Proclamation des Kaiserlich Russischen General-Feldmarschalls Fürsten Kutusow-Smolenskoi an die Deutschen.
("Proklamation von Kalisch")

Vom 25. März 1813.


Proclamation an die Deutschen

  Indem Rußlands siegreiche Krieger, begleitet von denen Sr. Majestät des Königs von Preußen, Ihres Bundesgenossen, in Deutschland auftreten, kündigen Se. Majestät der Kaiser von Rußland und Se. Majestät der König von Preußen den Fürsten und Völkern Deutschlands die Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit an. Sie kommen nur in der Absicht, ihnen diese entwendeten, aber unveräußerlichen Stammgüter der Völker wieder erringen zu helfen, und der Wiedergeburt eines ehrwürdigen Reiches mächtigen Schutz und dauernde Gewähr zu leisten. Nur dieser große, über jede Selbstflucht und deßhalb Ihrer Majestäten allein würdige Zweck ist es, der das Vordringen Ihrer Heere gebietet und leitet.

  Diese unter den Augen beider Monarchen von ihrem Feldherrn geführten Heere vertrauen auf einen waltenden gerechten Gott, und hoffen vollenden zu dürfen für die ganze Welt, und unwiderruflich für Deutschland, was sie für sich selbst zur Abwendung des schmachvollen Joches so rühmlich begonnen. Voll von dieser Begeisterung rücken sie heran. Ihre Losung ist: Ehre und Freiheit! Möge jeder Deutsche, der des Namens noch würdig seyn will, rasch und kräftig sich anschließen; möge Jeder, er sey Fürst, er sey Edler, oder er stehe in den Reihen der Männer des Volks, den Befreiungsplänen Rußlands und Preußens beitreten, mit Herz und Sinn, mit Gut und Blut, mit Leib und Leben. Diese Gesinnung, diesen Eifer glauben Ihre Majestäten nach dem Geiste, welcher Rußlands Siege über die zurückwankende Weltherrschaft so deutlich bezeichnet, von jedem Deutschen mit Recht erwarten zu dürfen.

  Und so fordern sie denn treues Mitwirken, besonders von jedem deutschen Fürsten, und wollen dabei gern voraussetzen, daß sich keiner finden werde unter ihnen, der, indem er der deutschen Sache abtrünnig seyn und bleiben will, sich reif zeige der verdienten Vernichtung durch die Kraft der öffentlichen Meinung und durch die Macht gerechter Waffen.

  Der Rheinbund, diese trügerische Fessel, mit welcher der Allentzweyende das erst zertrümmerte Deutschland, selbst mit Beseitigung des alten Namens, neu umschlang, kann als Wirkung fremden Zwanges und als Werkzeug fremden Einflusses länger nicht geduldet werden.

  Vielmehr glauben Ihre Majestäten einem längst gehegten, nur mühsam noch in beklommener Brust zurückgehaltenen allgemeinen Volkswunsche zu begegnen, wenn sie erklären, daß die Auflösung dieses Vereins nicht anders als in ihren bestimmten Absichten liegen könne.

  Hiemit ist zugleich das Verhältniß ausgesprochen, in welchem Se. Majestät der Kaiser aller Reußen zum wiedergeborenen Deutschland und zu seiner Verfassung stehen wollen. Es kann dieß, da Sie den fremden Einfluß vernichtet zu sehen wünschen, kein anderes seyn, als eine schützende Hand über ein Werk zu halten, dessen Gestaltung ganz allein den Fürsten und Völkern Deutschlands anheim gestellt bleiben soll. Je schärfer in seinen Grundzügen und Umrissen dies Werk herantreten wird aus dem ureignen Geiste des deutschen Volkes, desto verjüngter, lebenskräftiger, und in Einheit gehaltener, wird Deutschland wieder unter Europens Völkern erscheinen können.

  Uebrigens werden Se. Majestät nebst Ihrem Bundesgenossen, mit dem Sie in den hier dargelegten Gesinnungen und Ansichten vollkommen einverstanden sind, dem schönen Zwecke der Befreiung Deutschlands vom fremden Joche Ihre höchsten Anstrengungen jederzeit gewidmet seyn lassen.

  Frankreich, schön und stark durch sich selbst, beschäftige sich fernerhin mit der Beförderung seiner inneren Glückseligkeit! Keine äußere Macht wird diese stören wollen, keine feindliche Unternehmung wird gegen seine rechtmäßigen Gränzen gerichtet werden.

  Aber Frankreich wisse, daß die andern Mächte eine fortdauernde Ruhe für ihre Völker zu erobern trachten, und nicht eher die Waffen niederlegen werden, bis der Grund zu der Unabhängigkeit aller Staaten von Europa festgesetzt und gesichert seyn wird.


  Gegeben im Hauptquartier zu Kalisch, den 13./25. März 1813.


Im Namen Sr. Maj. des Kaisers und Selbstherrschers aller Reußen, und Sr. Maj. des Königs der Preußen:
Fürst Kutusow-Smolenskoi,
General-Feldmarschall und oberster Befehlshaber der verbündeten Heere.

 

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Quelle: Corpus Juris Confoederationis Germanicae oder Staatsacten für Geschichte und öffentliches Recht des Deutschen Bunds, hrsg. v. Philipp Anton Guido Meyer, Teil 1. Staatsverträge, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1858, S. 146-147.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Proclamation des Kaiserlich Russischen General-Feldmarschalls Fürsten Kutusow-Smolenskoi an die Deutschen (25.03.1813), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/1813/proklamation-von-kalisch.html, Stand: aktuelles Datum.


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