Verordnung
[des Innenministeriums des Königreichs Sachsen],
das Wandern der Handwerksgesellen betreffend;

vom 6ten Juli 1835.


Zur Vollziehung der, wegen des Wanderns der Handwerksgesellen unter’m 15ten Januar und 12ten März dieses Jahres gefaßten und mittelst Verordnung vom heutigen Tage bekannt gemachten Bundesbeschlüsse, wird mit Allerhöchst- und Höchster Genehmigung hierdurch verordnet:

1. Die, nach dem Mandate, die Abstellung verschiedener Innungsgebrechen betr., vom 7ten December 1810. §. 3. vorgeschriebenen Wanderbücher, sind von Bekanntmachung gegenwärtiger Verordnung an, bis auf Weiteres, von den Obrigkeiten, denen selbige nach obgedachten Mandate auszustellen nachgelassen ist, nur zum Wandern innerhalb der deutschen Bundesstaaten mit Inbegriff der, außerhalb des Bundesgebiets gelegenen Provinzen und Landestheile derselben, zu ertheilen.

2. In jedem Wanderbuche, welches neu ausgefertigt wird, ist auf der ersten Titelseite die Bemerkung:

"Dieses Wanderbuch ist nur gültig, innerhalb der deutschen Bundesstaaten, und der zu denselben gehörigen Provinzen"

unter obrigkeitlicher Vollziehung und Beidruckung des Siegels oder Stempels, einzuschreiben. Dasselbe haben auch alle und jede Obrigkeiten zu thun, denen von einem inländischen Handwerksgesellen ein Wanderbuch zum Visiren vorgezeigt wird, wenn obiger Eintrag darin noch nicht enthalten ist.

3. Zum Wandern außerhalb der deutschen Bundesstaaten ist die Ertheilung eines Wanderpasses nachzusuchen. Diese Wanderpässe sind nach Vorschrift des Paß-Regulativs vom 27sten Januar 1818. gleich den Reisepässen ins Ausland einzurichten und auf das, §. 3 bezeichnete Paßpapier auszufertigen.
Sie sind mit der Ueberschrift:

Wanderpaß, gültig zum Wandern außerhalb der deutschen Bundesstaaten und der zu denselben gehörigen Provinzen,

zu versehen.

4. Die Ertheilung dieser Wanderpässe bleibt den Kreisdirectionen vorbehalten. Wenn daher ein inländischer Handwerksgesell gesonnen ist, seine Wanderschaft über die Grenzen der deutschen Bundesstaaten und der zu ihnen gehörigen Provinzen zu erstrecken, so hat er das Gesuch um Ertheilung eines Wanderpasses dahin, bei der Obrigkeit des Orts seines Aufenthalts persönlich anzubringen, sich daselbst eben so, wie zum Behuf der Erlangung eines Wanderbuchs, wegen seiner Herkunft, Lehrzeit, erfolgter Lossprechung, bisher bestandener Arbeit und wegen seines Wohlverhaltens zu legitimiren, zugleich aber die Orte oder wenigstens außerhalb des Gebiets der deutschen Bundesstaaten gelegenen Länder, wohin er zu wandern gedenkt, auch die Ursachen anzuzeigen und da nöthig, nachzuweisen, weshalb er sich veranlaßt findet, diese Länder auf seiner Wanderschaft mit zu besuchen; oder geraden Wegs dorthin zu reisen. Die Obrigkeit hat über dieses Suchen gutachtliche Anzeige zu der vorgesetzten Kreisdirection zu erstatten, welche entweder derselben den, von ihr ausgestellten Wanderpaß zufertigen, oder bei vorhandenen Bedenken, den Ansucher durch sie bescheiden lassen wird.

5. Ist der Gesell Willens, sogleich auf geradem Wege nach Ländern oder Orten ausserhalb der deutschen Bundesstaaten zu reisen, ohne erst innerhalb der letztern auf Arbeit umher wandern zu wollen, so ist der Wanderpaß auf gewisse Zeit, und mit Vorzeichnung der Reiseroute an den Ort der Bestimmung, zu richten.
Will hingegen der Gesell seine Wanderschaft zunächst im Gebiete der deutschen Bundesstaaten antreten und fortsetzen, und wünscht er nur für den Fall, daß er im Laufe seiner Wanderschaft den Entschluß fassen und Gelegenheit finden sollte, auch außerhalb der deutschen Bundesstaaten Arbeit zu suchen, so hat er nichts desto weniger bei dem, nach §. 4. von ihm zu geschehenden Anbringungen, die Länder anzugeben, wohin er sich, eintretenden Falls, zu wenden gedenkt, und es ist solchenfalls in dem Wanderpasse ausdrücklich zu bemerken:

"daß dem Inhaber verstattet werde, die namentlich aufzuführenden Länder zu bereisen, nach andern nicht mitgenannten Staaten aber, der Wanderpaß nicht als gültig zu betrachten sey."


6. Im letztern Fall ist dem wandernden Handwerksgesellen außer dem gedachten Wanderpasse, auch ein Wanderbuch zum Wandern innerhalb der deutschen Bundesstaaten zu ertheilen, wobei aber, zu Vermeidung eines Mißbrauchs des einen oder des andern, auf den Wanderpaß die Bemerkung:

"Inhaber führt außer diesem Passe noch ein Wanderbuch zum Wandern innerhalb der deutschen Bundesstaaten"
und in das Wanderbuch die Notiz:
"Inhaber führt außer diesem Wanderbuch noch einen Wanderpaß zum Wandern außerhalb der deutschen Bundesstaaten"

zu bringen ist.

7. Wenn ein inländischer Handwerksgesell, welcher sich schon auf der Wanderschaft innerhalb der deutschen Bundesstaaten befindet, ohne mit einem, nach §. 3. ertheilten Wanderpasse versehen zu seyn, Willens wird, in andere, zum deutschen Bunde nicht gehörige Länder zu wandern, so hat er von dem Orte seines dermaligen Aufenthaltsaus, mit Einsendung seines Wanderbuchs und eines von der Ortsbehörde über sein dasiges Verhalten ausgestellten Zeugnisses, bei der Obrigkeit seiner Heimath in derselben Maaße, wie §. 4. vorgeschrieben ist, um Ertheilung eines Wanderpasses nachzusuchen, welche darauf ebenfalls an die vorgesetzte Kreisdirection Bericht zu erstatten und deren Resolution zu erwarten hat.
Kann er an dem auswärtigen Orte selbst, wo er sich auf der Wanderschaft befindet, nach dasigen Polizeieinrichtungen einen Paß zum Wandern außerhalb der deutschen Bundesstaaten erlangen, muß er aber dazu die Erlaubniß der diesseitigen Regierung beibringen, so werden ebenfalls die Kreisdirectionen hierdurch ermächtigt, diese Erlaubniß, nach vorher von der betreffenden Obrigkeit über die zu wissen nöthigen Umstände zu erstattender Anzeige, zu ertheilen und darüber den erforderlichen Erlaubnisschein auszustellen.

8. Auch ausländischen in hiesigen Landen arbeitenden, oder durchreisenden Handwerksgesellen, dürfen Wanderbücher oder Pässe in andere, als zum deutschen Bunde gehörigen Staaten und die zu letztern gehörigen Provinzen, nur gegen beigebrachte Erlaubniß ihrer Heimathsbehörde ertheilt werden.
Wollen sie dagegen nur in ihre Heimath zurückkehren, und diese ist außerhalb der, zum deutschen Bunde gehörigen Staaten, so sind ihnen hierzu gewöhnliche Reisepässe zu ertheilen.


Hiernach haben sich alle vorbenannten Behörden und wen es sonst angeht, zu achten.

  Dresden, den 6. Juli 1835.[1]


Ministerium des Innern
von Carlowitz.

Thimmig.

 

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Anmerkung:
[1] Diese Verordnung des sächsischen Innenministeriums wurde bis zum 25. Juli 1835 verkündet. Sie wurde durch Verordnung des sächsischen Königs Friedrich August II. zu Bekanntmachung des, wegen Aufhebung der seit dem Jahre 1819 erlassenen Ausnahmegesetze, unter dem 2ten April 1848 gefaßten Bundesbeschlusses vom 15. April 1848 aufgehoben.


Quelle: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 1835, S. 389-391.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Verordnung [des Innenministeriums des Königreichs Sachsen], das Wandern der Handwerksgesellen betreffend (06.07.1835), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/sachsen/1835/handeswerksgesellen-wanderungl_vo.html, Stand: aktuelles Datum.


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