Rede des Abgeordneten Volker Kauder zu Gesetzentwürfen zur Bekämpfung des Terrorismus und Erhöhung der inneren Sicherheit

Vom 11. Oktober 2001


Volker Kauder (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema "Sicherheit für die Menschen in unserem Land" hat in diesen Tagen auch im Deutschen Bundestag die Bedeutung bekommen, die ihm eigentlich schon immer hätte zukommen sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bedauerlich ist, dass es für diese Diskussion und für die Fragen sowie manche Gemeinsamkeiten, die sich jetzt zwischen Opposition und Koalition abzeichnen, eines furchtbaren Ereignisses in Amerika bedurfte. Dies müssen wir einmal ausdrücklich feststellen.

Die Union, CDU und CSU, hat dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gebracht und hat noch vor der Sommerpause Vorschläge eingebracht. Sie sind immer so beschieden worden, dass das Thema im Augenblick nicht auf dem ersten Platz der Agenda stehe.

(Joachim Stünker [SPD]: Welche Vorschläge denn? Die möchte ich gerne mal sehen!)

So kann man sich täuschen, lieber Herr Stünker.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben ja Recht, Herr Kollege Stünker, wenn Sie sagen: Wir müssen jede einzelne Maßnahme, um die es geht, sehr genau prüfen. Was aber manchen in unserem Lande und die Menschen, die dieser Debatte folgen, sicherlich nachdenklich macht, ist, dass Sie von Wochen und Monaten sprechen, um notwendige Regelungen durchführen zu können. Wir wären schon wesentlich weiter, wenn wir auch vonseiten der Regierungskoalition manche Frage schon früher mit größerem Ernst beantwortet bekommen hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Stünker [SPD]: 16 Jahre hatten Sie Zeit!)

"Freiheit und Sicherheit" heißt das eine Thema, mit dem wir antreten, "Rechtsstaat und konsequente Bekämpfung des Terrorismus" das andere. Herr Kollege Stünker, Sie haben genauso wie ich heute Morgen die Rede des Bundeskanzlers gehört. Ich denke, dass sich der Bundeskanzler zu Recht an die linke Seite des Hauses gewandt hat, als er gesagt hat, nicht jede Maßnahme, die jetzt vorgeschlagen werde, bedeute gleich den Untergang des Rechtsstaates.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das hat er sicher nicht an unsere Seite, an die Opposition gewandt, gesagt.

(Zuruf von der SPD: Er meinte etwas anderes!)

Wir vonseiten der CDU/CSU haben eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt. Sie haben Vorschläge vorgelegt. Ich habe den Worten des Bundeskanzlers entnommen, dass die Vorschläge, die Sie vorgelegt haben, nicht ausreichend sind, um dem Problem gerecht zu werden; denn der Bundeskanzler hat angekündigt, dass in der nächsten Woche ein zweites umfangreiches Sicherheitspaket vorgelegt wird. Dem kann ich doch nur entnehmen, dass es dieses grässlichen Anschlages in Amerika bedurfte, um offenkundig werden zu lassen, welche Sicherheitslücken in unserem Lande bestehen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Stünker [SPD]: Das ist ja Sophismus!)

Deswegen sind wir bereit, mit Ihnen zusammen jetzt in Verhandlungen über ganz konkrete Vorstellungen einzutreten, um diese Sicherheitslücken zu schließen.

Ich mache mir natürlich schon die eine oder andere Sorge, wenn ich höre, dass zu den konkreten Vorstellungen, die von der Bundesregierung - auch von der Bundesjustizministerin, vor allem vom Bundesinnenminister - vorgetragen werden, schon in den eigenen Reihen Diskussionen darüber beginnen, was möglich und was nicht möglich ist. Der Herr Bundesinnenminister kann froh sein, dass er eine Opposition wie die CDU/CSU hat, die ihn in vielen Punkten unterstützt.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei der SPD)

Wie der Bundeskanzler bei Einsätzen der Bundeswehr, so kann in diesem Fall der Bundesinnenminister nicht sicher sein, ob er sich auf eigene Mehrheiten verlassen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Ströbele wird ja nach mir reden. Ich wundere mich über manche Diskussion, die jetzt gerade von der Fraktion der Grünen und von deren Landesverbänden geführt wird. Während hier die Grünen so tun, als ob sie schon immer Sicherheitspartei Nummer eins gewesen wären, lese ich heute in Zeitungen aus Baden-Württemberg die Auffassung von Kreis- und Ortsverbänden der Grünen, dass das, was die Bundestagsfraktion vorhabe, ein Anschlag auf grünes Gedankengut sei; das werde nicht mitgemacht. Sie müssen einmal klären, ob Sie wirklich bereit und in der Lage sind und ob Sie die Macht haben, diese Positionen überhaupt zu vertreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Grünen waren - dies darf man ausdrücklich sagen - noch nie eine Partei, die die innere Sicherheit mit Herzblut auf ihr Banner geschrieben hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Neue Herausforderungen an die innere Sicherheit zwingen uns zu neuen Sichtweisen bei so mancher Sachfrage. Ich hoffe sehr, dass bei den Grünen jetzt nicht nur über die Notwendigkeit der Verbesserung der Sicherheit gesprochen wird, sondern dass sich auch die Einstellung geändert hat; denn wirklich gute Gesetze kann man nur machen, wenn man auch die entsprechende Einstellung hat: Es muss etwas getan werden, um die innere Sicherheit in Deutschland zu verbessern.

Wo die Bundesregierung vernünftige gesetzgeberische Maßnahmen durchsetzen möchte, kann sie mit der uneingeschränkten Unterstützung durch unsere Fraktion rechnen. Die Union wird aber - das möchte ich nachdrücklich betonen - darauf bestehen, dass ein sauberes und faires Gesetzgebungsverfahren durchgeführt wird, in dem wir auch die Gelegenheit haben, unsere Anliegen und Anregungen einzubringen.

Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Einführung eines § 129 b in das Strafgesetzbuch wurde bereits angesprochen. Er hat die Ausdehnung des Strafbarkeitstatbestandes krimineller und terroristischer Vereinigungen zum Ziel und ist ein Beispiel für eine gesetzgeberische Maßnahme, der wir vonseiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zustimmen können. Damit kann der internationale Terrorismus in Deutschland mit einer angemessenen Strafrechtsreform endlich effektiv bekämpft wer den.

Dies ist eine richtige und wichtige Regelung. Ich freue mich, dass sich die rot-grüne Bundesregierung über die Empfehlung des europäischen Aktionsplanes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität hinaus zu dieser Erkenntnis hat durchringen können. Die Einsicht kommt spät, aber immerhin kommt sie.

Diese grundsätzliche Freude über einen Sinneswandel bei Rot-Grün hin zu mehr innerer Sicherheit wird allerdings sofort getrübt. Ich finde, es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang: Während wir hier alle - damit schließe ich bis auf die PDS wirklich alle ein - unter dem Eindruck dessen, was in New York passiert ist, über eine Stärkung der inneren Sicherheit sprechen, die Bundesregierung ein Antiterrorpaket schnürt und die Terrorbekämpfung weltweit an die erste Stelle der Prioritäten liste gerückt ist, wagt es die rot-grüne Übergangsregierung des Landes Berlin tatsächlich, einen Antrag einzubringen, der genau das, was wir mit dem § 129 b des Strafgesetzbuches erreichen wollen, im Kern zurücknimmt.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist ungeheuerlich! - Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege Ströbele, dass Ihnen das gefällt, glaube ich sofort.

Man könnte darüber hinweggehen, wenn es sich nicht um den Regierenden Bürgermeister der Stadt Berlin handelte, der in besonderer Weise Sicherheitsinteressen vertreten muss. Vor dem Hintergrund, dass wir besonders ausländische Einrichtungen in Berlin schützen müssen, ist dies ein ungeheuerlicher Vorgang.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es wird nicht nur deutlich, dass die Sicherheit des Landes und der Stadt Berlin bei der rot-grünen Übergangsregierung in Gefahr ist;

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt lassen Sie mal den Wahlkampf weg!)

es wird auch deutlich, welch Geistes Kind noch viele bei Rot-Grün in Berlin sind. Die Herren Schröder und Schily können noch so viel Aktionismus präsentieren: Die SPD führt hier in Berlin vor, dass sie noch nicht verstanden hat, worum es geht.

(Joachim Stünker [SPD]: Machen Sie Wahlkampf oder reden Sie über die innere Sicherheit?)

- Es geht um die innere Sicherheit. Herr Kollege Stünker, ich sage Ihnen jetzt, worum es wirklich geht. Ich werde den Eindruck nicht los, dass dieser Antrag auch gestellt worden ist, um der PDS entgegenzukommen, mit der man nach dem 21. Oktober 2001 eine gemeinsame Regierung bilden will. Darin sehe ich Gefahren.

(Beifall bei der CDU/CSU - Alfred Hartenbach [SPD]: Putzen Sie mal Ihre Brille, damit Sie besser sehen!)

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Vorschläge gemacht. Wir werden den Vorschlägen der Bundesregierung dann zustimmen, wenn wir der Meinung sind, dass sie vernünftig und richtig angelegt sind. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land können sich darauf verlassen: Die Union wird der Regierung bei den notwendigen Maßnahmen beistehen, wenn sie auf dem richtigen Weg bleibt. Bei der Aufgabe, Sicherheit für die Menschen zu schaffen, brauchen wir im Gegensatz zu Rot-Grün keine Nachhilfe und haben sie auch noch nie gebraucht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Jürgen Meyer [Ulm] [SPD]: Sie haben sie nie gewollt! Aber ob Sie sie brauchen, ist eine andere Frage!)

 

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Quelle: Quelle: Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, 192. Sitzung vom 11. Oktober 2001, Stenographischer Bericht (Plenarprotokoll 14/192).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede des Abgeordneten Volker Kauder (CDU) zu Gesetzentwürfen zur Bekämpfung des Terrorismus und Erhöhung der inneren Sicherheit (11.10.2001), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2001/rede_kauder_1011.html, Stand: aktuelles Datum.


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