Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den
Aufsichtsrat.
Vom 15. Februar 1922.
Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit
Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:
§ 1
|
Aufsichtsrat im Sinne des § 70 des Betriebsrätegesetzes ist
ohne Rücksicht auf die Bezeichnung im Gesellschaftsvertrage das |
|
|
im Handelsgesetzbuch, |
|
|
im Gesetze, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, |
|
|
im Gesetze, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, |
|
|
im Gesetze über die privaten Versicherungsunternehmungen, |
|
|
in den Berggesetzen |
als Aufsichtsrat bezeichnete Organ der
Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien, der Gesellschaft mit
beschränkter Haftung, der eingetragenen Genossenschaft, des Versicherungsvereins auf
Gegenseitigkeit und der bergrechtlichen Gewerkschaft. |
§ 2
Bestehen bei einer der im § 1 genannten
Körperschaften für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer ein oder mehrere
Betriebsräte oder Gesamtbetriebsräte, so regelt sich die im § 70 des
Betriebsrätegesetzes vorgeschriebene Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den
Aufsichtsrat nach den folgenden Bestimmungen.
§ 3
Soweit nicht im Betriebsrätegesetz und im folgenden etwas anderes
bestimmt ist, finden auf die in den Aufsichtsrat entsandten Betriebsratsmitglieder die
gesetzlichen Bestimmungen Anwendung, welche für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder
gelten.
§ 4
[1] Zwei Betreibsratmitglieder sind zu entsenden, wenn nach dem
zur Zeit der Anberaumung der Wahl geltenden Gesellschaftsvertrage (Statut, Satzung) mehr
als drei Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden können oder beide Arbeitnehmergruppen
(Arbeiter und Angestellte) im Wahlkörper (§ 5) vertreten sind. In allen
übrigen Fällen ist eines zu entsenden.
[2] Zum Ersatz ausscheidender Mitglieder sollen für jedes in den Aufsichtsrat zu
entsendende Mitglied zwei Ersatzmitglieder gewählt werden.
§ 5
[1] Wahlkörper für die Entsendung der Betriebsratsmitglieder ist
bei Körperschaften mit einem Einzelbetriebsrat oder einem Gesamtbetriebsrate dieser, in
solchen mit mehreren Einzelbetriebsräten die Gesamtheit dieser, auch wenn sie zum Teil zu
einem Gesamtbetriebsrate zusammengeschlossen sind.
Wählbar sind alle Mitglieder des Wahlkörpers, die am Tage der Wahl ein Jahr von
der Körperschaft beschäftigt und nicht in den letzten zwei Jahren durch Beschluß
gemäß § 39 des Betriebsrätegesetzes abgesetzt worden sind. Das Erfordernis der
einjährigen Beschäftigung entfällt, soweit nicht wählbare Personen in vierfacher Zahl
der zu wählenden Mitglieder vorhanden sind.
[2] Bei eingetragenen Genossenschaften gilt § 9 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend
die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, für die in den Aufsichtsrat zu entsendenen
Betriebsratsmitglieder nur, sofern ihnen der Erwerb der Mitgliedschaft freisteht und
billigerweise zugemutet werden kann.
§ 6
[1] Die Wahl findet geheim und mit Stimmenmehrheit einheitlich
durch den ganzen Wahlkörper statt.
[2] Sind zwei Mitglieder zu wählen, so kann die Minderheitsgruppe der Arbeitnehmer
(§ 16 des Betriebsrätegesetzes), sofern ihr mindestens zwei Mitglieder des Wahlkörpers
angehören, mit Stimmenmehrheit oder Stimmengleichheit die Entsendung eines Vertreters
ihrer Gruppe beschließen; alsdann findet eine getrennte Wahl durch jede der beiden
Arbeitnehmergruppen statt.
[3] Das Nähere über das Wahlverfahren bestimmt der Reichsarbeitsminister.[1]
§ 7
Die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat endet ausschließlich durch
Rücktritt oder durch Verlist der Zugehörigkeit zum Betriebsrat, dem das Mitglied
angehört.
§ 8
Scheidet ein Betriebsratsmitglied aus dem Aufsichtsrat aus, so
tritt ein Ersatzmitglied nach, den Bestimmungen der Wahlordnung ein. Ist kein
Ersatzmitglied des Ausgeschiedenen mehr vorhanden, so findet eine Neuwahl statt.
§ 9
Soweit die gegründete, aber noch nicht eingetragene Körperschaft
bereits einen Aufsichtsrat hat, finden die §§ 1 bis 8
Anwendung.
§ 10
Das Gesetz findet auch die im § 62 des Betriebsrätegesetzes
bezeichneten Betriebsvertretungen Anwendung, wenn die Vertretung für die Betriebe nur einer Körperschaft errichtet ist und aus Arbeitnehmern dieser
Körperschaft besteht.
§ 11
Das Gesetz tritt am 1. Februar 1922 in Kraft. Die ersten Wahlen
sind binnen drei Monaten nach Inkrafttreten einzuleiten.
Berlin, den 15. Februar 1922.
Der Reichspräsident
Ebert
Der Reichsarbeitsminister
Dr. Brauns
|