Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums.

Vom 4. Mai 1933.


  Auf Grund des § 17 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 175) wird zur Durchführung des § 15 dieses Gesetzes verordnet, was folgt:

§ 1

  (1) Als Angestellte oder Arbeiter (Dienstverpflichtete) im Sinne des Gesetzes gelten die vom Reich, von den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden, von Körperschaften des öffentlichen Rechtes sowie diesen gleichgestellten Einrichtungen und Unternehmungen (Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931 - Reichsgesetzbl. I S. 537 -, Dritter Teil Kapitel V Abschnitt I § 15 Abs. 1) durch privatrechtlichen Dienstvertrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichteten und verpflichtet gewesenen Personen, im letzteren Falle nur hinsichtlich der Bezüge, die sie oder ihre Hinterbliebenen im Hinblick auf das frühere Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis erhalten.
  (2) Die Reichsbank und die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft werden ermächtigt, entsprechende Anordnungen zu treffen.

§ 2

  (1) Verträge der im § 1 bezeichneten Art, die nach dem 8. November 1918 geschlossen worden sind, obwohl die Dienstverpflichteten die vorgeschriebene oder übliche Vorbildung oder sonstige Eignung nicht besessen haben, sind durch einseitige Erklärung des Dienstberechtigten unverzüglich fristlos zu lösen. Bis zur Dauer von drei Monaten nach Ablauf des Monats, in dem die Lösung erfolgt, werden dem Dienstverpflichteten seine bisherigen Bezüge belassen, aber keinesfalls über den Zeitpunkt hinaus, bis zu dem die Bezüge zu zahlen gewesen wären, wenn eine Kündigung des Vertrages nach den bisher geltenden Vorschriften erfolgt wäre.
  (2) Nach Ablauf der im Abs. 1 bezeichneten Frist sind alle Ansprüche des Dienstverpflichteten aus dem gekündigten Vertrag einschließlich etwaiger Ansprüche auf Versorgungsbezüge erloschen.
  (3) Im Falle der Bedürftigkeit kann dem ehemaligen Dienstverpflichteten, besonders wenn er für mittellose Angehörige sorgt, eine jederzeit widerrufliche laufende Unterstützung bis zu zwei Fünfteln der Bezüge bewilligt werden, die ihm im Falle der Kündigung des Vertrages nach den bisher geltenden Vorschriften vom Ablauf der Kündigungsfrist an zugestanden hätte. Falls nach den bisher geltenden Vorschriften eine Kündigung ausgeschlossen war, kann die Unterstützung bis zu zwei Fünftel der Versorgungsbezüge betragen, die im Falle der Berufsunfähigkeit gewährt worden wären. Aufwandsentschädigung darf bei der Bemessung der Unterstützung nicht berücksichtigt werden; auch darf die Unterstützung keinesfalls höher sein als die Hälfte des in § 26 Abs. 2 Satz 1 des Reichsbeamtengesetzes vorgeschriebenen Höchstbetrages des Wartegeldes eines Beamten.

§ 3

  (1) Verträge der im § 1 bezeichneten Art, die mit Personen nicht arischer Abstammung als Dienstverpflichteten geschlossen sind, sind mit einer Frist von einem Monat zum Monatsschluß zu kündigen. In diesem Falle werden dem Dienstverpflichteten auf die Dauer von drei Monaten seine bisherigen Bezüge belassen. Nach Ablauf dieser Frist sind drei Viertel der dem Gekündigten zustehenden klagbaren Bezüge unter Ausschluß einer etwaigen Aufwandsentschädigung zu zahlen, aber nicht mehr als der in § 26 Abs. 2 Satz 1 des Reichsbeamtengesetzes vorgesehene Höchstbetrag des Wartegeldes eines Reichsbeamten. Über den Zeitpunkt hinaus, bis zu dem die Bezüge zu zahlen gewesen wären, wenn die Kündigung nach den bisher geltenden Vorschriften und unter Beachtung des § 5 Abs. 6 erfolgt wäre, werden Zahlungen nach Satz 2 und 3 nicht geleistet; § 2 Abs. 2 gilt entsprechend. Übergangsgelder und Abfindungen werden bis zur Erreichung ihres Betrags nach Maßgabe der Sätze 2 und 3 gewährt. Auf die Bezüge gemäß Satz 3 bis 5 wird ein Arbeitseinkommen aus Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsverträgen angerechnet. Der Empfänger ist verpflichtet, derartiges Einkommen der zuständigen Stelle anzugeben; bei Verfehlungen gegen die Pflicht können die ihm zustehenden Bezüge gemindert oder entzogen werden.
  (2) Abs. 1 gilt nicht für Dienstverpflichtete, die im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft hat, oder deren Väter oder Söhne im Weltkrieg gefallen sind. Bei wirtschaftlichen Unternehmen (Betrieben), die nach Abs. 1 zur Kündigung verpflichtet sind, können, wenn zwingende Gründe vorliegen, weitere Ausnahmen zugelassen werden. Die Ausnahmebewilligung bedarf bei Unternehmen (Betrieben), an denen das Reich beteiligt ist, der Zustimmung des Reichsministers des Innern und es zuständigen Fachministers, im übrigen der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden.

§ 4

  Dienstverpflichtete, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können durch einseitige Erklärung des Dienstberechtigten fristlos gekündigt werden. In diesem Falle findet der § 3 Abs. 1 Satz 2 bis 7 - unbeschadet des Artikels II des Gesetzes über Betriebsvertretungen und über wirtschaftliche Vereinigungen vom 4. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 161) - sinngemäße Anwendung.

§ 5

  (1) Die Kündigung gemäß §§ 2 bis 4 ist durch den Dienstberechtigten und, wenn eine Verpflichtung zu Dienstleistungen nicht mehr besteht, durch den zur Leistung von Versorgungsbezügen Verpflichteten auszusprechen; sie muß dem Empfänger spätestens am 30. September 1933 zugestellt werden.
  (2) Soweit es zur Durchführung der Bestimmungen dieser Verordnung erforderlich ist, kann von den Verfassungen des Reichs und der Länder abgewichen werden.
  (3) Übermäßig hohe Abfindungen, Übergangsgelder und Versorgungsbezüge können auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt und zeitlich beschränkt werden.
  (4) Versicherungsbeträge, die zugunsten von Dienstverpflichteten der in den §§ 1 bis 4 und § 6 bezeichneten Art abgeschlossen sind, können durch einseitige Erklärung des Dienstverpflichteten gegenüber dem Versicherer im prämienfreie umgewandelt werden.
  (5) Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Entlassung oder Kündigung und über die zu gewährenden Bezüge entscheiden unter Ausschluß der Nachprüfung durch Gerichte die obersten Reichs- oder Landesbehörden, die diese Befugnis auf andere Stellen übertragen können. Bereits ergangene Urteile oder abgeschlossene Vergleiche stehen, soweit sie noch nicht erfüllt sind, der Durchführung dieser Verordnung nicht entgegen. Dies gilt auch für Dienstverpflichtete der Reichsbank und der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, soweit diese beiden von der Befugnis des § 1 Abs. 1 Gebrauch macht haben.
  (6) Die die Kündigung von langjährig beschäftigten Dienstverpflichteten, von Mitgliedern von Betriebsvertretungen und von Schwerbeschädigten erschwerenden gesetzlichen Vorschriften und vertraglichen Bestimmungen finden auf Kündigungen gemäß §§ 2 bis 4 keine Anwendung.
  (7) Entlassungen und Kündigungen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ausgesprochen worden sind, behalten ihre Rechtswirksamkeit. Für sie gelten die Bestimmungen der §§ 2 bis 4 entsprechend, wenn die Entlassung oder Kündigung auf einen der in §§ 2 bis 4 bezeichneten Gründe hätte gestützt werden können.

§ 6

  (1) Zur Vereinfachung der Verwaltung oder Betriebsführung kann Dienstverpflichteten auch dann gekündigt werden, wenn die Kündigung vertragsmäßig dauernd oder für mehr als ein Jahr ausgeschlossen oder an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft war. Die Stelle darf nicht mehr besetzt werden.
  (2) Die Kündigung nach Abs. 1 wird nach Ablauf der Frist wirksam, die nach den bisher geltenden Vorschriften einzuhalten war oder gewesen wäre, wenn die Kündigung nicht ausgeschlossen oder zeitlich bedingt gewesen wäre.
  (3) § 5 findet entsprechende Anwendung.

§ 7

  Eine Nachversicherung der im § 1 bezeichneten Dienstverpflichteten nach Maßgabe der reichsgesetzlichen Sozialversicherung findet nicht statt, wenn laufende Versorgungsbezüge oder Unterstützungen gewährt werden.

§ 8

  Die nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 zu zahlenden Bezüge werden in entsprechender Anwendung der §§ 8 bis 11 und § 13 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums festgesetzt.

§ 9

  Die Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 195) findet auch bei der Durchführung dieser Verordnung Anwendung.


  Berlin, den 4. Mai 1933.

Der Reichsminister des Innern
Frick

Der Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk

 

Dieses Dokument ist Bestandteil von
Zur documentArchiv.de-Hauptseite

Weitere Dokumente finden Sie in den Rubriken


19. Jahrhundert

Deutsches Kaiserreich

Weimarer Republik

Nationalsozialismus

Bundesrepublik Deutschland

Deutsche Demokratische Republik

International

 

Quelle: Reichsgesetzblatt 1933 I, S. 233-235.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (04.05.1933), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/ns/1933/berufsbeamtentum_vo02.html, Stand: aktuelles Datum.


Diese Dokumente könnten Sie auch interessieren:
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (07.04.1933)
Gesetz über das Kündigungsrecht der durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums betroffenen Personen (07.04.1933)
Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (11.04.1933)
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 23. Juni 1933 (23.06.1933)
Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1933 (30.06.1933)
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 in der Fassung der Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (07.07.1933)
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in der Fassung der Gesetze zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 23. Juni 1933 und 20. Juli 1933 (20.07.1933)
Richtlinien zu § 1 a Abs. 3 des Reichsbeamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1933 [Definition Arier bzw. Nichtarier] (08.08.1933)
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in der Fassung der Gesetze zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 23. Juni 1933, 20. Juli 1933 und 22. September 1933 (22.09.1933)
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 in der Fassung der Verordnungen zur Änderung und Ergänzung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. Juli 1933 und 28. September 1933 (28.09.1933)
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 in der Fassung der Verordnungen zur Änderung und Ergänzung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. Juli 1933, 28. September 1933 und 7. Mai 1934 (07.05.1934)
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 in der Fassung der Verordnungen zur Änderung und Ergänzung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. Juli 1933, 28. September 1933, 7. Mai 1934 und 5. Juni 1934 (05.06.1934)
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 in der Fassung der Verordnungen zur Änderung und Ergänzung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. Juli 1933, 28. September 1933, 7. Mai 1934, 5. Juni 1934 und 3. Januar 1935 (03.01.1935)
Sechste Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (03.08.1935)
"Nürnberger Gesetze"
- Reichsbürgergesetz (15.09.1935)
- Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (15.09.1935)
Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 in der Fassung der Verordnungen zur Änderung und Ergänzung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. Juli 1933, 28. September 1933, 7. Mai 1934, 5. Juni 1934, 3. Januar 1935, 3. August 1935 und 30. Juni 1938 (30.06.1938)

weitere (anti)jüdische Rechtsverordnungen


Dieses Dokument drucken!
Dieses Dokument weiterempfehlen!
Zur Übersicht »Nationalsozialismus (Drittes Reich)« zurück!
Die Navigationsleiste von documentArchiv.de laden!


Letzte Änderung: 03.02.2004
Copyright © 2002-2004 documentArchiv.de