Ausführungsbestimmungen des Reichswehrminister zu § 2 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 30. Mai 1920, betreffend Zusammensetzung der Anklagebehörden (Reichs-Gesetzbl. S. 1147).

Vom 30. Mai 1920.


I

  An den Sitzen der Reichswehrgruppenkommandos sind außerordentliche Gerichte zu bilden. Sie bestehen aus fünf ständigen Mitgliedern, von denen der Vorsitzende sowie zwei Beisitzer zum Richteramte befähigte Zivilpersonen sein und zwei dem Soldatenstande angehören müssen.
  Der Vorsitzende und die beiden Zivilrichter werden vom Oberbefehlshaber des Reichswehrgruppenkommandos nach Anhörung des am Standort befindlichen Oberlandesgerichtspräsidenten ernannt.
  Von den Personen des Soldatenstandes muß der eine mindestens im Range eines Hauptmanns, der andere in dem eines Unteroffiziers oder Gemeinen stehen. Sie werden vom Oberbefehlshaber des Reichswehrgruppenkommandos ernannt.
  Für jedes ordentliche Mitglied ist in gleicher Weise je ein Stellvertreter zu bestimmen. Ist sowohl das ordentliche Mitglied sowie auch der Stellvertreter an der Ausübung des Richteramtes verhindert, erfolgt die Ernennung für den einzelnen Fall.
  Über Zusammensetzung und Tätigkeit der Anklagebehörde ergeht besondere Verfügung.

II

  Die außerordentlichen Gerichte sind zuständig für die im § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten bezeichneten Straftaten.

III

  Auf das Verfahren vor den außerordentlichen Gerichten finden die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung Anwendung mit folgenden Maßnahmen:
  Die Frist des § 216 der Strafprozeßordnung wird auf 24 Stunden festgesetzt; sie läuft von der Stunde der Mitteilung der Anklageschrift an. Nach dem Ermessen der Anklagebehörde kann von einer schriftlichen Anklage abgesehen werden. Geschieht dies, so hat der Vertreter der Anklage in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Tatsachen vorzutragen. Auf die Verhandlung findet § 244 Abs. 2 der Strafprozeßordnung Anwendung. Gegen das Urteil ist kein Rechtsmittel zulässig. Über Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens entscheidet das im ordentlichen Verfahren zuständige Gericht. Die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten findet auch dann statt, wenn Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die es notwendig erscheinen lassen, die Sache im ordentlichen Verfahren nachzuprüfen. Die Vorschrift des § 403 der Strafprozeßordnung bleibt unberührt. Ist der Antrag auf Wiederaufnahme begründet, so ist die Hauptverhandlung vor dem zuständigen ordentlichen Gericht anzuordnen.


  Berlin, den 30. Mai 1920.

Der Reichswehrminister
Dr. Geßler

 

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Quelle: Reichs-Gesetzblatt 1920, S. 1148-1149.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Ausführungsbestimmungen des Reichswehrminister zu § 2 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 30. Mai 1920, betreffend Zusammensetzung der Anklagebehörden (30.05.1920), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/1920/anklagebehoerden-zusammensetzung_bst.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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