Die Verfassung des Freistaates Sachsen.
vom 1. November 1920.
Das sächsische Volk hat durch die Volkskammer dem Freistaat Sachsen
folgende Verfassung gegeben:
I. Die Staatsgewalt.
Artikel 1.
[1] Sachsen ist ein Freistaat im Deutschen Reiche.
[2] Die Zustimmung zu einer Aenderung des Staatsgebiets unterliegt den Vorschriften
für Verfassungsänderungen.
[3] Die Landesfarben sind weiß-grün.
Artikel 2.
[1] Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.
[2] Sie wird nach dieser Verfassung und nach der Verfassung
des Deutschen Reiches ausgeübt durch das Volk, den Landtag und die Behörden.
Artikel 3.
[1] Das Volk äußert seinen Willen durch Wahlen, Volksbegehren
und Volksentscheid.
[2] Stimmberechtigt sind alle reichsdeutschen Männer und Frauen, die am Tage
der Abstimmung das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben und in Sachsen wohnen.
[3] Das Stimmrecht ist gleich und wird geheim und unmittelbar
ausgeübt.
[4] Die Abstimmungen finden an einem Sonntage oder öffentlichen Ruhetage statt.
[5] Das Nähere wird durch Landesgesetz bestimmt.
II. Der Landtag.
Artikel 4.
[1] Der Landtag besteht aus 96 Abgeordneten.
[2] Die Abgeordneten sind Vertreter des Volkes. Sie sind an Aufträge nicht
gebunden.
Artikel 5.
Der Landtag beschließt die Gesetze, wählt den
Ministerpräsidenten und überwacht die Politik und Verwaltung des Staates.
Artikel 6.
[1] Der Landtag wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl auf
vier Jahre gewählt.
[2] Die Neuwahl findet vor dem Ablauf der Wahlperiode statt. Wird der Landtag
aufgelöst, so muß die Neuwahl spätestens am sechzigsten Tage nach der Auflösung
stattfinden.
Artikel 7.
Der Landtag entscheidet über die Gültigkeit der Wahlen und
darüber, ob ein Abgeordneter die Mitgliedschaft verloren hat.
Artikel 8.
[1] Der Landtagspräsident und das Gesamtministerium haben das
Recht, den Landtag einzuberufen. Der Landtagspräsident muß den Landtag einberufen, wenn
mindestens ein Drittel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten es bei ihm beantragt.
[2] Nach einer Neuwahl tritt der Landtag am dreißigsten Tage nach dem Wahltag
mittags 12 Uhr zusammen, wenn er vom Gesamtministerium bis dahin nicht einberufen worden
ist.
[3] Der Landtag bestimmt den Zeitpunkt der Vertagung und des Wiederzusammentritts.
[4] Im Laufe der Wahlperiode hat der Landtag sich alljährlich zu versammeln.
Artikel 9.
[1] Der Landtag kann sich selbst auflösen. Zu diesem Beschluß
ist die Anwesenheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der
Abgeordneten erforderlich. Sind diese zwei Drittel nicht anwesend,
so wird in der nächsten Sitzung abgestimmt, auch wenn weniger als
zwei Drittel anwesend sind.
[2] Der Landtag kann auf Volksbegehren oder auf Antrag des Gesamtministeriums durch
Volksentscheid ausgelöst werden.
Artikel 10.
[1] Der Landtag wählt seine Präsidenten, dessen Stellvertreter und seine
Schriftführer.
[2] Er gibt sich seine Geschäftsordnung.
Artikel 11.
Zwischen zwei Wahlperioden führen der Präsident des letzten
Landtags und seine Stellvertreter die Geschäfte fort.
Artikel 12.
[1] Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im
Landtagsgebäude aus.
[2] Ihm untersteht die Hausverwaltung, er verfügt über die Einnahmen und Ausgaben
des Landtags nach dem Staatshaushalte und vertritt den Staat in allen Rechtsgeschäften
und Rechtsstreitigkeiten der Verwaltung des Landtags.
[3] Die dauernd angestellten Landtagsbeamten sind Staatsbeamte.
Artikel 13.
[1] Der Landtag verhandelt öffentlich.
[2] Die Regierung oder 10 Mitglieder können beantragen, die Oeffentlichkeit
auszuschließen. Ueber diese Anträge wird in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt.
Artikel 14.
[1] Zu einem Beschlusse des Landtags ist einfache Stimmenmehrheit
erforderlich, wenn die Verfassung nicht ein andres Stimmenverhältnis vorschreibt. Für
die vom Landtag vorzunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.
[2] Der Landtag ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Zahl
der Abgeordneten anwesend ist. Die Beschlüsse sind gültig, wenn nicht vor der
Abstimmung die Beschlußunfähigkeit festgestellt worden ist.
Artikel 15.
Der Landtag verkehrt mit den Staatsbehörden durch den Ministerptäsidenten.
Artikel 16.
[1] Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit der
Mitglieder des Gesamtministeriums und der obersten Rechnungsprüfungsbehörde verlangen.
[2] Die Mitglieder des Gesamtministeriums und ihre Beauftragten haben zu den
Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt. Die Beauftragten müssen während
der Beratung, die Mitglieder des Gesamtministeriums auch außerhalb der Tagesordnung
gehört werden.
[3] Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden.
Artikel 17.
Auf Verlangen der Regierung muß jede Vorlage und jeder im Landtag
gestellte Antrag durch einen Ausschuß vorberaten und schriftlicher Bericht darüber
erstattet werden.
Artikel 18.
Soweit die Geschäftsordnung des Landtags den Vertretern der
Regierung Rechte einräumt, dürfen die Vorschriften nur nach Vernehmen mit dem
Gesamtministerium abgeändert werden.
Artikel 19.
Auf Anfragen hat die Regierung binnen angemessener Frist im
Landtage zu antworten, wenn das Gesamtministerium nicht erklärt, daß die Beantwortung
dem Gemeinwohl widerspreche.
Artikel 20.
Ueber Anträge und Gesetzesvorschläge, die ein Angeordneter bei dem Landtage
eingebracht hat, ist die allgemeine Beratung zu eröffnen, wenn zehn Abgeordnete es
verlangen.
Artikel 21.
[1] Der Landtag hat das Recht und auf Antrag eines Fünftels der
gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.
Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder
die Antragsteller für erforderlich erachten. Die Oeffentlichkeit kann vom
Untersuchungsausschuß mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Die
Geschäftsordnung regelt das Verfahren des Ausschlusses und bestimmt die Zahl seiner
Mitglieder.
[2] Die Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser
Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten; die Akten der Behörden sind ihnen auf
Verlangen vorzulegen.
[3] Auf die Erhebungen dieser Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden
finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß Anwendung, doch bleibt das
Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis unberührt.
Artikel 22.
Der Landtag kann nach Vernehmen mit dem Ministerpräsidenten
beschließen, daß zur Vorbereitung von Beratungsgegenständen auch während der Vertagung
Ausschüsse zusammentreten (Sonderausschüsse) und daß die Untersuchungsausschüsse auch
während der Vertagung in Tätigkeit bleiben. Den Zusammentritt dieser Ausschüsse
bestimmt ihr Vorsitzender nach Vernehmen mit dem Ministerpräsidenten.
Artikel 23.
Zur Wahrung seiner Rechte gegenüber der Regierung hat der
Landtag, wenn er sich vertagt, einen Ausschuß (Zwischenausschuß) einzusetzen, dessen
Vorsitzender nach Vernehmen mit dem Ministerpräsidenten die Mitglieder einberuft.
Artikel 24.
Die Abgeordneten haben für die Dauer des Landtags Anspruch auf
unentgeltliche Benutzung der staatlichen Verkehrsmittel und erhalten
Aufwandsentschädigungen nach Landesgesetz.
III. Die Regierung.
Artikel 25.
[1] Die Regierung wird vom Gesamtministerium, der obersten
Staatsbehörde, geführt. Den Vorsitz hat der Ministerpräsident, der die Geschäfte nach
einer vom Gesamtministerium beschlossenen Geschäftsordnung leitet.
[2] Das Gesamtministerium faßt seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Bei
Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
Artikel 26.
[1] Der Ministerpräsident wird vom Landtag bei Anwesenheit von
zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten gewählt. Sind bei der Abstimmung
nicht zwei Drittel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten anwesend, so ist die Wahl in der
nächsten Sitzung ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden vorzunehmen. Gewählt ist,
wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat.
[2] Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die übrigen Mitglieder des
Gesamtministeriums und bestimmt einen Minister als seinen Stellvertreter.
[3] Nach jeder Neuwahl des Landtags ist das Gesamtministerium neu zu bilden.
Artikel 27.
[1] Die Mitglieder des Gesamtministeriums bedürfen zu ihrer
Amtsführung des Vertrauens des Landtags.
[2] Jeder Minister muß zurücktreten, wenn der Landtag durch ausdrücklichen
Beschluß, den die Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten faßt, ihm das
Vertrauen zu entzieht oder seinen Rücktritt fordert. Hierauf gerichtete Anträge sind auf
die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen.
[3] Hat das Gesamtministerium die Herbeiführung eines Volksentscheids beschlossen
und diesen Beschluß dem Landtag mitgeteilt, so kann bis zur Volksabstimmung der
Rücktritt des Gesamtministeriums oder einzelner Minister nicht verlangt, noch beschlossen
werden, ihnen das Vertrauen zu entziehen.
[4] Jeder Minister kann jederzeit seine Entlassung fordern.
Tritt der Ministerpräsident zurück, so ist das Gesamtministerium neu zu bilden. Bis zur
Neubildung führen die bisherigen Minister die Geschäfte weiter.
Artikel 28.
Der Ministerpräsident vertritt den Staat nach außen.
Staatsverträge, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen, bedürfen der
Zustimmung des Landtags.
Artikel 29.
[1] Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Politik
und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister
den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbständig und unter eigener Verantwortung.
[2] Zahl und Namen der Ministerien werden durch das Haushaltsgesetz bestimmt.
[3] Ministerpräsident und Minister schwören bei ihrem Amtsantritt Treue der
Landesverfassung. Der Ministerpräsident leitet den Eid vor dem Landtag.
Artikel 30.
[1] Ueber die Verteilung der Geschäfte beschließt das
Gesamtministerium.
[2] Die Ministerien haben dem Gesamtministerium alle Gesetzentwürfe, ferner
Angelegenheiten, für welche Verfassung und Gesetz dies vorschreiben, sowie
Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Ministerien
berühren, zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen.
[3] Das Gesamtministerium ist befugt, die Entscheidung über Angelegenheiten aus
dem Geschäftsbereiche einzelner Minister an sich zu ziehen, sofern sie von allgemeiner
politischer Bedeutung sind.
Artikel 31.
[1] Das Gesamtministerium beschließt über die Ernennung und
Entlassung der Beamten auf Vorschlag der zuständigen Ministerien.
[2] Das Gesamtministerium hat in strafrechtlichen Fällen, einschließlich der
Fälle des Dienststrafrechts, das Recht der Niederschlagung sowie der Verwandlung, der
Minderung oder des Erlasses der Strafe.
[3] Es kann diese Befugnisse auf einzelne Ministerien und mit ihrer Zustimmung auf
ihnen unterstellte Behörden übertragen.
[4] Allgemeine Begnadigungen bedürfen eines Gesetzes.
Artikel 32.
[1] Die zuständigen Ministerien führen die Gesetze, die
Reichsverordnungen und die Beschlüsse des Landtags aus.
[2] Sie erlassen Ausführungsverordnungen und die Verordnungen, zu denen sie nach
Gesetz oder Gewohnheitsrecht ermächtigt sind.
Artikel 33.
[1] Die Mitglieder des Gesamtministeriums dürfen ohne Zustimmung
des Landtags keine andre mit Entgelt oder Entschädigung verbundene Tätigkeit, keinen
besonderen Beruf oder ein Gewerbe ausüben, insbesondere nicht Mitglied des Vorstandes,
Verwaltungs- oder Aufsichtsrats einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft sein, sofern
damit der Bezug einer Tantieme oder sonstigen Vergütung verbunden ist. Ausgenommen sind
Ehrenämter, auch wenn für sie eine Aufwandsentschädigung gewährt wird.
[2] Die Zustimmung des Landtags ist widerruflich.
IV. Die Gesetzgebung.
Artikel 34.
Gesetzentwürfe werden vom Gesamtministerium bei dem Landtage
eingebracht oder vom Landtage dem Gesamtministerium überwiesen. Den überwiesenen Entwurf
hat das
Gesamtministerium zu prüfen und unverändert oder abgeändert
dem Landtage zur endgültigen Beschlußfassung wieder vorzulegen.
Artikel 35.
[1] Hat das Gesamtministerium Bedenken, ein vom Landtag
beschlossenes Gesetz auszufertigen und zu verkünden, so kann es unter Angabe der Gründe
das Gesetz dem Landtage binnen vierzehn Tagen zurückgeben. Der Landtag beschließt über
das Gesetz noch einmal.
[2] Beharrt der Landtag bei dem Gesetz, so kann das Gesamtministerium innerhalb
Monatsfrist den Volksentscheid über das Gesetz herbeiführen.
Artikel 36.
[1] Wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten der letzten
Landtagswahl ein Gesetz oder die Auflösung des Landtags begehrt, so muß das
Gesamtministerium den Volksentscheid herbeiführen.
[2] Verlangt das Volksbegehren ein Gesetz, so muß ihm ein Gesetzentwurf mit
Begründung beigefügt sein.
[3] Das Gesamtministerium hat das Volksbegehren mit seinen Vorschlägen dem
Landtage zu unterbreiten. Der Volksentscheid findet nicht statt, wenn der Landtag dem
Volksbegehren stattgibt.
Artikel 37.
Ueber den Staatshaushaltsplan, Abgabengesetze und
Besoldungsordnungen findet kein Volksbegehren statt.
Artikel 38.
[1] Bei einem Volksentscheid wird über die gestellte Frage mit
"Ja" oder "Nein" abgestimmt.
[2] Zu einem Volksentscheid ist die Beteiligung der Hälfte der Stimmberechtigten
und die Mehrheit der Abstimmenden erforderlich. Werden diese Mehrheiten nicht erreicht, so
gilt die Frage als verneint.
[3] Das Verfahren über Volksentscheid und Volksbegehren regelt ein besonderes
Gesetz.[1]
Artikel 39.
[1] Das Gesamtministerium hat die verfassungsmäßig beschlossenen
Gesetze auszufertigen und binnen Monatsfrist im Sächsischen Gesetzblatte zu verkünden,
sofern der Landtag nicht die sofortige Verkündung beschließt.
[2] Gibt das Gesamtministerium das Gesetz dem Landtage zur erneuten
Beschlußfassung zurück oder führt es über das vom Landtage in abermaliger Beratung
bestätigte Gesetz den Volksentscheid herbei so läuft die Frist erst von der endgültigen
Annahme des Gesetzes.
[3] Die Gesetze treten, soweit sie nichts andres bestimmen, mit dem vierzehnten
Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Sächsische Gesetzblatt in der
Landeshauptstadt ausgegeben worden ist.
Artikel 40.
[1] Solange der Landtag nicht versammelt ist, kann das
Gesamtministerium eine durch das Staatswohl dringend gebotene Anordnung, die ihrer Art
nach der Zustimmung des Landtags bedarf, als Notverordnung erlassen, wenn ihr Zweck durch
Verzögerung vereitelt würde. Den Zwischenausschuß soll die Regierung, wenn es möglich
ist, vorher hören. Die Verfassung und das Landtagswahlgesetz können durch Notverordnung
nicht geändert werden.
[2] Die Notverordnung ist dem Landtage bei seinem nächsten Zusammentreten zur
Genehmigung vorzulegen. Sie ist sofort aufzuheben, wenn die Genehmigung verweigert wird.
Artikel 41.
Beschlüsse des Landtags, die eine Verfassungsänderung in sich
schließen, kommen nur zustande, wenn zwei Drittel der gesetzlichen Zahl der Angeordneten
anwesend sind und zwei Drittel der Anwesenden zustimmen.
V. Das Finanzwesen.
Artikel 42.
[1] Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen für jedes
Rechnungsjahr veranschlagt und in einen Haushaltsplan eingestellt werden, soweit nicht
durch Gesetz Ausnahmen zugelassen sind.
[2] Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch ein Gesetz
festgestellt.
[3] Die Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr bewilligt, sie können in
besonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden. Im übrigen sind
Vorschriften im Haushaltsgesetz unzulässig, die über das Rechnungsjahr hinausreichen
oder sich nicht auf die Einnahmen und Ausgaben des Staates oder ihrer Verwaltung beziehen.
Artikel 43.
Beschlüsse des Landtags, durch die die Ausgaben des
Haushaltsplanes erhöht oder neue Ausgaben eingestellt werden, sind auf Antrag des
Gesamtministeriums zu wiederholen. Der erneute Beschluß darf ohne Zustimmung des
Gesamtministeriums nicht vor Ablauf von vierzehn Tagen gefaßt werden.
Artikel 44.
Ist vor Ablauf des Rechnungsjahres das Gesetz über den neuen
Staatshaushalt nicht verabschiedet worden, so ist bis zum Inkrafttreten des Gesetzes das
Gesamtministerium ermächtigt, die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Staates zu
erfüllen, die Verwaltung fortzuführen und zu diesem Zwecke die nötigen Ausgaben zu
leisten, die bisherigen Steuern und Abgaben weiter zu erheben und kurzfristige Darlehen
aufzunehmen.
Artikel 45.
Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem
Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden. Eine
solche Beschaffung sowie die Uebernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten des Staates
dürfen nur mit Zustimmung des Landtags erfolgen.
Artikel 46.
[1] Erfordern unvorhergesehene dringende Umstände schleunige
finanzielle Maßnahmen, zu denen die Zustimmung des Landtags nicht rechtzeitig eingeholt
werden kann, so kann das Gesamtministerium die zur Deckung des Bedarfs unumgänglichen
Maßnahmen anordnen und nötigenfalls auch ein kurzfristiges Darlehen aufnehmen. Den
Zwischenausschuß soll die Regierung, wenn es möglich ist, vorher hören. Eine
Veräußerung oder Verpfändung von Staatsvermögen darf hierbei nicht erfolgen.
[2] Die getroffenen Maßnahmen sind dem Landtage sobald als möglich, spätestens
beim nächsten Zusammentreten zur verfassungsmäßigen Genehmigung vorzulegen; auch ist
ihm die Verwendung der aufgenommenen Summen nachzuweisen.
Artikel 47.
[1] Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben
bedürfen der vorherigen Zustimmung des Finanzministers. Sie darf nur im Falle eines
unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.
[2] Beamte, die ohne diese Zustimmung eine Zahlung über den Haushaltsplan hinaus
anweisen, machen sich der Staatskasse gegenüber persönlich haftbar.
Artikel 48.
[1] Ueber die Einnahmen und Ausgaben des Staates ist dem Landtage im
folgenden Rechnungsjahre zur Entlastung der Regierung Rechnung zu legen.
[2] Die Rechnungen werden durch eine unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Behörde
geprüft, die ihre Prüfungsbemerkungen und Vorschläge unmittelbar dem Landtage vorlegt
und bei den Beratungen des Ausschusses durch eines ihrer Mitglieder erläutern lassen
kann.
[3] Näheres wird durch Gesetz geregelt.
VI. Schluß- und Uebergangsbestimmungen.
Artikel 49.
Das Verhältnis des Staates zu den Gemeinden und den sonstigen
Verbänden mit Selbstverwaltungsrecht wird durch besondere Gesetze geregelt.
Artikel 50.
[1] Die Regierung übt die staatliche Aufsicht über die
Religionsgesellschaften nach den Landesgesetzen aus.
[2] Die Rechte öffentlicher Körperschaften werden den Religionsgesellschaften vom
Gesamtministerium verliehen.
Artikel 51.
Die öffentlich-rechtlichen Sonderrechte der Häuser Schönburg und
Solms-Wildenfels werden aufgehoben.
Artikel 52.
[1] Die öffentlich-rechtlichen Sonderrechte, die durch die
Provinzial-Landtagsverfassung in der Oberlausitz und durch die Kreistagsverfassung in den
alten Erblanden begründet sind, werden aufgehoben. Die Verwaltung der Zweckvermögen
dieser Verbände wird durch Gesetz geregelt. Bis dahin bleibt sie bei dem bisherigen
Organe.
[2] Die öffentlich-rechtlichen Sonderrechte der Oberlausitzer Standesherrschaften
und Rittergüter werden aufgehoben.
Artikel 53.
[1] Die Verfassungsurkunde
vom 4. September 1831, das vorläufige Grundgesetz vom 28. Februar 1919 (G. V. Bl. S.
37) und die Volkskammerordnung vom 11. Februar 1920 (G. V. Bl. S. 21) werden aufgehoben.
[2] Die Vorschriften der Verfassungsurkunde
vom 4. September 1831 über das Staatsgut und das Vermögen des königlichen Hauses
(§§ 16 bis 21, 108)
bleiben bis zum Inkrafttreten der Auseinandersetzung mit dem vormaligen königlichen Hause
in Wirksamkeit, soweit sie nicht durch die Beseitigung der Monarchie hinfällig geworden
sind.
Artikel 54.
[1] Die Gesetze und Verordnungen bleiben in Kraft, soweit ihnen
diese Verfassung nicht entgegensteht.
[2] Anordnungen der Behörden, die auf Grund bisheriger Gesetze rechtsgültiger
Weise getroffen worden sind, behalten ihre Gültigkeit bis zur Aufhebung im Wege
anderweiter Anordnung oder Gesetzgebung.
Artikel 55.
[1] Soweit in Gesetzen oder Verordnungen auf Vorschriften und
Einrichtungen verwiesen ist, die durch diese Verfassung aufgehoben sind, treten an ihre
Stelle die Vorschriften und Einrichtung dieser Verfassung. Insbesondere tritt an die
Stelle der Volkskammer der Landtag.
[2] Bis zum Zusammentritt des ersten Landtags gilt die Volkskammer als Landtag.
Artikel 56.
Diese Verfassung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft.
Dresden, am 1. November 1920.
Das Gesamtministerium.
Buck |
Ministerpräsident.
|
|