Wahlordnung zum Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat.

Vom 23. März 1922.


Auf Grund des § 6 Abs. 4 des Gesetzes über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. Februar 1922 (Reichsgesetzbl. S. 209) wird folgende Wahlordnung erlassen:

A. Allgemeine Bestimmungen

§ 1
L e i t u n g  d e r  W a h l,  F r i s t b e r e c h n u n g

  [1] Wahlleiter ist in Körperschaften mit einem Betriebsrat oder einem Gesamtbetriebsrate dessen Vorsitzender, in Körperschaften mit mehreren Betriebsräten der Vorsitzende des Betriebsrats der Hauptverwaltung.
  [2] Bei Verhinderung des Vorsitzenden ist dessen Stellvertreter, bei Verhinderung auch des Stellvertreters das nach Lebensjahren älteste Betriebsratsmitglied Wahlleiter.
  [3] Als Tag der Wahl im Sinne des § 5 Abs. 2 des Gesetzes gilt der letzte Tag der Wahlfrist (§ 3 Abs. 2).
Dem Wahlleiter liegt es ob, im Falle des Ausscheidens eines Betriebsratsmitglieds aus dem Aufsichtsrate das Ersatzmitglied und den Vorstand der Körperschaft von dem Eintritt des Ersatzmitglieds in den Aufsichtsrat zu benachrichtigen.

§ 2
V o r b e r e i t u n g  d e r  W a h l

  [1] Der Wahlleiter hat unverzüglich, nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, zu prüfen, ob ein Betriebsratsmitglied oder zwei Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden sind (§ 4 Abs. 1 des Gesetzes), und die Wahl einzuleiten.
  [2] Ist nur ein Betriebsratsmitglied zu entsenden, so richtet sich die Wahl nach den §§ 3 bis 8, sind zwei Betriebsratsmitglieder zu entsenden, so richtet sich die Wahl nach den §§ 9 bis 12.


B. Entsendung eines Betriebsratsmitglieds in
den Aufsichtsrat

§ 3
W a h l a u s s c h r e i b e n

  [1] Der Wahlleiter hat spätestens vier Wochen vor dem letzten Tage der Stimmabgabe mittels eingeschriebenen Briefes ein Wahlausschreiben an die Vorsitzenden der Einzelbetriebsräte des Wahlkörpers zu senden mit der Aufforderung, es den Wahlberechtigten unverzüglich in geeigneter Weise bekanntzugeben.
  [2] Der Wahlleiter teilt in dem Wahlausschreiben mit, daß ein den gesetzlichen Bestimmungen (§ 5 Abs. 2 des Gesetzes) entsprechendes Betriebsratsmitglied nebst zwei Ersatzmitgliedern zu wählen ist, bestimmt den Endpunkt der Frist, innerhalb deren die Stimmzettel einzusenden sind (Wahlfrist) und fordert die Berechtigten auf, den verschlossenen Wahlumschlag mit dem Stimmzettel in einem Briefumschlage bis zum Ablauf der Wahlfrist an den Wahlleiter einzusenden. Dem Schreiben an die Vorsitzenden der Einzelbetriebsräte ist die erforderliche Zahl von Briefumschlägen und Wahlumschlägen beizufügen, die beide mit der Aufschrift oder dem Vordruck "Wahl zum Aufsichtsrat für (Bezeichnung der Unternehmung)" zu versehen sind. Zugleich sind die Vorsitzenden der Betriebsräte zu ersuchen, dem Wahlleiter ein vom Vorsitzenden des Betriebsrats oder seinem Stellvertreter zu unterschreibendes Verzeichnis der Mitglieder ihres Einzelbetriebsrats (Wählerverzeichnis), getrennt nach Arbeitern und Angestellten in zwei Ausfertigungen zu übersenden.
  [3] Befindet sich der Wahlkörper in einer Gemeinde oder in wirtschaftlich zusammenhängenden, nahe beieinander liegenden Gemeinden (§ 9 Abs. 2 des Betriebsrätegesetzes), so tritt an die Stelle der vierwöchigen Frist des Abs. 1 eine solche von zwei Wochen.
  [4] In besonderen Fällen (wesentliche Veränderung im Wahlkörper, Postsperre usw.) kann der Wahlleiter die Wahlfrist nachträglich verlängern.

§ 4
S t i m m z e t t e l  u n d  W a h l u m s c h l ä g e
V e r ä n d e r u n g e n  i m  W a h l k ö r p e r

  [1] Der Wähler hat seinen Stimmzettel, der drei Namen in erkennbarer Reihenfolge und unter Angabe des Wohnorts enthalten soll, in den Wahlumschlag und diesen - verschlossen - in den Briefumschlag zu stecken, der an den Wahlleiter unter deutlicher Angabe des Absenders mittels eingeschriebenen Briefes zu übersenden ist. Befindet sich ein Einzelbetriebsrat in der gleichen Gemeinde wie der Betriebsrat des Wahlleiters oder in einer mit dieser Gemeinde wirtschaftlich zusammenhängenden, nahe dabeiliegenden Gemeinde (§ 9 Abs. 2 des Betriebsrätegesetzes), so können, sofern dies ohne einen unverhältnismäßigen Zeit- und Kostenaufwand möglich ist, die Mitglieder dieses Betriebsrats ihren Briefumschlag dem Wahlleiter persönlich gegen Empfangsbestätigung übergeben. Gleiches gilt für die Mitglieder des Betriebsrats, dem der Wahlleiter angehört.
  [2] Stimmzettel, die unterschrieben oder mit einem Kennzeichen versehen sind oder deren Inhalt zweifelhaft ist, sind ungültig. Die Namen auf dem Stimmzettel sollen nach Möglichkeit mit einer von der Schrift auf dem Briefumschlage verschiedenen Schrift geschrieben werden.
  [3] Treten während der Wahlfrist Veränderungen des Wahlkörpers ein, so ist für die Wahlberechtigten der letzte Tag der Wahlfrist maßgebend. Stimmzettel der danach nicht Wahlberechtigten sind ungültig.

§ 5
F e s t s t e l l u n g  d e s  W a h l e r g e b n i s s e s

  [1] Der Wahlleiter öffnet unverzüglich nach dem Ablauf der Wahlfrist (§ 3 Abs. 2) die verschlossenen Briefumschläge in Gegenwart des stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrats (im Behinderungsfalle des an Lebensjahren ältesten Betriebsratsmitglieds) sowie möglichst eines weiteren Mitglieds des Betriebsrats, steckt die in den Briefumschlägen enthaltenen, verschlossenen Wahlumschläge in einen Kasten und vermerkt zugleich die Stimmabgabe in den übersandten Wählerverzeichnissen (§ 3 Abs. 2 Satz 3). Briefumschläge, deren Absender nicht angegeben ist, werden hierbei nicht berücksichtigt. Alsdann wird der Kasten geschüttelt und geöffnet, die Stimmzettel werden aus den Wahlumschlägen entnommen, und die auf jeden Bewerber entfallenden Stimmen, und zwar gesondert für jede Stelle des Stimmzettels, zusammengezählt. Dabei ist die Gültigkeit der Stimmzettel zu prüfen.
  [2] Befinden sich in einem Wahlumschlage mehrere Stimmzettel, so werden sie, wenn sie völlig übereinstimmen, nur einfach gezählt, andernfalls als ungültig angesehen.
  [3] Derjenige Bewerber, auf den an erster Stelle des Stimmzettels die meisten Stimmen entfallen, ist als Mitglied, derjenige Bewerber, auf den, an erster und zweiter Stelle zusammengerechnet, die meisten Stimmen entfallen, als erstes Ersatzmitglied, derjenige Bewerber, auf den, an erster, zweiter und dritter Stelle zusammengerechnet, die meisten Stimmen entfallen, als zweites Ersatzmitglied gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.

§ 6
N i e d e r s c h r i f t  u n d  B e n a c h r i c h t i g u n g

  Der Wahlleiter stellt in einer Niederschrift die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen, die Stimmenzahl, die auf jeden Bewerber an jeder Stelle des Stimmzettels entfallen ist, die Zahl der für ungültig erklärten Stimmen und Namen und Wohnort nebst Wohnung des gewählten Mitglieds und der Ersatzmitglieder fest, unterschreibt die Niederschrift und benachrichtigt die Gewählten schriftlich von der auf sie entfallenden Wahl. Ferner teilt er eine Abschrift der Niederschrift den Wahlberechtigten in der im § 3 Abs. 1 angegebenen Weise sowie dem Vorstand der Körperschaft mit; der Mitteilung an die Wahlberechtigten ist die zweite Ausfertigung des Wählerverzeichnisses ihres Betriebsrats (§ 3 Abs. 2 Satz 3) mit den Vermerken über die Stimmabgabe (§ 5 Abs. 1 Satz 1) beizufügen.

§ 7
A n f e c h t u n g  u n d  U n g ü l t i g k e i t  d e r  W a h l

  Auf die Anfechtung der Wahl finden die §§ 19 bis 21 der Wahlordnung zum Betriebsrätegesetz entsprechende Anwendung. Die Anfechtung hat binnen einem Monat nach Ablauf der Wahlfrist zu erfolgen.

§ 8
A u f b e w a h r u n g  d e r  W a h l a k t e n,  K o s t e n

  [1] Die Wahlakten werden von dem Betriebsrat der Hauptverwaltung bis zur Beendigung der Amtsdauer des in den Aufsichtsrat gewählten Mitglieds und der Ersatzmitglieder aufbewahrt.
  [2] Die sächlichen Kosten (Versendung des Wahlausschreibens, Beschaffung und Versendung der Briefumschläge und Wahlumschläge, Beschaffung des erforderlichen Stimmzettelkastens usw.) trägt die Unternehmung.


C. Entsendung von zwei Betriebsratsmitgliedern
in den Aufsichtsrat

§ 9
N o t w e n d i g e  g e m e i n s a m e  W a h l

  [1] Gehört der Minderheitsgruppe der Arbeitnehmer im Wahlkörper nur ein Mitglied an, so finden auf die gleichzeitige Wahl der beiden Mitglieder und ihrer Ersatzmitglieder die §§ 3 bis 8 mit der Maßgabe Anwendung, daß jeder Stimmzettel sechs wählbare Bewerber in erkennbarer Reihenfolge enthalten soll (§ 4 Abs. 1).
  [2] Derjenige Bewerber, auf den an erster Stelle des Stimmzettels die meisten Stimmen entfallen, ist als erstes, derjenige, auf den, an erster und zweiter Stelle zusammengerechnet, die meisten Stimmen entfallen, als zweites Mitglied diejenigen, auf die, an erster bis dritter, erster bis vierter, erster bis fünfter, erster bis sechster Stelle zusammengerechnet, die meisten Stimmen entfallen, sind als erstes, zweites, drittes und viertes Ersatzmitglied gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.
  [3] Ist infolge Ausscheidens von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern nur noch ein Mitglied übrig, so hat die Neuwahl eines zweiten Mitglieds und von vier Ersatzmitgliedern zu erfolgen.

§ 10
G e m e i n s a m e  u n d  g e t r e n n t e  W a h l

  [1] Gehören der Minderheitsgruppe der Arbeitnehmer zwei oder mehr Mitglieder des Wahlkörpers an und hat die Wahl der beiden Mitglieder und ihrer Ersatzmitglieder gleichzeitig zu erfolgen, so hat der Wahlleiter die Zahl der Arbeiter- und Angestelltenmitglieder der dem Unternehmen zugehörigen Betriebsräte festzustellen und in der im § 3 Abs. 1 angegebenen Weise den Wahlberechtigten eine Frist von drei Wochen - gerechnet vom Tage des Abganges des Schreibens - für die Einreichung eines Beschlusses aus § 6 Abs. 2 des Gesetzes zu setzen.
  [2] Geht ein solcher Beschluß fristgemäß ein, so findet die Wahl je eines Mitglieds und zweier Ersatzmitglieder getrennt durch die Gruppe der Arbeiter und der Angestellten des Wahlkörpers unter entsprechender Anwendung der §§ 3 bis 8 statt.
  [3] Geht ein Beschluß nicht ein, so findet die gemeinsame Wahl der beiden Mitglieder und von vier Ersatzmitgliedern nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 und 2 statt.

§ 11
N e u w a h l  n a c h  v o r a n g e h e n d e r
g e t r e n n t e r  W a h l

  [1] Der Beschluß auf getrennte Wahl (§ 10 Abs. 2) bleibt wirksam, bis beide Mitglieder und die Ersatzmitglieder ausgeschieden sind.
  [2] Kommt es alsdann nicht zur gleichzeitigen Neuwahl zweier Mitglieder und geht der Beschluß auf getrennte Wahl ein, so wählt diejenige Arbeitnehmergruppe, deren Vertreter das zuletzt ausgeschiedene Mitglied war.
  [3] Geht ein solcher Beschluß nicht ein, so ist das fehlende Mitglied nebst Ersatzmitgliedern gemäß § 9 in gemeinsamer Wahl zu wählen.

§ 12
N e u w a h l  n a c h  v o r a n g e h e n d e r
g e m e i n s a m e r  W a h l

  [1] Ist nach vorangegangener gemeinsamer Wahl (§ 10 Abs. 3) infolge Ausscheidens von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern nur noch ein Mitglied übrig, und geht ein Beschluß auf getrennte Wahl ein, so wählt die Arbeitnehmergruppe, der das vorhandene Mitglied nicht angehört, das zweite Mitglied und zwei Ersatzmitglieder; § 11 Abs. 1 findet entsprechende Anwendung.
  [2] Geht ein solcher Beschluß nicht ein, so hat die Neuwahl eines zweiten Mitglieds und von vier Ersatzmitgliedern gemäß § 9 Abs. 3 in gemeinsamer Wahl zu erfolgen.


  Berlin, den 23. März 1922.

Der Reichsarbeitsminister
Dr. Brauns

 

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Quelle: Reichsgesetzblatt 1922, S. 307-309.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Wahlordnung zum Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat (23.03.1922), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/1922/betriebsrat-aufsichtsrat_wo.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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