Aufruf des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm III. "An
Mein Volk!".
Vom 17. März 1813.
An Mein Volk!
So wenig für Mein treues Volk, als für Deutsche, bedarf es einer
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt. Klar liegen dem
unverblendeten Europa vor Augen. Wir erlagen der Uebermacht Frankreichs. Der Friede[1], der die Hälfte Meiner Unterthanen mit entriß, gab uns seine
Segnungen nicht; denn er schlug uns tiefere Wunden als selbst der Krieg. Das Mark des
Landes ward ausgesogen, die Hauptfestungen bleiben vom Feinde besetzt, der Ackerbau ward
gelähmt, sowie der sonst so hoch gebrachte Kunstfleiß unserer Städte. Die Freiheit des
Handels ward gehemmt und dadurch die Quellen des Erwerbs und des Wohlstandes verstopft.
Das Land ward ein Raub der Verarmung. Durch die strengste Erfüllung
eingegangener Verbindlichkeiten hoffte Ich Meinem Volk Erleichterung
zu bereiten, und den französischen Kaiser endlich überzeugen, daß es sein eigener
Vortheil sey, Preußen seine Unabhängigkeit zu lassen. Aber Meine reinsten Absichten
wurden durch Uebermuth und Treulosigkeit vereitelt, und nur zu deutlich sahen wir, daß
des Kaisers Verträge mehr noch wie seine Kriege uns langsam verderben mußten. Jetzt ist
der Augenblick gekommen, wo alle Täuschung über unsern Zustand
aufhört. Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer! Ihr
wißt, was Ihr seit fast sieben Jahren erduldet habt; Ihr wißt, was euer trauriges Loos
ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert Euch an die
Vorzeit, an den großen Kurfürsten, den großen Friedrich. Bleibt eingedenk der Güter,
die unter Ihnen Unsere Vorfahren blutig erkämpften: Gewissensfreiheit, Ehre,
Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft. Gedenkt des großen
Beispiels unserer mächtigen Verbündeten, der Russen; gedenkt der Spanier, der
Portugiesen. Selbst kleinere Völker sind für gleiche Güter gegen mächtigere
Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg errungen. Erinnert Euch an die
heldenmüthigen Schweizer und Niederländer. Große Opfer werden von allen
Ständen gefordert werden; denn unser Beginnen ist groß, und nicht geringe die Zahl und
die Mittel unserer Feinde. Ihr werdet jene lieber bringen für das Vaterland, für Euern
angeborenen König, als für einen fremden Herrscher, der, wie so viele Beispiele lehren,
Eure Söhne und Eure letzten Kräfte Zwecken widmen würde, die Euch ganz fremd sind.
Vertrauen auf Gott, Ausdauer, Muth und der mächtige Beistand unserer Bundesgenossen
werden unsern redlichen Anstrengungen siegreichen Lohn gewähren. Aber,
welche Opfer auch von Einzelnen gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter
nicht auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen, wenn wir
nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu seyn. Es ist der letzte, entscheidende
Kampf, den wir bestehen, für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit,
unsern Wohlstand. Keinen andern Ausweg gibt es, als einen ehrenvollen Frieden, oder einen
ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet Ihr getrost entgegen gehen, um der Ehre willen;
weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag. Allein wir dürfen mit
Zuversicht vertrauen: Gott und unser fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg
verleihen, mit ihm einen sichern, glorreichen Frieden und die Wiederkehr einer
glücklichen Zeit.
Breslau, den 17. März 1813.
|