilgen sind, bleiben für die Anwendung der §§ 2 und 3 außer Betracht.

§ 5

  Der Straferlaß umfaßt Nebenstrafen, Sicherungsmaßnahmen und gesetzliche Nebenfolgen, soweit sie noch nicht vollzogen sind, rückständige Geldbußen, die in die Staatskasse fließen, und rückständige Kosten; das gilt auch, wenn die Strafe beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits verbüßt war.

§ 6

  (1) Als im Saarland begangen gelten Taten, deren Begehungsort ausschließlich im Saarland liegt.
  (2) Den im Saarland begangenen Taten stehen solche Devisenzuwiderhandlungen gleich, die im Verkehr zwischen dem Saarland und dem übrigen Reichsgebiet begangen worden sind.

§ 7

  Gerichtliche Entscheidungen über den Eintritt oder den Umfang des Straferlasses ergehen nach § 458 der Reichsstrafprozeßordnung (§ 490 der im Saarland geltenden Strafprozeßordnung).

§ 8

  (1) Über die Einstellung anhängiger Verfahren entscheidet auf Antrag der Beteiligten das Gericht. Gegen den Beschluß des Gerichts findet sofortige Beschwerde statt.
  (2) War das Verfahren auf Privatklage eingeleitet, so werden die Kosten des Verfahrens niedergeschlagen. Die dem Privatkläger und dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen kann das Gericht angemessen verteilen oder einem von ihnen ganz auferlegen; das gilt nicht für den Nebenkläger.

§ 9

  Der Reichsminister der Justiz erläßt die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.

§ 10

  Das Gesetz tritt mit der Verkündung in Kraft.


  Berlin, den 28. Februar 1935.

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner

Der Reichsminister des Innern
Frick

 

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Quelle: Reichsgesetzblatt 1935 I, S. 309-310.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Gesetz über die Straffreiheit für das Saarland (28.02.1935), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/ns/1935/saarland_straffrh_ges.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.02.2004
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