| Rede des FDP-Obmanns im Innenausschuss Dr. Max Stadler zu dem von
            der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des
            internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 14. Dezember 2001
 
 
 Dr. Max Stadler (FDP):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel haben die Ereignisse vom 11.
            September uns allen die besondere Verantwortung auferlegt, geeignete und rechtsstaatliche
            Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen. Die FDP hat sich an dieser
            Aufgabe von Anfang an konstruktiv beteiligt.
 
 Wir wissen uns mit vielen Praktikern einig, dass der wirkungsvollste Beitrag zur Erhöhung
            der inneren Sicherheit die bessere finanzielle, personelle und technische Ausstattung der
            Sicherheitsbehörden ist.
 
 (Beifall bei der FDP - Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Wohl wahr!)
 
 Die gesetzlichen Grundlagen für eine effektive Arbeit von Polizei, Geheimdiensten und
            Justiz sind allerdings längst gelegt worden, insbesondere durch eine ausgiebige
            Gesetzgebungstätigkeit der Koalition von FDP und CDU/CSU in den 90er-Jahren.
 
 (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU])
 
 Gleichwohl hat die FDP notwendige gesetzgeberische Neuerungen wie etwa das so genannte
            Sicherheitspaket Schily I ebenfalls unterstützt. Ich sage ausdrücklich: Wir
            respektieren, dass der Bundesinnenminister und die Innenpolitiker von SPD und Grünen
            heute einen Versuch vorlegen, in rechtsstaatlicher Weise weitere Verbesserungen zur
            inneren Sicherheit zu beschließen.
 
 (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Haben Sie "Versuch" gesagt? Wir machen ein Gesetz!)
 
 Es bleibt dabei, dass der erste Entwurf, der von den Fraktionen von SPD und Grünen
            eingebracht worden ist und der sehr wohl auch die Unterschrift von Rezzo Schlauch und
            Kerstin Müller trägt, viel zu weit in Richtung "Big Brother" geht.
 
 (Beifall bei der FDP)
 
 Die Fachabteilungen des Bundesinnenministeriums haben die Zettelkisten aus den Schubladen
            geholt und geleert. Herausgekommen ist ein Gesetzentwurf, der wie keiner zuvor in der
            Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger
            eingreift. Es ist, wie Herr Wiefelspütz zu
            Recht sagte, ein epochales, ein einmaliges Gesetzeswerk. Gerade deswegen wäre eine
            besonders sorgfältige parlamentarische Beratung notwendig gewesen.
 
 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
 
 Das Gegenteil haben Sie gemacht. Sie reden an der Sache vorbei, wenn Sie meinen, wir
            würden die Intensität und das Tempo Ihrer Beratungen in der Koalition kritisieren. Das
            ist nicht der Punkt. Wir kritisieren, dass Sie mit dem von Ihnen gewählten Verfahren die
            Mitwirkungsmöglichkeiten der Opposition praktisch übergangen haben. Das ist zu
            kritisieren.
 
 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
 
 Ich erinnere Sie an das Hauptwerk des Rechtsphilosophen Niklas Luhmann. Es heißt
            "Legitimation durch Verfahren". Die These von Niklas Luhmann ist wie folgt zu
            beschreiben: Der Inhalt einer Entscheidung ist für die Akzeptanz einer Entscheidung nicht
            alleine maßgeblich,
 
 (Beifall bei der FDP)
 
 sondern es kommt auch darauf an, wie eine Entscheidung zustande kommt. Ich sage für die
            FDP-Fraktion: So wie Sie die Mitwirkungsrechte der Opposition übergangen haben, verliert
            das Gesetzeswerk durch das von Ihnen gewählte Verfahren in Umkehrung des Satzes von
            Luhmann seine Legitimation.
 
 (Beifall bei der FDP)
 
 Wenn Sie am Dienstagabend Änderungsanträge im Umfang von 30 Seiten vorlegen, machen Sie
            es der Opposition unmöglich, sich bis zur Beratung am Mittwoch Vormittag um 9.15 Uhr mit
            externen und internen Experten über das zu beraten, was Sie in letzter Sekunde vorlegen.
            Für dieses unangemessene Tempo gibt es nur eine einzige Erklärung: Sie wollten die
            innerhalb der Koalition mühsam erzielte Einigung nicht durch eine gehaltvolle Kritik der
            Opposition, auf die Minister Schily mit seinem Entwurf
            Anspruch gehabt hätte, gefährden.
 
 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
 
 Die rot-grüne Koalition möchte mit der raschen Verabschiedung dieses Gesetzes
            Handlungsfähigkeit und Stärke demonstrieren. Betrachtet man das Verfahren, hat man den
            Eindruck: Es gibt in Wahrheit einen Beweis der inneren Schwäche und Zerrissenheit der
            Koalition.
 
 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das
            möchte ich ein bisschen erklärt haben! - Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist der Neid!)
 
 Zu Recht hat Herr Beck erwähnt, dass ein Teil der
            Kritikpunkte, die wir von der FDP formuliert hatten, in die Beratungen der Koalition
            eingeflossen ist. Ich möchte jetzt nicht mit kleiner Münze heimzahlen, wenn Herr Beck sagt, die Kritikpunkte der FDP seien ihm unbekannt
            gewesen. Ich war bei Ihren Verhandlungen nicht dabei, habe allerdings gehört, unsere
            Kritikpunkte hätten sehr wohl eine Rolle gespielt.
 
 (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was? Ein Lauschangriff? Woher wissen Sie das? Das ist ja
            unglaublich!)
 
 Entscheidend ist aber, was Sie jetzt vorlegen. Für uns bleiben inhaltliche Punkte zu
            kritisieren, die ich wegen der Kürze der Zeit nur stichwortartig nennen kann:
 
 Erstens. Die Geheimdienste erhalten Zugriff auf Kundendaten von Banken,
            Telekommunikationsunternehmen, Post- und Luftfahrtunternehmen, und zwar ohne dass dieser
            Zugriff auf Verdächtige begrenzt wäre. Das ist ein wichtiger Kritikpunkt.
 
 Zweitens. Wir hätten uns bei diesen Eingriffen eine vorrangige richterliche Kontrolle
            gewünscht.
 
 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
 
 Drittens. Bei der Benachrichtigung Betroffener stellt sich dasselbe Problem wie beim
            G-10-Gesetz. In manchen Fällen - ich gebe zu, es handelt sich um Ausnahmen - wird ein von
            einer geheimdienstlichen Überwachungsmaßnahme Betroffener überhaupt nicht informiert.
            Damit entfällt natürlich auch die Möglichkeit, nachträglich Rechtsschutz durch ein
            unabhängiges Gericht zu erlangen. Diese Tatsache kritisieren wir ausdrücklich.
 
 (Beifall bei der FDP)
 
 Viertens. Die für die Polizei im Zusammenhang mit der Informationsgewinnung geltenden
            Vorschriften der StPO können nunmehr umgangen werden.
 
 Fünftens. Der Bundesnachrichtendienst erhält immer mehr Befugnisse im Inland, obwohl
            seine Aufgabe die Auslandsaufklärung ist.
 
 Sechstens. Dass Personen, die Ausländer nach Deutschland einladen, in bestimmten Fällen
            selber von den Geheimdiensten überprüft werden, hätten wir uns in der alten Koalition
            wirklich nicht vorstellen können.
 
 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dieter Wiefelspütz [SPD]: Warum
            denn nicht, Herr Stadler, wenn die Sicherheit in Gefahr ist?)
 
 Letzter Punkt: Sie legen so großen Wert darauf, durchgesetzt zu haben, dass bei der
            Aufnahme von Fingerabdrücken in Ausweispapiere keine Vergleichsdatei errichtet wird. Ihre
            Formulierung lautet: Es wird keine bundesweite Datei eingerichtet. - Wenn Sie aber 15
            Länderdateien zulassen und diese vernetzt werden, haben Sie die Referenzdatei, die wir
            aus Datenschutzgründen ablehnen.
 
 (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen
            Sie mal die Begründung! - Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist nicht erlaubt!)
 
 Ich komme zum Schluss: Es bleiben - trotz vieler Verbesserungen - inhaltliche
            Kritikpunkte. Das Verfahren war unzumutbar. Es liegt auf der Hand, dass wir nicht
            zustimmen können.
 
 (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Aber die FDP in den Ländern stimmt zu!)
 
 Herr Beck, Sie haben mich insoweit gereizt,
            dass ich angesichts dessen, was die Grünen früher vertreten haben, das berühmte Bonmot
            von Honoré de Balzac zitiere: Erinnerung macht das Leben schön, aber nur das Vergessen
            macht es erträglich.
 
 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS - Jörg Tauss [SPD]:
            Ich lese Ihnen mal vor, was der Herr Flach so gesagt hat!)
 
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