[Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl 2002]

Vierjahresprogramm 2002 - 2006

vom 25. März 2002[1]


Präambel
8 für 8: Sie haben die Wahl
5
6

1. Ökologische Modernisierung

7
1.1. Lebenswerte Umwelt 7
Klima schützen: Weg von Öl, Kohle und Atom hin zu Sonne und Wind 8
Umwelt schafft Arbeit 8
Ein Land für die Sonne: Erneuerbare Energien fördern - AKWs abschalten 9
Verkehrswende: Für eine neue Verkehrspolitik ist es höchste Eisenbahn 9
Ökologische Finanzreform: die ökologische Marktwirtschaft durchsetzen 10
Natur- und Landschaftsschutz
Die Wälder schützen
Elektrosmog minimieren
11
11
12
Müll vermeiden - Mehrwegquote erhöhen 12
Internationale Umweltpolitik 12
1.2. Wirksamer Verbraucherschutz, Gesunde Ernährung 12
Politik mit dem Einkaufskorb 13
Verbraucherrechte stärken: Wissen, was drin ist 13
Die neue Landwirtschaft: gesunde und sichere Lebensmittel 13
Die Bäuerinnen und Bauern stärken
Agrarsubventionen reformieren
Tiere schützen
14
14
15
Die neue Landwirtschaft: den Welthunger bekämpfen 15

2. Soziale und wirtschaftliche Erneuerung

16
2.1. Mehr Arbeitplätze, Soziale Sicherheit, Wirtschaftliche Erneuerung 16
Umwelt schafft Arbeit 17
Neue Instrumente in der Arbeitsmarktpolitik 17
Soziale Grundsicherung einführen 18
Privathaushalte und kleine und mittlere Unternehmen entlasten 18
Kleine und mittlere Unternehmen fördern - Kultur der Selbständigkeit stärken 19
Lohnnebenkosten senken - Sozialversicherungen weiterentwickeln 19
Das Gesundheitssystem zukunftsfähig gestalten 19
Haushalt konsolidieren und in die Zukunft investieren 20
Die Kommunen stärken
Die Finanzen neu ordnen
Fairer Steuerwettbewerb in Europa
20
21
21
2.2. Kinderfreundliches Land 21
Kinder haben Rechte 21
Pluralität der Lebensentwürfe: Auf die Kinder kommt es an 21
Vereinbarkeit von Kindern und Beruf verbessern - Kinderbetreuung flächendeckend ausbauen 22
Kinderbetreuung aufwerten, Bildungsauftrag ernst nehmen 22
Konsequenzen aus der PISA-Studie ziehen 22
Kinderarmut bekämpfen - Kindergrundsicherung schaffen 23
Leistungen für Kinder bündeln, Kinderkasse einführen 23
Unser Land braucht einen Kindergipfel 23
2.3. Gute Bildung, Verantwortliche Forschung, Lebendige Kultur 24
Grundlagen unserer Bildungspolitik
Lebensbegleitendes Lernen
Qualität der Hochschulen verbessern
Wissenschaft als Beruf
24
24
25
25
Mehr Geld für Bildung und Forschung 25
Aktive Forschungspolitik für Mensch und Umwelt 26
Kultur ist das Lebenselixier der Gesellschaft 28
2.4. Selbstbewusstes Ostdeutschland 27
Vom Osten lernen 27
Für ein solidarisches Gesamtdeutschland 27
Arbeitsplätze für Ostdeutschland 27
Die boomende Umweltbranche für Ostdeutschland nutzen 28
Forschungs- und Bildungsschwerpunkt Ostdeutschland 28
Eine Perspektive für die Jugend 28
Für Toleranz und demokratisches Miteinander 28
Chancen der Osterweiterung 29

3. Gesellschaftliche Demokratisierung

30
3.1. Lebendige Demokratie 30
Einwanderungsland Deutschland gestalten 30
Bürgerrechte ausbauen
Diskriminierung beseitigen
Freiheit und Sicherheit
31
33
33
3.2. Die Hälfte der Macht den Frauen 34
Chancengleichheit und Karriere
Frauen und Gesundheit
35
35
Schwangerschaftsabbruch - Frauen in Zwangslagen 36
Fortpflanzungsmedizin 36
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe 36
Frauenrechte sind Menschenrechte 37

4. Gerechte Globalisierung und Europäische Demokratie

38
4.1. Gerechte Globalisierung 39
Ökologische Modernisierung und weltweite Agrarwende 39
Mehr Geld aus dem Norden - mehr politische Beteiligung für den Süden 40
Entwicklung braucht Entschuldung 40
Fairer Handel - Entwicklungszusammenarbeit stärken 41
4.2. Europäische Demokratie 41
Die europäische Integration vertiefen 41
Erweiterung vorantreiben 42
Europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik festigen 42
Südosteuropa stabilisieren 42
4.3. Dauerhafter Frieden 42
Die Vereinten Nationen stärken 43
Bundeswehr verändern - die Wehrpflicht beenden 43
Abrüstung nutzen 43




Präambel

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind die Partei der ökologischen Modernisierung, der sozialen und wirtschaftlichen Erneuerung und des gesellschaftliche Demokratisierung. Wir sind die Partei der gerechten Globalisierung und der europäischen Demokratie. Wir haben seit unserer Gründung viel Bewegung in unser Land gebracht. Wir haben ökologische Verantwortung und den Gedanken der Nachhaltigkeit in der Gesellschaft verankert. Unsere Gesellschaft ist weltoffener, unsere Demokratie ist lebendiger und Bürgerrechte sind gestärkt worden. Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern hat durch uns deutliche Fortschritte erlebt. Mit der Regierungsbeteiligung 1998 haben wir Verantwortung übernommen und konnten den Reformstau der Regierung Kohl in vielen Punkten auflösen: Atomausstieg, Energiewende und Klimaschutz, Einstieg in die Neue Landwirtschaft, Stärkung der Verbraucherrechte, das neue Staatsbürgerschaftsrecht, die internationale Stärkung der Menschenrechte, die eingetragenen Partnerschaften für Schwule und Lesben, Haushaltskonsolidierung, Kindergelderhöhung und Rentenreform. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren der Reformmotor der letzten vier Jahre.

Ökologie, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Demokratie sind unsere Grundwerte. Wir treten ein für Menschenrechte und unser Ziel der Gewaltfreiheit. Der Wert der Ökologie verpflichtet uns zur nachhaltigen Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen. Selbstbestimmt ist eine Gesellschaft, in der die Menschen eine konkrete Chance haben, ihr Leben selbst zu gestalten - frei von Bevormundung. Als eine dem Wert der Gerechtigkeit verpflichtete Partei kämpfen wir für die sozialen Rechte der Schwächsten und eine gerechte Verteilung der gesellschaftlichen Güter. Unsere Vorstellung von erweiterter Gerechtigkeit geht allerdings über traditionelle Verteilungspolitik hinaus. Grüne Politik steht auch für Teilhabe an Arbeit, Bildung und Demokratie, für Generationengerechtigkeit, für Geschlechtergerechtigkeit und für Internationale Gerechtigkeit. Der Wert der Demokratie steht für starke Bürgerrechte, ein demokratisches Europa und die Stärkung der Parlamente.

Bei der nächsten Bundestagswahl entscheiden sie über die Grundausrichtung der Politik und ihres kulturellen Hintergrunds. Stoiber und die Union stehen für ein Deutschlandbild der "deutschen Leitkultur". In der Gesellschaftspolitik dominiert das klassische Rollenverständnis von Mann und Frau und die Familienpolitik der Union wird der Pluralität der verschiedenen Lebensformen nicht gerecht. Politik hat bei Stoiber ein Element der Ausgrenzung aller, die nicht der selbst definierten Norm entsprechen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen dem eine Haltung der Weltoffenheit, der multikulturellen Demokratie, der Pluralität, der Geschlechtergerechtigkeit und der Toleranz gegenüber. Soziale Fragen wollen wir gemeinsam lösen. Sie gehen uns alle an. Eine Politik der Ausgrenzung und der neoliberalen Diskriminierung sozial Schwacher ist mit unserem Gerechtigkeitsempfinden nicht vereinbar. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für Integration.


8 für 8: Sie haben die Wahl
Am 22. September 2002 entscheiden Sie darüber, ob ökologische und soziale Modernisierungspolitik in Deutschland fortgesetzt wird. Wir wollen mehr als 8 Prozent der Stimmen erreichen und damit die Richtung der Modernisierung in Deutschland grün bestimmen. 8 Punkte stehen im Zentrum unserer Politik für die nächste Legislaturperiode:
  • Weg vom Öl und raus aus der Atomkraft durch Energie aus Sonne und Wind
  • Gesundes Essen durch Verbraucherschutz und Neue Landwirtschaft
  • Besseres Leben für Kinder durch die Kindergrundsicherung gegen die Kinderarmut und bessere Kinderbetreuung
  • Mehr Arbeitsplätze durch Ökologisches Wirtschaften, durch eine Reform der sozialen Sicherungssysteme und durch eine neue Arbeitsmarktpolitik
  • Das Einwanderungsland gestalten, Integration fördern und Bürgerrechte sichern
  • Die Hälfte der Macht für Frauen
  • Gerechte Globalisierung durch einen weltweiten ökologischen und sozialen Rahmen
  • Stärkung der europäischen Demokratie


Sie entscheiden mit Ihrer Stimme!

Die Bundestagswahl 2002 wird nicht zwischen SPD und CDU entschieden. Keine der großen Parteien wird unser Land allein regieren. Wir stehen dafür, dass

soziale und ökologische Politik fortgesetzt wird und dass nicht schwarzer Rückschritt und gelbe Rücksichtslosigkeit unser Land regieren. Grün kämpft dafür, dass Erneuerung statt großkoalitionärem Stillstand unser Land prägt. Grün kämpft dafür, dass sich Gerechtigkeit statt neoliberaler Ellbogenpolitik durchsetzt. Wer die strukturkonservative PDS wählt, stärkt in Wahrheit Stoiber und schwächt damit ökologische und soziale Modernisierungspolitik. Wir kämpfen für eine deutliche Stärkung des grünen Gewichts und wollen die erfolgreiche rot-grüne Politik fortsetzen. Mit einer Politik der ökologischen, sozialen und demokratischen Erneuerung haben wir in der Koalition der Modernisierung eine Richtung gegeben. Nur eine Stimme für die GRÜNEN schützt unser Land vor CDU/CSU und FDP.

Sie haben die Wahl.



1. Ökologische Modernisierung
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind die Partei der Ökologie. Seit unserer Gründung 1980 haben wir gemeinsam mit der Ökologiebewegung den Umweltgedanken in der Gesellschaft verankert. Durch die rot-grüne Regierung seit 1998 haben wir die ökologische Modernisierung entscheidend voran gebracht: Wir haben wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen. Der Atomausstieg und die weltweit beispielhafte Förderung erneuerbarer Energien öffnet den Weg in das solare Zeitalter. Die neue Landwirtschaft sorgt für gesunde und sichere Nahrungsmittel. Das neue Naturschutzgesetz beendet den 20-jährigen Stillstand auf Bundesebene.

Ökologie gehört zu unseren Grundwerten. Wir orientieren uns am Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung, wie es 1992 von den Vereinten Nationen auf dem Umweltgipfel in Rio definiert wurde. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN denken wirtschaftliche, soziale und ökologische Belange zusammen. Eine Politik, die den Schutz der Umwelt als nachrangig ansieht und wirtschaftlichen und sozialen Zielen unterordnet, ist nicht nur ökologisch falsch, sondern auch ökonomisch und sozial kurzsichtig. Unsere Politik der Nachhaltigkeit beugt internationalen Konflikten um die Ressourcen unserer Erde vor.

Es gibt viel zu tun. Wir verteidigen die Belange der Umwelt und das Recht kommender Generationen auf eine lebenswerte Welt konsequent gegen andere Interessen. Nur mit einer starken ökologischen Partei wird Deutschland zukunftstauglich: Ohne uns gibt es keine Strategie weg von Öl, Kohle und Atom, hin zur Sonne und zur Energieeinsparung. Ohne uns gibt es keinen Weg aus der BSE-Krise hin zu einer neuen Landwirtschaft und zu einem konsequenten Tierschutz. Wir können unsere Umwelt nicht durch ein Zurück bewahren, sondern nur, indem wir die heutigen Industriegesellschaften nachhaltig verändern. Ökologische Modernisierung und ökonomische Vernunft sind keine Widersprüche - im Gegenteil: Umweltschutz schafft zusätzliche und dauerhaft sichere Arbeitsplätze.

Am 22. September 2002 entscheiden Sie: Entweder es gibt einen Rückfall in die alte Politik der ökologischen Blindheit. Oder Sie stärken mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine konsequente Politik der ökologischen Modernisierung.


1.1. Lebenswerte Umwelt
Umwelt- und Naturschutz steht im Mittelpunkt einer verantwortlichen Politik für mehr Lebensqualität, Generationengerechtigkeit und den Erhalt unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Wir orientieren uns am Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung, wie es von den Vereinten Nationen definiert wurde. Für eine nachhaltige Entwicklung unseres Landes braucht es Anstrengungen in allen Politikfeldern. Der Umsetzung der von der Bundesregierung erarbeiteten nationalen Nachhaltigkeitsstrategie kommt dabei besondere Bedeutung zu. Hierzu bedarf es klarer Indikatoren und messbarer Ziele: Der Verbrauch natürlicher Ressourcen muss gesenkt werden. Umweltfreundliches Verhalten wollen wir durch bessere Information, Umweltaudits und ökonomische Anreize für mehr ökologische Effizienz erleichtern.

Klima schützen:Weg von Öl,Kohle und Atom hin zu Sonne und Wind
Klimaschutz ist die größte umweltpolitische Herausforderung unserer Zeit. Der durch den Treibhauseffekt ausgelöste Klimawandel hat begonnen: Der Temperaturanstieg ist messbar; der Meeresspiegel steigt, Wüsten breiten sich aus, Gletscher schmelzen ab, Wirbelstürme und Überschwemmungen nehmen weltweit an Zahl und Heftigkeit zu. Entschlossenes Handeln ist national und international gefragt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen dafür, dass das nationale Klimaschutzziel von 25 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2005 gegenüber den Werten von 1990 weiter umgesetzt und fortentwickelt wird. Im Rahmen der EU hat sich Deutschland verpflichtet, seine Emissionen bei allen relevanten Treibhausgasen bis 2012 um 21 Prozent zu reduzieren. Wir sind von diesem Ziel nur noch ganze 2,3 Prozent entfernt. Dennoch braucht der Klimaschutz weitere intensive Anstrengungen. Deshalb werden wir das nationale Klimaschutzprogramm weiterentwickeln und die Grundlage für die weitere Absenkung der Gase, die den Treibhauseffekt verursachen, auch nach 2012 legen. Auf EU-Ebene werden wir uns aktiv an der Ausgestaltung der Emissionshandelsrichtlinie beteiligen und den Emissionshandel in Deutschland einführen.

Der internationale Klimaschutz hört nicht 2012 auf. Für die nächste Verpflichtung des Kyoto-Protokolls sind weitere deutliche Minderungen der klimaschädlichen Emissionen nötig. Wir werden uns dafür einsetzen, dass besonders die Industriestaaten, aber auch die Schwellenländer ihren Beitrag dazu leisten. Die Europäische Union muss mit dem guten Beispiel einer anspruchsvollen Zielsetzung und wirksamer Instrumente vorangehen. Dafür werden wir uns in den 2005 beginnenden Verhandlungen einsetzen. Ziel muss es sein, dass Europa seinen Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent senkt. Wir wollen bis 2020 die CO2-Emissionen in Deutschland um 40 Prozent gegenüber 1990 senken. Nur mit einer Politik, die uns systematisch von Kohle und Öl unabhängig macht und aus der Atomkraft aussteigt, erreichen wir diese Klimaschutzziele. Unsere Alternative lautet: Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Wer unsere Lebensgrundlagen wirksam schützen will, darf nicht nur vom Klimaschutz reden, sondern muss auch handeln. Wir wollen den in dieser Legislaturperiode begonnenen Kurs der Energiewende, Verkehrswende und der ökologischer Finanzreform fortsetzen und weiterentwickeln.

Umwelt schafft Arbeit
Ökologie schafft wirtschaftliche Dynamik und Arbeitsplätze. Die Energiewende ist das Paradebeispiel für das, was wir unter ökologischer Modernisierung verstehen. Statt bestehende, umweltschädliche Strukturen fortzuführen, setzen wir auf innovative, umweltschonende Technologien. Das ist wirtschaftlich sinnvoll, weil es den Unternehmen internationale Wettbewerbsvorteile sichert. Das ist sozial, weil hunderttausende neue und zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Das ist ökologisch sinnvoll, weil wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten. Wir wollen die ökologischen Pioniermärkte weiterhin besetzen und ökologische Produkte auf dem Markt etablieren. So schreiben wir mit grünen Ideen schwarze Zahlen.

Ein Land für die Sonne:Erneuerbare Energien fördern - AKWs abschalten
Deutschland steht in den nächsten Jahren vor einem umfassenden Umbau in der Stromwirtschaft. Zwischen 1998 und 2002 haben wir die Grundlage dafür geschaffen, dass aus diesem Umbau eines nennenswerten Teils des heutigen Kraftwerksparks eine echte ökologische Modernisierung wird. Im Rahmen der Energiewende setzen wir auf den Dreiklang von Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien.

Durch die weltweit einmalige Förderung von Erneuerbaren Energien wie Sonne, Wasser, Wind und Biomasse nimmt Deutschland ökologisch und ökonomisch einen Spitzenplatz ein. Wir wollen die Förderinstrumente weiterentwikkeln. Zentral wird dabei die Inbetriebnahme der ersten Windparks im Offshore-Bereich sein. Durch die Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und des Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien wollen wir dafür sorgen, dass die Nutzung von Biomasse zur Energieerzeugung zu einer ähnlichen Erfolgsgeschichte wird, wie es heute die Windenergie ist. Durch die Nutzung von Biomasse kann zukünftig jeder Landwirt zum Energiewirt werden. Auch andere Formen Erneuerbarer Energien sollen schnell nutzbar gemacht werden.

Daneben setzen wir auf einen effizienten Energieverbrauch um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Dazu gehören Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, die Förderung von Energiesparmaßnahmen bei Neu- und Altbauten sowie Anreize für die Entwicklung neuer Technologien, etwa der Brennstoffzelle im Einfamilienhaus.

CDU/CSU und FDP wollen den eingeleiteten Atomausstieg rückgängig machen. Nur mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird der Ausstieg aus der Atomkraft konsequent umgesetzt. Nur mit uns werden ab 2003 die ersten Kraftwerke abgeschaltet. Nur mit den Grünen wird es den Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung 2005 geben. Nur mit uns wird der Stopp innerdeutscher Atomtransporte nach Ahaus und Gorleben umgesetzt und eine transparente Suche nach einem sicheren Endlager durchgeführt.

Verkehrswende: Für eine neue Verkehrspolitik ist es höchste Eisenbahn
Wir wollen das Mobilitätsbedürfnis der Menschen umwelt- und fahrgastfreundlich gestalten. Viele Menschen sind beruflich auf Mobilität angewiesen und wollen privat nicht auf die Freiheiten eines leistungsfähigen Verkehrssystems verzichten. Wir setzen auf die Kombination von Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und auf umweltschonende Antriebe für Autos.

Mit der Angleichung der Bundesmittel für Straßen- und Schienenbau haben wir einen wichtigen Schritt in Richtung Chancengleichheit für die Bahn getan. Für den Einsatz der Mittel muss gelten: Sanierung des Bestands bzw. Ausbau geht vor Neubau. Der Schutz der Umwelt, vor allem der wenigen noch unzerschnittenen Naturräume, muss bei allen Entscheidungen ein zentrales Kriterium sein. In diesem Sinn wollen wir den Bundesverkehrswegeplan überarbeiten und dabei die Bürgerbeteiligung stärken.

Wir erwarten von der Deutschen Bahn, dass sich die von uns durchgesetzte neue Prioritätensetzung zugunsten der Schiene in mehr Kundenfreundlichkeit und einem Bekenntnis zum Erhalt der Bahn auch in der Fläche niederschlägt. Die Bahn darf sich nicht nur als Verkehrssystem verstehen, das die großen Städte verbindet. Auf die Anbindung der Region kommt es an - sowohl beim Personen- als auch beim Güterverkehr. Wir wollen der Bahn Dampf machen und die Struktur so verändern, dass echter Wettbewerb auch auf der Schiene möglich wird. Durch die Einführung einer LKW-Maut wollen wir die Verlagerung von Gütertransporte auf die Bahn fördern und die Straßen entlasten. Zur Verbesserung der Wettbewerbsposition treten wir für den halben Mehrwertsteuersatz bei Bus und Bahn ein. Durch den behutsamen Ausbau der Donau haben wir gezeigt, dass sich die Verlagerung von Güterverkehr auf die Binnenschifffahrt im Einklang mit der Umwelt gestalten lässt. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Dabei gilt der Grundsatz, die Schiffe an die konkreten Transportbedürfnisse und an die Ökologie der Flüsse anzupassen und nicht umgekehrt.

In der nächsten Legislaturperiode legen wir einen Schwerpunkt auf die Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsträger und den intelligenten Verbund der verschiedenen Verkehrsmittel. Im Straßenverkehr wollen wir schärfere Abgasstandards, vor allem beim Diesel, und Abbau der Lärmbelastungen an Straße und Schiene durchsetzen. Für Diesel-Pkws muss wie für LKWs der Partikel-Filter die Regel werden. Die Fortschritte bei der Luftreinhaltung und bei der Senkung des Flottenverbrauchs z. B. durch die Durchsetzung des schwefelfreien Kraftstoffs wollen wir weiter ausbauen. Dazu gehört ein Aktionsprogramm zur Förderung des Drei-Liter-Autos. Neue technische Möglichkeiten wie Brennstoffzelle, Erdgas und Wasserstoff wollen wir zur Umweltentlastung optimal einsetzen. Mit der Umsetzung des in dieser Legislaturperiode erarbeiteten "Masterplan Fahrrad" wird die Stellung des Verkehrsmittels Fahrrad deutlich gestärkt werden. Durch eine Änderung der Straßenverkehrsordnung wollen wir Inline-Skatern eigenständige Rechte zuschreiben.

Zur Bekämpfung des Lärms an Straßen, Schienen und Flughäfen brauchen wir ein wirksames Flug- und Verkehrslärmgesetz sowie deutlich verschärfte rechtliche Vorgaben und verstärkte Programme zur Lärmsanierung, sowohl an den Verkehrswegen als auch an den Fahrzeugen. Vom öffentlich geförderten Verkehr auf Straße und Schiene erwarten wir, dass er die Lärmminderung durch den Einsatz der heute verfügbaren Technik schon vor neuen gesetzlichen Maßnahmen als seine Verpflichtung begreift. Wir setzen uns dafür ein, dass bei Ausschreibungen von Verkehrsleistungen ambitionierte Lärm- und Abgasstandards zwingend vorgegeben werden.

Ökologische Finanzreform: die ökologische Marktwirtschaft durchsetzen
Wer die Klimaschutzziele erreichen will, braucht die Ökologisierung unserer Marktwirtschaft. Deshalb halten wir am eingeschlagenen Weg der ökologisch-sozialen Modernisierung unseres Steuersystems fest. Wir wollen ein gerechteres Steuersystem, das vor allem kleine und mittlere Einkommen und Unternehmen entlastet. Daher werden wir 2003 und 2005 die Steuersätze nochmals deutlich senken. Auch die Lohnnebenkosten müssen weiter gesenkt werden. Gleichzeitig wollen wir durch eine ökologische Finanzreform Anreize für umweltschonendes Verhalten schaffen. Umweltschädliche Subventionen wie die Steuerfreiheit von Flugbenzin oder die Subventionierung der Kohle wollen wir abbauen. Subventionen in der Landwirtschaft wollen wir umlenken für naturnahe Produktion und artgerechte Tierhaltung. Den Marktzugang für umweltschonende Produkte werden wir noch stärker durch finanzielle Anreize fördern.

Die Ökosteuer wollen wir im Einklang mit den sozialen und ökonomischen Realitäten weiterentwickeln. Allen Anfeindungen zum Trotz ist das Prinzip richtig, den Faktor Umwelt zu belasten und den Faktor Arbeit zu entlasten. Die Ökosteuer hat schon jetzt über 100.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, entlastet die Rentenkasse allein im Jahr 2002 um 14 Milliarden Euro oder 1,5 Beitragspunkte und leistet durch die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 7.275 Millionen Tonnen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Auch in der nächsten Legislaturperiode halten wir an der Aufkommensneutralität der ökologischen Finanzreform fest: Jeder eingenommene Euro fließt durch niedrigere Lohnnebenkosten, den Ausgleich sozialer Härten oder durch die Förderung umweltschonenden Verhaltens wieder zurück.

Natur-und Landschaftsschutz
Beim Natur- und Landschaftsschutz werden wir das neue Bundesnaturschutzgesetz zusammen mit unseren Fraktionen in den Bundesländern mit Leben erfüllen. Wir werden die Naturschutzgroßprojekte des Bundes weiter ausbauen und den naturnahen Tourismus verstärkt unterstützen. Das hält Wertschöpfung vor Ort und stärkt den ländlichen Raum. Der Einsatz von Landwirten für den Natur- und Landschaftsschutz muss sich stärker lohnen. Mit einem konkreten Handlungsprogramm soll der Flächenverbrauch reduziert werden, wie es die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung vorsieht. Zur Sicherung des nationalen Naturerbes aus den Flächen der ehemaligen DDR haben wir bedeutende Möglichkeiten für die Übernahme von Flächen durch die Naturschutzverbände geschaffen. Diese gilt es jetzt zu nutzen. Eine Bundesstiftung Naturschutz oder ein verstärktes Engagement der Bundesstiftung Umweltschutz können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die Zuständigkeit für die Bundesstiftung Umwelt wollen wir vom Finanz- ins Umweltministerium übertragen. Im Streit um bisherige militärische Brachen, wie in der Neuruppiner Heide, stehen wir auf der Seite der Menschen und der Natur und engagieren uns gegen die kurzsichtige Zerstörung unwiederbringlicher Naturreichtümer für militärische oder zivile Zwecke.

Die Meere in ihrer Artenvielfalt und ihrer ökologischen Funktion sind ein einzigartiges Erbe der Menschheit. Deutschland muss sich daher weiterhin international für einen umfassenden Meeresschutz einsetzen. Nötig sind großflächige Schutzgebiete in der Nordsee zur Bewahrung der Fischpopulation und ein internationales Verbot besonders schädlicher Fischereipraktiken. Die Einleitung gefährlicher Stoffe in Nord- und Ostsee muss so rasch wie möglich auf Null gebracht werden. Die Sicherheitsstandards für Schiffe müssen deutlich verschärft werden. Unsere Vision ist eine saubere und sichere Nord- und Ostsee.

Die Wälder schützen
Der Wald hat eine herausragende ökologische Funktion für unsere Lebensqualität, die Artenvielfalt und den Klimaschutz. Wir wollen dem internationalen Forst-Zertifikat FSC (Forest Stewartship Council) in Deutschland zum Durchbruch verhelfen, da es ökologische, ökonomische und soziale Kriterien gleichermaßen berücksichtigt. Wir wollen die schädlichen Abgase senken, unsere Wälder erhalten und die letzten Urwälder bewahren. Der Futtermittelanbau für unsere Intensivtierhaltung führt zur Vernichtung von Tropenwald. Millionen von Hektar werden gerodet und zum Großteil für den Anbau genetisch veränderter Organismen genutzt. Wir stehen hier international am Scheideweg bei der Frage, wie wir unsere Lebensgrundlagen organisieren wollen. Die Neue Landwirtschaft, die wir in unserem Land umsetzen wollen, leistet somit ein Beitrag zum Schutz der Tropenwälder.

Elektrosmog minimieren
Die Sorgen um mögliche Schäden durch Elektrosmog nehmen wir ernst. Die Forschung um die Auswirkungen der Strahlungen insbesondere von Sendemasten, Stromleitungen und Handys muss weiter verstärkt und die Belastung der Bevölkerung kontinuierlich überprüft werden. Durch ein Ökosiegel für strahlungsarme Handys und weitere Maßnahmen wollen wir versuchen, zu einer niedrigeren Strahlungsintensität zu kommen. Bei neuen Erkenntnissen über gesundheitliche Gefahren müssen die Vorsorgewerte zum Schutz der Bevölkerung angepasst werden. Im Umkreis von Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern soll die Strahlungsintensität soweit möglich minimiert werden. Wir stehen für Transparenz und Bürgerbeteiligung bei der Errichtung neuer Anlagen. Außerdem wollen wir, dass die Gemeinden ein Messkataster der Strahlungsimmission erstellen, das die tatsächliche Gesamtbelastung zeigt. Bei so genannten niedrigfrequenten Strahlungen im Zusammenhang mit Starkstromleitungen sind zusätzliche Schutzvorkehrungen zu treffen.

Müll vermeiden - Mehrwegquote erhöhen
In der Abfallwirtschaft setzen wir auf Vermeidung und noch bessere Verwertung, beispielsweise beim Elektronikschrott. Um die Mehrwegquote bei Getränkeverpackungen wieder zu erhöhen, werden wir ab 2003 ein Dosenpfand einführen. Mit dem Dosenpfand unterstützen wir auch die wirtschaftlichen Interessen mittelständischer Brauereien in Bayern und anderswo.

Internationale Umweltpolitik
Im internationalen Rahmen muss sich Umweltpolitik zunehmend mit den Folgen der Globalisierung auseinandersetzen. Deshalb brauchen wir einen institutionalisierten Anwalt globaler Gerechtigkeit für den Bereich Umweltschutz und Ökologie, der auch der Welthandelsorganisation Paroli bieten kann. Unsere Perspektive ist, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) zu einer Weltumweltorganisation fortzuentwickeln. Hierzu bedarf es auch der Entwicklung internationaler Finanzierungsinstrumente. Die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter durch Luftverkehr und Schifffahrt kann nicht ohne Entgelt für die Nutzer sein. Die Export- und Außenwirtschaftsförderung beispielsweise durch Hermes-Bürgschaften wollen wir noch stärker am Prinzip der Nachhaltigkeit ausrichten. Umweltschutz darf dabei kein Instrument zur wirtschaftlichen und sozialen Ausgrenzung armer Länder sein.


1.2. Wirksamer Verbraucherschutz, Gesunde Ernährung
Wir stehen für eine moderne Verbraucherschutzpolitik: Wir wollen die vier Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher durchsetzen, nämlich das Recht auf Sicherheit, das Recht auf Information, das Recht auf Wahlfreiheit und das Recht, Gehör zu finden. Damit stärken wir die Verbraucherinnen und Verbraucher in der sozialen Marktwirtschaft.

Politik mit dem Einkaufskorb
Verbraucherschutzpolitik ist immer globale Politik. Produktion, Verarbeitung und Verbrauch liegen wegen der internationalen Warenströme, der internationalen Arbeitsteilung und falscher Subventionen oftmals weit auseinander. Deshalb gilt es, den Rechten der Verbraucherinnen und Verbraucher grenzüberschreitend Geltung zu verschaffen. Gleichzeitig ist es wichtig, den Verbrauchern die Wahlfreiheit über die Beschaffenheit eines Produktes zu sichern. Dies schließt den Herstellungsprozess mit ein. Die Verbraucher sollen frei entscheiden können, ob sie soziale und ökologische Verantwortung übernehmen wollen. Sie müssen beispielsweise wissen, ob sie Waren aus Kinderarbeit kaufen.

Verbraucherrechte stärken: Wissen,was drin ist
Mit dem Verbraucherinformationsgesetz haben wir die Tür zu Informationen für die Verbraucher über Beschaffenheit und Herstellung von Gütern geöffnet. Von Lebensmitteln bis Sportbekleidung, von Teddybären bis Möbeln: die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wissen, was drin ist und wie die Produkte entstanden sind. Wir haben mit dem Entwurf dieses Gesetzes das Ende der Verschwiegenheitsphilosophie der Behörden eingeläutet. Wir wollen, dass dieses Informationsrecht in einem weiteren Schritt für alle Güter und auch alle Dienstleistungen gilt.

Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Ressorts einer modernen Regierung betrifft. Auch Rente, Gesundheitswesen und Pflege müssen sich an den Verbrauchern ausrichten. Wir wollen bessere Dienstleistungen für die Verbraucher auch bei der Telekommunikation, der Gas-, Wasser- und Stromversorgung, bei der Bahn und dem öffentlichen Personennahverkehr.

Wir wollen die Institutionen der Verbraucher und den staatlichen Rahmen zur Durchsetzung ihrer Rechte stärken. Dies gilt insbesondere für die Stiftung Warentest.

Die neue Landwirtschaft: gesunde und sichere Lebensmittel
Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, was auf ihren Tisch kommt. Wir wollen einen gesundheitlich vorsorgenden Verbraucherschutz, der den Menschen garantiert, sichere Lebensmittel zu konsumieren. Chemie und Antibiotika gehören nicht in Lebensmittel. Unser besonderes Augenmerk gehört den Kindern. Weil gesunde Ernährung und das Wissen darüber wichtig ist für ihre körperliche Entwicklung und die Bewusstseinsbildung, haben wir mit Ernährungskampagnen für die Kleinsten in den Kitas angefangen. Hier werden wir weitermachen. Die Gesundheit der Menschen geht vor wirtschaftliche Interessen. Wir haben die Trendwende in der Landwirtschaftspolitik eingeleitet. Nach Jahren, in denen in der Agrarpolitik Quantität vor Qualität ging, ein Lebensmittelskandal auf den nächsten folgte und Tiere nicht als Lebewesen, sondern allzu oft als Gebrauchsgüter behandelt wurden, gilt jetzt "Klasse statt Masse". Das ist gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch gut für die vielen Bäuerinnen und Bauern, die von der BSE-Krise in ihrer Existenz bedroht waren, obwohl sie sich selbst nichts haben zu Schulden kommen lassen.

Wir wollen unsere Lebensgrundlage, die Herstellung unserer Lebensmittel, weiter konsequent neu organisieren. Dabei orientieren wir uns am Leitbild einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Produktionsweise. Der ökologische Landbau hat hierbei eine Vorreiterrolle. Deshalb wollen wir ihn weiter stärken. Wir wollen 20 Prozent Ökolandbau in 10 Jahren. Durch das neu eingeführte Bio-Siegel können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst entscheiden. Wir wollen auch die Perspektiven der konventionellen Landwirtschaft verbessern und sie immer stärker an den Zielen des naturnahen Landbaus und der artgerechten Tierhaltung ausrichten. Wir wenden uns gegen die schleichende Einführung der Gentechnik in der Ernährung und die Freisetzung von genveränderten Pflanzen. Wir brauchen die sogenannte grüne Gentechnik nicht. Für uns steht die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucherinnen und Verbraucher an erster Stelle . Wir fordern eine europaweite klare Kennzeichnung gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermittel.

Die Bäuerinnen und Bauern stärken
Gesunde Lebensmittel gibt es nicht gegen, sondern nur mit den Bäuerinnen und Bauern. Landwirtschaft ist mehr als die Produktion der "Mittel zum Leben". Wir wollen die multifunktionale Landwirtschaft stärken, denn Landwirte sind heute auch Energiewirte und Dienstleister. Sie bieten den Menschen Erholung, sie pflegen die Kulturlandschaft und leisten damit einen großen Dienst an der Gesellschaft. Dafür müssen sie auch von ihr entlohnt werden. Wir wollen die bäuerliche Landwirtschaft stärken und "ausgeräumte" Landschaften verhindern. Die Infrastruktur im ländlichen Raum muss verbessert werden. Wir wollen besonders für Frauen und Jugendliche die Erwerbsmöglichkeiten dort ausbauen. Wir wollen die Wertschöpfung in den Regionen halten. Für die Neue Agrarpolitik gilt immer und weltweit: Regional ist erste Wahl! Wir werden in der nächsten Legislaturperiode den Ansatz des Wettbewerb "Regionen aktiv" fortsetzen und ausbauen.

Agrarsubventionen reformieren
Um die neue Landwirtschaft umzusetzen, unsere vielfältige Kulturlandschaft zu erhalten und den ländlichen Raum zu fördern, brauchen wir eine Neuausrichtung der Agrarsubventionen. Dafür werden wir uns sowohl bei der so genannten Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder als auch bei der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU einsetzen. Die Agrarsubventionen müssen von der Intensivproduktion umgeleitet werden zu naturnaher Produktion, artgerechter Tierhaltung und in Kulturlandschaftsprogramme. Nur so können wir den Schutz unserer Böden, unseres Wassers und unserer Tiere verbessern. Im Rahmen der EU-Osterweiterung müssen wir den Beitrittsländern eine neue Perspektive geben. Alle können sich so in einer erweiterten EU auf eine nachhaltige Landwirtschaft und die Anforderungen der WTO einstellen.

Tiere schützen
Wir wollen eine Landwirtschaft, die Hand in Hand mit Umwelt-, Natur- und Tierschutz geht. Tierschutz muss im Grundgesetz verankert sein. Wir unterstützen die "Allianz für die Tiere" in der Nutztierhaltung. Wir wollen eine artgerechte Tierhaltung und die Tiere vor unnötigen Leiden und Schmerzen schützen. Die Legehennenverordnung war nur ein Anfang. Wir setzen uns auf europäischer Ebene für eine Verbesserung der Bedingungen von Tiertransporten und eine Fortentwicklung der Haltungsbedingungen besonders von Geflügel, Schweinen und Pelztieren ein. Tierversuche wollen wir so weit möglich durch alternative Methoden ersetzen.

Die Meere sind weitgehend leergefischt, die Bestände einiger Arten besonders gefährdet. Wir wollen eine Fischereiwirtschaft, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Dabei ist unsere Politik ausdrücklich Politik zum Schutz der Meeressäugetiere. Dies ist eine globale Aufgabe. Wir wollen auch im Fischereibereich ein Ökosiegel. Die Einleitung gefährlicher Stoffe in die Meere wollen wir weiter reduzieren.

Die neue Landwirtschaft: den Welthunger bekämpfen
Wir wollen ökologische und soziale Kriterien auch international bei der Welthandelsorganisation verankern. Wir wollen Exportsubventionen abschaffen und die Abschottung Europas für landwirtschaftliche Produkte aus sogenannten Entwicklungsländern systematisch abbauen, ohne sie zu Anbaugebieten für transnationale Unternehmen zu degradieren. Es ist untragbar, dass 70 Prozent der mehr als 800 Millionen hungernden Menschen in den ländlichen Räumen leben, die hauptsächlich für die Lebensmittelproduktion zuständig sind. Dabei wollen wir auch in diesen Ländern die bäuerliche Landwirtschaft stärken und der Ernährungssicherung der eigenen Bevölkerung höchste Priorität einräumen. Wir wollen vor allem den Aufbau demokratischer Strukturen, das Recht des Zugangs zu Nahrung, zu Land und zu hochwertigem Saatgut ohne Abhängigkeiten von den Großkonzernen sicherstellen.



2. Soziale und wirtschaftliche Erneuerung
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Erneuerung. Bereits in der Opposition waren wir die Vorreiter in den zentralen Feldern der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Mit dem Eintritt in die Bundesregierung konnten wir gut vorbereitet mit den überfälligen Reformen beginnen. Wir haben einen Anfang bei der Entlastung von Kindern und Eltern gemacht, indem wir das Kindergeld - auch für die Kinder in Sozialhilfe - erhöht haben. Wir haben die Wende hin zum Abbau des Schuldenbergs vollzogen. Wir haben die Steuerreform auf den Weg gebracht und Privathaushalte und mittelständische Unternehmen spürbar entlastet. Wir haben in der Rentenreform die Interessen unserer Kinder stark gemacht und dabei den Einstieg in die eigenständige Alterssicherung der Frauen vollzogen. Und wir haben mit der Fortführung des Solidarpakts die finanziellen Grundlagen für die Weiterführung des Aufbaus Ost geschaffen.

Gerechtigkeit ist einer unserer Grundwerte. Wir stehen für eine gerechte Verteilung der gesellschaftlichen Güter, und das erfordert besonders eine Parteinahme für die sozial Schwachen. Unsere Vorstellung von Gerechtigkeit geht weiter als die der anderen Parteien. Wir stehen auch für Teilhabegerechtigkeit, Generationengerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und Internationale Gerechtigkeit.

Es gibt viel zu tun. Wir werden die Lebenssituation von Kindern und ihren Eltern deutlich verbessern, da hier großer Nachholbedarf besteht. Die wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat für uns höchste Priorität und wir werden weiter auf einer gerechten Reform des Arbeitsmarktes beharren. Wir wollen den Einstieg in eine soziale Grundsicherung, die ein Abrutschen der Menschen in Armut und Ausgrenzung verhindert. Die Haushaltskonsolidierung bleibt eine Daueraufgabe für eine Partei, die der Generationengerechtigkeit verpflichtet ist.

Am 22. September 2002 entscheiden Sie: Der kalten Politik des neoliberalen Ellbogens sowie der Reformverweigerung schwarz-roter Strukturkonservativer steht unsere Politik der sozialen und wirtschaftlichen Erneuerung gegenüber. In der nächsten Legislaturperiode wollen wir die Lage der Kinder verbessern und durch unsere Politik mehr Menschen in Arbeit bringen.


2.1. Mehr Arbeitplätze, Soziale Sicherheit, Wirtschaftliche Erneuerung
Unser Ziel ist es, in den nächsten vier Jahren die Arbeitslosigkeit weiter spürbar zurückzudrängen. Wir müssen den Mut zur Eigeninitiative erhöhen und gleichzeitig nachhaltige Formen der sozialen Sicherung finden. Dreh- und Angelpunkt einer wirksamen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter verbessert werden. Deshalb stehen wir für eine Konsolidierung der Haushalte, eine Steuerentlastung der kleinen und mittleren Unternehmen, eine Senkung der Lohnnebenkosten und für den Ausbau von Bildung und Forschung.

Umwelt schafft Arbeit
Ökologie schafft wirtschaftliche Dynamik und Arbeitsplätze. Durch das Erneuerbare Energiengesetz und die Ökosteuer sind in den letzten vier Jahren über 200.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Insgesamt gibt es bereits über 1,3 Millionen Öko-Arbeitsplätze in Deutschland. Bei Solar- und Windenergie haben wir einen weltweit beachteten Boom ausgelöst. Diesen Weg werden wir weiter beschreiten. Wir wollen die ökologischen Pioniermärkte weiterhin besetzen und ökologische Produkte auf dem Markt etablieren. Dazu werden wir die Ökosteuer zu einer ökologischen Finanzreform weiterführen, die Forschungsförderung intensivieren und ökologische Standards erhöhen.

Neue Instrumente in der Arbeitsmarktpolitik
Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit braucht es Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Wir wollen Brücken in den ersten Arbeitsmarkt schlagen: gezielte Lohnkostenzuschüsse, ein befristetes Einstiegsgeld für Langzeitarbeitslose, Bezuschussung der Sozialversicherungsbeiträge im Bereich zwischen 326 und 870 Euro sind hier der richtige Weg. Damit bauen wir die in Deutschland künstlich errichtete Teilzeitmauer in diesem Bereich ab. Wir wollen die individuellen Eingliederungspläne mit den Arbeitssuchenden nach dem Konzept Fördern und Fordern ausbauen. Notwendig ist außerdem die Gründung von Transfergesellschaften bei Personalabbau sowie die praktische Anwendung von Jobrotation, Jobsharing und Lebensarbeitszeitkonten. Für schwer vermittelbare Arbeitslose bleiben Beschäftigungsmaßnahmen bei wenig aufnahmefähigen regulären Arbeitsmärkten sinnvolle Mittel, um Eingliederungschancen zu verbessern. Auch müssen wir die Beschäftigungsmaßnahmen marktnäher ausgestalten.

Wir brauchen eine neue Arbeitsvermittlung, die effektiv und schnell auf die Bedürfnisse von Arbeitslosen und Unternehmen reagieren kann. Dazu ist eine Entbürokratisierung und Dezentralisierung der Arbeitsverwaltung geboten. Arbeitsuchende sollen die kostenlose Wahlfreiheit zwischen privaten und staatlichen Vermittlern sowie ein Beschwerderecht bekommen. Im Gegenzug sollen sie zur Teilnahme an den Angeboten verpflichtet werden. Die staatliche und die private Vermittlung müssen gestärkt werden, freier Marktzugang und Qualitätssicherung sind zu gewährleisten. Eltern und Menschen, die Angehörige pflegen, brauchen bedarfsgerechte Angebote.

Jugendliche ohne Schulabschluss oder ohne Ausbildungsplatz brauchen besondere Unterstützung. Die erfolgreichen Maßnahmen im JUMP-Programm werden fortgesetzt. Wir wollen Ausbildungsgänge als Bausteine konzipieren, die unterschiedlich zusammengesetzt werden können. Wir wollen zielgenaue Hilfen entwickeln. Außerdem müssen wir die Jugendhilfe in die Schaffung von Ausbildungs- und Qualifizierungsangeboten einbeziehen.

Die Qualität der berufsbezogenen Weiterbildung muss verbessert werden. Wir setzen uns für Lernmöglichkeiten am Arbeitsplatz und Lernbrücken in den Arbeitsmarkt ein. Bei den öffentlich geförderten Maßnahmen fordern wir neue nachfrageorientierte Finanzierungselemente. Die Erstausbildung muss verkürzt, das lebensbegleitende Lernen gestärkt und die Abschlüsse weiteren Ausbildungsschritten und dem zusammenwachsenden Europa gerecht werden.

Wir brauchen eine flexible und sozialverträgliche Arbeitszeitpolitik, die größere individuelle Wahlmöglichkeiten eröffnet. Wir wollen die Nutzung von Überstunden zum Freizeitausgleich über Arbeitszeitkonten, zu Sabbaticals, zur Qualifikation, zu Erziehungsarbeit oder zur Erholung voranbringen. Wir wollen Teilzeitarbeit fördern, indem wir Altersteilzeit mittelfristig zu einem fünfjährigen, altersunabhängigen Förderanspruch für alle umwandeln. So können Arbeitszeitreduzierungen für Kindererziehung, Pflegearbeit, Qualifikation oder Erholungsphasen individuell und frei im Erwerbsleben geplant werden, ohne dass damit soziale Nachteile verbunden sind.

Ältere Menschen werden mit ihren Erfahrungen im Erwerbsleben gebraucht. Statt einer Politik der Frühverrentung muss eine Kultur der Altersarbeit mit langfristigen und gleitenden Übergängen in den Ruhestand entwickelt werden. Wir wollen deshalb Altersteilzeit zukünftig nur noch fördern, wenn sie nicht dazu benutzt wird, ältere Arbeitnehmer in die Rente zu drängen oder Arbeitsplätze wegzurationalisieren.

Soziale Grundsicherung einführen
Der Einstieg in eine soziale Grundsicherung ist eines unserer zentralen Reformprojekte für die nächsten vier Jahre. Wir wollen die soziale Teilhabe von sozial schwachen Bürgerinnen und Bürgern spürbar verbessern. Dafür sollen die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe an einer Stelle zusammengeführt werden. Durch die Zusammenlegung eingesparte Mittel bleiben im Grundsicherungssystem und kommen damit den Beziehern zugute. Die soziale Grundsicherung bietet unbürokratisch Hilfe aus einer Hand. Alle Berechtigten erhalten Zugang zu den Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung. Anreize zur Aufnahme von Erwerbsarbeit bleiben erhalten. Mit einer Grundsicherung für Kinder stellen wir sicher, dass Eltern und Alleinerziehende mit geringem Verdienst nicht unter die Armutsschwelle geraten. Die eingeführte Altersgrundsicherung wollen wir ausbauen. Die Einführung der Grundsicherung ist nur möglich, wenn die Kommunen entlastet und ihre Aufgaben neu bestimmt werden.

Privathaushalte und kleine und mittlere Unternehmen entlasten
Gerechtigkeit und Transparenz stehen für uns im Mittelpunkt der Steuerpolitik. Wir haben mit unseren Steuerreformen die Privathaushalte und den Mittelstand nachhaltig entlastet. Diesen Weg wollen wir konsequent weiter gehen. Bis 2005 werden wir den Eingangssteuersatz von 25,9 im Jahr 1998 auf 15 Prozent gesenkt haben. Der Spitzensteuersatz sinkt auf 42 Prozent.

Wir wollen Steuervergünstigungen weiter abbauen und auf diese Weise das Steuerrecht vereinfachen. Die Vereinfachung des Steuersystems ist Voraussetzung für mehr Gerechtigkeit. Und wir wollen den Grundfreibetrag zur Steuerfreistellung des Existenzminimums auf 7.664 Euro weiter anheben, auch um Schwarzarbeit zurückzudrängen.

Wir wollen mehr Gerechtigkeit bei der Vermögensbesteuerung. Die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Vermögensarten wollen wir durch eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer korrigieren.

Und wir wollen die Ökosteuer zu einer ökologische Finanzreform weiterentwickeln. Auch in der nächsten Legislaturperiode halten wir an der Aufkommensneutralität der ökologischen Finanzreform fest. Jeder eingenommene Euro fließt durch niedrigere Lohnnebenkosten, den Ausgleich sozialer Härten oder durch die Förderung von umweltbewussten Verhalten wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurück.

Kleine und mittlere Unternehmen fördern - Kultur der Selbständigkeit stärken
Kleine und mittlere Unternehmen und Handwerksbetriebe verbinden Kreativität und Vernunft, Eigeninitiative und Verantwortung. Sie schaffen 70 Prozent der Arbeits- und 80 Prozent der Ausbildungsplätze. Wir wollen bürokratische Hemmnisse für den Mittelstand abbauen, für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen und die Kultur der Selbständigkeit stärken.

Alternative, einfügen: Im Handwerk darf nicht länger die Meisterprüfung zwingende Voraussetzung für Selbständigkeit und Existenzgründung sein.

Dazu gehören die Entbürokratisierung der 325-Euro-Jobs, kürzere Genehmigungsverfahren und einheitliche Fristen im Steuersystem. Der Risikobereitschaft von Existenzgründerinnen und -gründer müssen Angebote für eine zweiten Chance im Falle des Scheiterns gegenüberstehen.

Lohnnebenkosten senken - Sozialversicherungen weiterentwickeln
Wer neue Investitionen in Arbeitsplätze in Deutschland will, muss dafür sorgen, dass die hohen Lohnnebenkosten sinken. Das ist auch Voraussetzung für eine wirksame Bekämpfung der Schwarzarbeit. Strukturreformen der sozialen Sicherungssysteme besonders im Bereich der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung können dazu beitragen, die Lohnnebenkosten zu stabilisieren. Durch die Ökosteuer haben wir die Lohnnebenkosten bei der Rentenversicherung bereits um 1,5 Prozentpunkte reduziert.

Wir wollen die Sozialversicherungen zu Bürgerversicherungen weiter entwikkeln. Das ist ein Schritt zur Beitragsgerechtigkeit und zur Senkung der Lohnnebenkosten. Dazu gehört die Einbeziehung von Selbständigen und Beamten, die Überprüfung der Bemessungsgrenzen sowie die Einbeziehung von Einkünften aus Nichterwerbsarbeit - etwa aus Vermietung, Verpachtung oder Kapitaleinkünften.

Wir wollen eine angemessene steuerliche Gleichbehandlung von Alterseinkünften durchsetzen und dabei gleichzeitig die unterschiedlichen Eigenschaften der verschiedenen Altersversorgungssysteme berücksichtigen. Unser Ziel ist die vollständige Steuerfreistellung der Sozialversicherungsbeiträge in Verbindung mit einer konsequenten nachgelagerten Besteuerung. Für die allermeisten Rentnerinnen und Rentner wird es durch diese vom Bundesverfassungsgericht geforderte Veränderung zu keinen Verschlechterungen kommen.

Das Gesundheitssystem zukunftsfähig gestalten
Wir stehen für ein solidarisch finanziertes Gesundheitswesen im Interessen der Versicherten und Patienten. Nachdem die Belastung der Versicherten jahrelang ohne spürbare Verbesserung der Versorgung gestiegen ist, ist es das Ziel grüner Gesundheitspolitik, Kosten und Leistungen des Gesundheitssystems in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Wir wollen den Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge stoppen, ohne die solidarisch finanzierte Krankenversicherung in Frage zu stellen. Alle medizinisch notwendigen Leistungen müssen auch weiterhin ohne zusätzliche private Versicherungen allen Patientinnen und Patienten offen stehen. Wir brauchen eine neue Balance zwischen Markt, Selbstverwaltung und Staat im Gesundheitswesen. Qualität und Wirtschaftlichkeit sind nur zu erreichen, wenn die Selbstverwaltungsstrukturen dazu auch bereit und in der Lage sind und wenn sie sich nicht länger auf Selbstbedienung konzentrieren.

Die Rolle der Hausärzte als Lotsen im Gesundheitssystem werden wir weiter stärken. Durch die Umsetzung der Positivliste wollen wir es den Ärztinnen und Ärzten erleichtern aus den 45.000 in Deutschland erhältlich Präparaten die richtigen und zugleich preiswertesten auszuwählen. Der beste Anwalt ihrer Gesundheit sind die Patientinnen und Patienten selbst. Patientenberatung sowie Information über und Transparenz des Gesundheitssystems sind für die Krankenversicherten von entscheidender Bedeutung. Das gilt für die Prävention wie für den Krankheitsfall. Daher wollen wir die Rechte und die Eigenkompetenz der Patientinnen und Patienten stärken und die Angebote zur Prävention ausbauen.

Haushalt konsolidieren und in die Zukunft investieren
Wir stehen für Generationsgerechtigkeit. Deshalb lehnen wir Blankoschecks auf die Zukunft ab und beenden den Schuldenwahn. Ausgaben und Einnahmen müssen auf allen staatlichen Ebenen ins Gleichgewicht gebracht werden.Haushaltskonsolidierung ist die Basis für eine dauerhafte Geldwertstabilität, für niedriges Zinsniveau und für günstige gesamtwirtschaftliche Bedingungen. Nur über einen entschiedenen Kurs der Haushaltskonsolidierung bekommen wir Luft für Zukunftsinvestitionen wie Bildung oder Kinderbetreuung.

Die Kommunen stärken
Die Kommunen sind der Ort, an dem Politik gelebt wird. Sie erbringen wichtige Dienstleistungen für die Bürger und stellen die notwendige Infrastruktur zur Verfügung. Wir wollen die Finanzkraft der Kommunen stärken und auf eine breite und solide Basis stellen, wir wollen das Band zwischen örtlicher Wirtschaft und Gemeinde festigen und wir wollen die Finanzautonomie durch das volle Hebesatzrecht sichern.

Alternative 1: Wir wollen die Gewerbesteuer abschaffen und statt dessen eine Erhöhung des kommunalen Anteils der Einkommenssteuer mit einem eigenen Hebesatzrecht für die Gemeinden.

Alternative 2: Eine tragfähige Gewerbesteuerreform ist ein wesentliches Element der Kommunalfinanzreform.

Wir wollen die Grundsteuer als wichtige Kommunalsteuer stärker ökologisch ausrichten und dabei auch den Flächenverbrauch und die Versiegelung der Landschaft berücksichtigen.

Die Finanzen neu ordnen
Um Spielräume für Reformprojekte - wie die Entlastung der Kommunen, die soziale Grundsicherung oder eine neue Kinderpolitik - zu öffnen brauchen wir eine Neuordnung der föderalen Finanzverteilung. Wir wollen die Aufgaben- und Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt überprüfen. Auch darf der Bund den Kommunen im Zuge neuer Aufgaben keine weiteren Kosten aufbürden.

Fairer Steuerwettbewerb in Europa
Der EU-Binnenmarkt benötigt faire Wettbewerbsbedingungen und kein Steuerdumping. Bei den direkten Steuern setzen wir uns für die Harmonisierung von Mindeststeuersätzen und eine einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer ein. Die einheitliche steuerliche Erfassung der Zinsen in Europa muss endlich Realität werden. Auch bei den Öko- und Energiesteuern streben wir europäische Regelungen an. Steuerpolitische Fragen dürfen nicht länger durch das Einstimmigkeitsprinzip blockiert werden.


2.2. Kinderfreundliches Land
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten dafür ein, die Lebensbedingungen von Kindern und ihrer Eltern zu verbessern. Eine verantwortliche Politik für Kinder verlangt von uns, heute schon an morgen zu denken. Politik für Kinder ist eine Aufgabe, die nur im Zusammenspiel aller Politikbereiche gelingen kann. Kinderpolitik ist Querschnittsaufgabe. Wir stehen für Generationengerechtigkeit und ein kinderfreundliches Land. Wir wollen die aktive Reformpolitik zugunsten von Kindern und ihren Eltern fortsetzen und ihr neuen Schub geben.

Kinder haben Rechte
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen Kinder als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft. An Entscheidungen, die sie betreffen, sollen sie in kindgerechter Form beteiligt werden, und wo das nicht möglich ist, sollen ihre Belange berücksichtigt werden. Kinder haben das Recht, heute und morgen in einer intakten Umwelt aufwachsen zu können. Dazu gehören der Klimaschutz ebenso wie die Orientierung von Schadstoffgrenzwerten an den Belangen von Kindern, die Ursachenforschung über Erkrankungen von Kindern durch Umweltgifte ebenso wie Spielstraßen und Tempo 30 in Wohngebieten. Wir wollen ein Land, in dem Klagen gegen Kinderlärm keine Chance haben.

Pluralität der Lebensentwürfe:Auf die Kinder kommt es an
Jede Frau und jeder Mann soll frei entscheiden, wie und mit wem, ob mit oder ohne Kinder sie oder er lebt. Uns geht es nicht um den Vorrang eines Lebensentwurf vor anderen. Sowenig der Staat in diesem Bereich Vorgaben zur individuellen Lebensentscheidung machen darf, sowenig darf die Entscheidung für das Leben mit Kindern mit Nachteilen verbunden sein oder zum Armutsrisiko werden. Unsere Politik gilt allen Kindern, ganz egal in welcher Lebensgemeinschaften sie aufwachsen. Gerade die Alleinerziehenden und ihre Kinder brauchen mehr Unterstützung durch Staat und Gesellschaft.

Vereinbarkeit von Kindern und Beruf verbessern - Kinderbetreuung flächendeckend ausbauen
Bei der Kinderbetreuung ist Deutschland im internationalen Vergleich Entwicklungsland. Der Wunsch der Eltern nach Betreuungsangeboten für ihre Kinder fängt nicht erst mit drei Jahren an und hört nicht mit sechs Jahren plötzlich wieder auf. Gerade die ersten Jahre nach der Geburt entscheiden oft über die weiteren Berufsperspektiven vor allem von Frauen. Wir wollen, dass die Erziehungszeiten besser zwischen den Eltern aufgeteilt werden können. Wir werden innerhalb der nächsten 6 Jahre den bedarfsgerechten Ausbau für alle Kinder von 0-14 Jahren durchsetzen. Als Schritt dorthin wollen wir in der nächsten Legislaturperiode einen spürbaren Ausbau des Kinderbetreuungsangebots zwischen 0 und 3 Jahren, das verlässliche Angebot eines Mittagessens in Kindertagesstätten und die flächendeckende Einführung von Ganztagsangeboten an Schulen. Wir wollen das Recht der Eltern stärken, sich frei zu entscheiden, ob sie ihr Kind in einem staatlichen oder freien Angebot, einer kirchlichen Einrichtung oder einer Elterinitiative betreuen lassen.

Wir wollen erreichen, dass der Besuch von Kindertagesstätten kostenfrei ist. Wegen der Bedeutung der vorschulischen Bildung wollen wir als ersten Schritt den Besuch von Kindertagestätten ab dem 5. Lebensjahr in einer Kernzeit von fünf bis sechs Stunden beitragsfrei stellen. Wir wollen außerdem die steuerliche Abzugsfähigkeit von Betreuungskosten ab dem ersten Euro.

Eine bessere Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die von uns vorgeschlagenen Verbesserungen werden fünf Milliarden Euro pro Jahr kosten. Wir sind der Ansicht, soviel müssen uns unsere Kinder und die Lebenssituation der Eltern wert sein. Die von uns angestrebte Veränderungen dürfen nicht zu Lasten der Länder und Kommunen finanziert werden.

Kinderbetreuung aufwerten, Bildungsauftrag ernst nehmen
Die Aufgaben der Erzieherinnen und Erzieher in unserem Land gehen längst weit über Betreuung hinaus. Tageseinrichtungen für Kinder haben mittlerweile ein doppeltes Mandat - sie sind Bildungs- und Entwicklungsstätte für Kinder und Dienstleister für Eltern. Gerade wegen der wachsenden Bedeutung der vorschulischen Bildung wollen wir den Erzieherberuf aufwerten. Wir treten deshalb dafür ein, dass der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher künftig einer Fachhochschulausbildung bedarf. Für die Erzieherinnen und Erzieher sind die entsprechenden Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten. Die verantwortungsvolle Tätigkeit muss sich auch in einer besseren Bezahlung widerspiegeln.

Konsequenzen aus der PISA-Studie ziehen
Grund- und weiterführende Schulen bereiten unsere Kinder schlechter als in anderen Ländern auf Leben und Beruf vor. Auf ungleiche Ausgangsbedingungen, wie soziale Herkunft oder Bildungsstand der Eltern, wird zu wenig eingegangen. Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung bleibt so unverwirklicht. Dies gilt in hohem Maße für Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten und Haushalten von Einwanderern. Wie der internationale Vergleich zeigt, gelingt die individuelle Förderung sowohl von leistungsschwachen als auch leistungsstarken Schülerinnen und Schülern im gemeinsamen Lernverband besser als durch allzu frühzeitige Trennung der Kinder. Es ist unerlässlich die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund der Unterrichtspraxis zu rücken. Eine neue Lernkultur kann aber ohne eine Reform der Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer nicht wachsen.

Die bisherigen Strukturen zur Verbesserung unseres Bildungssystems - besonders die Kultusministerkonferenz - sind ihrer Verantwortung nicht ausreichend gerecht geworden. Föderalismus dient auch dem Wettbewerb um die beste Lösung. Wo er zu einem Schwarzer-Peter-Spiel zwischen den Ländern oder zu Stillstand zu Lasten unserer Kinder führt, ist der Bund in der Pflicht. Wir setzen uns unter Wahrung der Kulturhoheit der Länder für eine stärkere Moderatorenrolle des Bundes in Fragen der vorschulischen und schulischen Bildung ein.

Kinderarmut bekämpfen - Kindergrundsicherung schaffen
Kinderarmut ist ein Skandal. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden in der nächsten Legislaturperiode die Kinderarmut in der Bundesrepublik bekämpfen. Dazu werden wir diejenigen unterstützen, die am stärksten benachteiligt sind: die Kinder aus einkommensschwachen Familien. Unser Modell einer Kindergrundsicherung bewirkt einen Zuschlag zum Kindergeld für diese Familien und stockt das Kindergeld um bis zu 100 Euro auf. Durch unsere Vorschläge zur Anrechnung von Transfereinkommen auf Erwerbseinkommen werden Anreize zur Aufnahme von Erwerbsarbeit gestärkt. Über 4 Millionen Kinder würden von der Kindergrundsicherung profitieren. Die Kosten von 2,5 Milliarden Euro wollen wir durch ein konsequentes Abschmelzen des Ehegattensplittings im oberen Einkommensbereich finanzieren.

Leistungen für Kinder bündeln, Kinderkasse einführen.
Das Leben mit Kindern wird von einer unübersichtlichen Vielzahl staatlicher Stellen auf unterschiedliche Weise gefördert. Wir wollen diese Leistungen bündeln und in einer Kinderkasse (KiKa) zusammenfassen.

Unser Land braucht einen Kindergipfel
Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen berühren die Zuständigkeiten der Länder und Kommunen. Dennoch darf sich der Bund nicht aus seiner - auch finanziellen - Verantwortung stehlen. Für eine wirkungsvolle Förderung des Lebens mit Kindern bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller drei staatlicher Ebenen, von Wirtschaft und Gesellschaft. Wir brauchen einen Aktionsplan zur Förderung des Lebens mit Kindern. Auf diesen Plan sollen sich Bund, Länder und Kommunen, Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie die in diesem Bereich aktiven gesellschaftlichen Gruppen auf einem Kindergipfel in der nächsten Legislaturperiode unter Federführung der Bundesregierung verständigen. Wenn der Bund neue Aufgaben zum Beispiel bei der Kinderbetreuung festlegt, muss er den Kommunen und Ländern bei der Finanzierung entsprechend helfen.


2.3. Gute Bildung,Verantwortliche Forschung, Lebendige Kultur
Bildung und Forschung sind die entscheidenden Grundlagen für den Zugang zur Wissensgesellschaft und die aktive gesellschaftliche, politische und ökonomische Teilhabe jedes einzelnen Menschen. Im Mittelpunkt steht dabei der Mensch mit seinen individuellen Interessen und Fähigkeiten. Seit 1998 haben wir deshalb nach jahrelangem Bildungsabbau die bildungspolitische Trendwende eingeleitet. Die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung wurden trotz Haushaltskonsolidierung um 15,5 Prozent erhöht. Das neugeregelte Bafög ermöglicht wieder mehr Menschen, ein Studium aufzunehmen. Die Novelle des Hochschulrahmengesetzes schafft durch die Einführung der Juniorprofessur die Voraussetzung für moderne und international anschlussfähige Hochschulen und erleichtert den Quereinstieg zu einer Professur. In der nächsten Legislaturperiode werden wir uns stärker für die Autonomie der Bildungseinrichtungen bei gleichzeitiger staatlicher Qualitätskontrolle und Ausbau der Beratungsangebote einsetzen.

Grundlagen unserer Bildungspolitik
Wir stehen für gleiche Bildungschancen für alle. Dazu gehört auch, Unterschiede bei den Bildungszugängen von Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männern zu berücksichtigen. Unser Ziel ist es, die Menschen bei der Erreichung ihrer angestrebten Bildungsziele besser zu unterstützen und die Abbrecherquote zu senken. Uns geht es um einen Wettbewerb der Bildungseinrichtungen untereinander für mehr Qualität und Chancengleichheit und nicht um einen Wettbewerb, der ungleiche Startchancen fortschreibt statt sie auszugleichen. Nicht ein Zurück zu frühzeitiger Selektion und Abschottung von Bildungszugängen, sondern ein mehr an individueller Förderung und größerer Vielfalt sind gefragt. Wir setzen auf die Stärken der einzelnen Bildungseinrichtungen und der Lehrenden. Dafür brauchen sie mehr inhaltliche, personelle und finanzielle Autonomie, mehr Unterstützung in Form von Qualifizierung und Weiterbildung und verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen. Parallel dazu erhöhen sich die Anforderungen an die staatliche Qualitätssicherung. Alle Bildungseinrichtungen sollen klar definierten Qualitätsstandards genügen, die für alle transparent ausgewiesen werden, beispielsweise durch ein Qualitätssiegel. Evaluationen von Bildungseinrichtungen sollen zum Standard werden. Der Dreiklang aus Autonomie, Qualitätsstandards und Transparenz über Struktur und Bildungserfolg der Bildungseinrichtungen schafft die Grundlage unser Bildungssystem kontinuierlich zu verbessern. Je vielfältiger das Bildungsangebot wird, desto stärker wächst die Nachfrage nach objektiver Beratung. Allein das Bereitstellen von Informationen reicht nicht aus. Gerade bildungsfernen Schichten fällt es schwer, die richtige Wahl zu treffen, deshalb muss Bildungsberatung aktiv auf die Menschen zugehen.

Lebensbegleitendes Lernen
Lernen findet nicht mehr in einem klar abgegrenzten Lebensabschnitt statt, sondern ist ein andauernder Prozess. Die Bedeutung der Weiterbildung in späteren Lebensphasen wächst. Das wirkt sich auf den Aufbau des Bildungssystems aus. Der Zugang zum Bildungssystem muss auf allen Stufen geöffnet und die Übergänge zwischen den Teilbereichen müssen vereinfacht werden. Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Bildungsangeboten oder zwischen Phasen der Erwerbsarbeit und der Weiterbildung zu wechseln, werden wir weiter ausbauen. Lebensbegleitendes Lernen findet nicht nur in Bildungseinrichtungen statt. Dem wachsendem Stellenwert von Distance Learning wollen wir gerecht werden.

Qualität der Hochschulen verbessern
Unsere Hochschulen müssen für die Studierenden besonders auch aus bildungsfernen Schichten wieder attraktiver werden. Wir wollen eine Studienreform, die den veränderten, vielfältigen Studienwünschen und -bedürfnissen und den Anforderungen der Wissensgesellschaft Rechnung trägt. Die Hochschulen müssen zum Ort der Fort- und Weiterbildung der Gesellschaft werden. Modularisierung, Öffnung des Hochschulzugangs und flexiblere Studienangebote sind hierfür wichtige Bausteine. Die Qualität des Lehrangebots wollen wir verbessern. Im Rahmen der leistungsbezogenen Besoldung von Professorinnen und Professoren belohnen wir nun endlich auch das Engagement in der Lehre finanziell.

Die Mobilität von Lernenden und Forschenden muss unterstützt werden und darf nicht an bürokratischen oder finanziellen Hürden scheitern. Das Bildungsangebot im Inland muss eine starke internationale Perspektive erhalten, und internationale Studiengänge werden weiter gefördert. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Studienort Deutschland für ausländische Studierende und Forscher attraktiver wird. Dazu müssen die arbeits- und ausländerrechtlichen Bestimmungen weiter geöffnet sowie im Ausland erworbene Abschlüsse anerkannt werden.

Wissenschaft als Beruf
Wir wollen Menschen, die sich für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden, besser fördern. Die bessere Unterstützung von Doktorantinnen und Doktoranten und die Einführung der Juniorprofessur bilden einen wichtigen Baustein hierfür. Ein eigener Wissenschaftstarifvertrag könnte den spezifischen Anforderungen von Hochschul- und Forschungseinrichtungen besser Rechnung tragen.

Beim Anteil weiblicher Hochschullehrkräfte bildet Deutschland das Schlusslicht. Wir wollen, dass sich mehr Frauen für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Kindern ist hierfür eine entscheidende Voraussetzung. Wir wollen den anstehenden Generationswechsel an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch nutzen, um mehr jungen Wissenschaftlerinnen den Einstieg in eine akademische Laufbahn und mehr Gestaltungsspielräume zu ermöglichen.

Mehr Geld für Bildung und Forschung
Wir werden die Mittel für Bildung und Forschung weiter erhöhen. Durch eine stärkere Wettbewerbsorientierung in der Bildungsfinanzierung wollen wir die Rechte der Bildungsteilnehmer stärker. Die eingesetzten Mittel sollen stärker den Menschen und ihren Entscheidungen für das jeweilige Bildungsangebot folgen. Studiengebühren für das Erststudium lehnen wir ab. Wir halten weiter an einer grundlegenden Reform des Bafögs fest. Eine zeitgemäße Studienfinanzierung muss noch stärker elternunabhängige Anteile enthalten. Die Förderungen von Bildungs- und Forschungseinrichtungen wollen wir stärker mit Zielvereinbarungen verknüpfen.

Aktive Forschungspolitik für Mensch und Umwelt
Die Forschung legt wichtige Grundlagen für die Welt von morgen. Unsere Forschungspolitik will die Chancen neuer Technologie nutzen, thematisiert aber auch ihre Risiken. Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch gemacht werden. Eine mündige Bürgergesellschaft muss bewusst entscheiden, welche Technologien sie nutzen und welche Risiken sie dafür in Kauf nehmen will. Daher werden wir uns für eine erneute deutliche Stärkung der Technikfolgenabschätzung einsetzen. Wir orientieren uns bei dieser Abwägung am Leitbild der Nachhaltigkeit, das ökologische, soziale und wirtschaftliche Erwägungen gegeneinander abwägt. Interdisziplinäre Ansätze wollen wir fördern. Ohne die Verbindung mit den Sozial- und Geisteswissenschaften laufen die Naturwissenschaften Gefahr, an den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt vorbei zu forschen. Deshalb wollen wir die Geistes- und Sozialwissenschaften aufwerten.

Das Potenzial der Bio- und Gentechnik, Therapien für bislang unheilbare Krankheiten zu finden, wollen wir nutzen. Allerdings findet auch diese Technologie ihre Grenzen in der Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Verbrauchende Embryonenforschung, das Klonen von Menschen oder verpflichtende Gentest lehnen wir ab. Entsprechend unserer nachhaltigen Strategie setzen wir dagegen auf neue Techniken: Neue Werkstoffe, die Nanotechnologie, Wasserstofftechnologie und die Biotronik.

Trotz deutlicher Verbesserungen seit 1998 gibt es im Bereich der Umwelt-, Frauen- und Friedensforschung weiter Nachholbedarf. Angesichts ungelöster Umweltprobleme, der noch unverwirklichten Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und der neuen friedenspolitischen Herausforderungen wollen wir hier Schwerpunkte setzen.

Kultur ist das Lebenselixier der Gesellschaft
Bildende Kunst, Theater, Film, Musik und Literatur ermöglichen Wege des Ausdrucks und der Kommunikation, auf die eine lebendige, offene Gesellschaft nicht verzichten kann. Wir setzen uns deshalb weiter dafür ein, dass Künstlerinnen und Künstler in Deutschland ansprechende Rahmenbedingungen vorfinden. Dazu gehören steuerliche und rechtliche Verbesserungen ebenso wie die Förderung des künstlerischen Nachwuchses und des internationalen Kulturaustausches.

Wir stehen dafür, Freiräume für Kunst und Kreativität zu sichern und zu fördern. Kultur und Kunst gehen von den Menschen aus, nicht vom Staat. Der Staat hat die Aufgabe, den kulturellen und künstlerischen Anliegen in der Gesellschaft Raum zu geben und dabei der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Kunst und Kultur nicht in jedem Fall marktfähig sind. Er hat Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich Kunst und Kultur frei entfalten können.

Die Auseinandersetzung mit und das Lernen aus der Geschichte sind für uns von großer Bedeutung. Wir müssen wissen, woher wir kommen, um zu wissen, wohin wir gehen. Das kulturelle Erbe in seiner ganzen Vielfalt und Breite zu erhalten, ist daher ein zentrales Ziel unserer Kulturpolitik. Dazu gehört auch die Einführung des freiwilligen Jahres im Denkmalschutz und des freiwilligen kulturellen Jahres. Die deutsche Theaterlandschaft verdient die besondere Sorgfalt von Staat und Bürgergesellschaft.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen eine aktive Begegnung der Kulturen der Welt. Kultureller Austausch ist unverzichtbar für ein tolerantes, friedliches Zusammenleben. Wir begreifen kulturelle Verständigung auch als einen Schlüssel für ein zusammenwachsendes Europa.


2.4. Selbstbewusstes Ostdeutschland
Wir wollen in den nächsten vier Jahren das Zusammenwachsen hin zu einem solidarischen Gesamtdeutschland weiter voranbringen. Wir setzen auf ein selbstbewusstes Ostdeutschland. Wir setzen auf gesamtdeutsche Gerechtigkeit - und wollen deshalb den sozialen Abstand zwischen Ost und West weiter verringern. Wir setzen auf mehr Arbeit für Ostdeutschland - und wollen deshalb die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur verbessern. Wir setzen auf ein demokratisches Ostdeutschland - und wollen deshalb Vertrauen in die Demokratie stärken und bürgerschaftliches Engagement fördern. Wir setzen auf ein nachhaltiges Ostdeutschland - und wollen deshalb Wissenschaft und Zukunftstechnologien fördern. Wir setzen auf die Jugend in Ostdeutschland - und wollen deshalb in Bildung und Ausbildung investieren.

Vom Osten lernen
Ostdeutschland hat allen Grund zu Selbstbewusstsein. Die Bürgerbewegung hat 1989 maßgeblich zur friedlichen Revolution beigetragen. Viele Menschen in Ostdeutschland haben nach dem Fall der Mauer und der deutschen Vereinigung ihre Chancen genutzt. Sie haben in den vergangenen 12 Jahren ihre Veränderungsbereitschaft und ihre Offenheit für neue Lösungen unter Beweis gestellt. Durch Eigeninitiative und solidarische Unterstützung ist viel erreicht worden. Auf diese Stärken gründet sich die gemeinsame Zukunft. Die alten Länder können von den neuen viel lernen, zum Beispiel in der Kinderpolitik: Die flächendeckende Versorgungsstruktur im Kinderbetreuungsbereich wollen wir erhalten oder, wo es zu Abbau gekommen ist, wieder herstellen.

Für ein solidarisches Gesamtdeutschland
Mit der Fortführung des Solidarpakts haben wir die finanziellen Grundlagen für den Aufbau Ost bis 2020 geschaffen. Das war die wichtigste Weichenstellung für Ostdeutschland seit langem. Jetzt kommt es darauf an, die Fördermittel zielgenau einzusetzen. Denn was gut für den Thüringer Wald ist, muss nicht gut sein für die Mecklenburgische Seenplatte. Wir wollen die Förderung daher stärker auf die unterschiedlichen Regionen ausrichten. Regionale Besonderheiten sind künftig mehr zu beachten. Darüber hinaus wollen wir die Verzahnung von europäischen und deutschen Förderungsinstrumenten verbessern.

Arbeitsplätze für Ostdeutschland
Ostdeutschland braucht eine Offensive gegen die Arbeitslosigkeit. Wir wollen die Standortbedingungen in Ostdeutschland verbessern - denn nur dann entstehen neue Arbeitsplätze. Wir müssen die ostdeutsche Infrastruktur stärken. Eine insgesamt attraktivere soziale Infrastruktur trägt dazu bei, die in den letzten Jahren wieder steigende Abwanderung zu stoppen. Das gilt nicht nur für Verkehrswege und Telekommunikation. Das gilt vor allem für soziale Infrastruktur wie Bildung und Wissenschaft, Kinderbetreuung, Schule, Sport- und Jugendeinrichtungen, Kultur- und Freizeitangebote. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen bleiben notwendige Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland - vor allem dort, wo die soziale Infrastruktur nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist.

Die boomende Umweltbranche für Ostdeutschland nutzen
Mit ökologischen Ideen lassen sich schwarze Zahlen schreiben. Im Bereich der Erneuerbaren Energien wurden in den letzten Jahren Hunderttausende neuer Arbeitsplätze geschaffen. Hier besteht ein innovativer Markt, der seine Grenzen noch lange nicht erreicht hat. Ostdeutschland kann zum Vorreiter bei ökologischen Zukunftstechnologien und Pioniermärkten werden. Hier wollen wir ganz gezielt investieren, fördern und unterstützen. Wir wollen unter dem Motto "Ideen und Wissen schaffen Arbeitsplätze und Märkte" mit der Einführung einer Innovationszulage ein neues Instrument der Förderpolitik schaffen. Damit sollen Erfindungen und Innovationen gefördert sowie Anreize für die Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten geschaffen werden.

Forschungs-und Bildungsschwerpunkt Ostdeutschland
Wir wollen in ostdeutsche Hochschulen und Forschung investieren - denn innovative Produkte und Dienstleistungen schaffen Arbeit. Wo ein dichtes Netz aus Forschung und Wissenschaft vorhanden ist, lassen sich neue Firmen nieder und schaffen Arbeitsplätze. Wir wollen den Technologietransfer aus den Hochschulen und Forschungsinstituten in die Unternehmen stärken. Innovative Unternehmensgründungen und -erweiterungen wollen wir fördern. So können Regionen entstehen, in denen vernetzt gelernt, geforscht und produziert wird. Die Vernetzung von Innovationszentren ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen.

Eine Perspektive für die Jugend
Wir wollen die Perspektiven von Jugendlichen verbessern. Ob Jugendliche in Ostdeutschland bleiben, hängt auch von ihrer Lebensqualität und von ihren Perspektiven ab. Wir wollen die kulturellen Angebote für junge Frauen und Männer stärken und ausbauen, die politische Bildung verbessern sowie die offene Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit fördern. Deshalb planen wir den Wettbewerb "Die Jugend bleibt". Hier sollen innovative und kreative Jugendprojekte sowie Beispiele für die Gestaltung des Lebens- und Wohnumfelds junger Menschen ausgezeichnet werden. Das stärkt das Selbstwertgefühl und die Bindung an die eigene Region.

Für Toleranz und demokratisches Miteinander
Wir treten dem Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus - in Ost und West - entschlossen entgegen. Wir engagieren uns für den Schutz von Minderheiten, für Toleranz und ein demokratisches Miteinander. Das bestehen "national befreiter Zonen" ist für uns unerträglich. Gewalt gegen alles "Fremde" ist ein Anschlag auf Menschenwürde und Demokratie.

Chancen der Osterweiterung
Wir wollen die Vorteile Ostdeutschlands im zusammenwachsenden Europa nutzen: Ostdeutschland entwickelt sich in eine Verbindungsregion im Zentrum Europas. Wir wollen diese Entwicklung sozial und solidarisch gestalten. Und wir wollen die kulturellen und wirtschaftlichen Chancen, die sich daraus für Ostdeutschland ergeben, ausschöpfen.



3. Gesellschaftliche Demokratisierung
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind die Partei der Freiheits- und der Bürgerrechte. Wir haben seit unserer Gründung viel für die demokratische Öffnung der Gesellschaft, die Rechte von Minderheiten und die Selbstbestimmung der Menschen erreicht. Unsere Wurzeln liegen im Engagement der Demokratie- und Bürgerrechtsbewegungen in Ost und West. Die Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler von BÜNDNIS 90 haben wesentlich zur Überwindung der SED-Diktatur und zu einer lebendigen Demokratie in Ostdeutschland beigetragen. Während die anderen Parteien Modernisierung immer nur ökonomisch buchstabieren, haben wir in den letzten vier Jahren die gesellschaftliche Modernisierung angeschoben: Das neue Staatsbürgerschaftsrecht, die Eingetragene Lebenspartnerschaft oder der verbesserte Schutz vor häuslicher Gewalt sind einige Beispiele.

Selbstbestimmung und Demokratie gehören zu unseren Grundwerten. Gleiche Rechte, die Pluralität der Lebensformen, Minderheitenschutz und Wahrung der Menschenrechte bestimmen unser Handeln.

Es gibt viel zu tun: Wir werden demokratische Mitwirkungsrechte ausbauen und die Gerechtigkeitslücke zwischen Frauen und Männern schließen. Wir gestalten Einwanderung, schützen das Asylrecht und fördern Integration. Wir erweitern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und wahren die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Jeder Form von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus stellen wir uns entgegen.

Am 22. September 2002 entscheiden Sie: Unseren Entwurf einer multikulturellen, weltoffenen, lebendigen Demokratie stellen wir der konservativen Idee einer deutschen Leitkultur und der neoliberalen Wertebeliebigkeit entgegen. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN stehen für den gesellschaftlichen Aufbruch.


3.1. Lebendige Demokratie
Demokratie lebt von Einmischung und gesellschaftlichem Engagement. Wir wollen ein großes Demokratiepaket für Deutschland, indem wir das Einwanderungsland gestalten, die Bürgerrechte ausbauen, Diskriminierungen beseitigen und die Balance von Freiheit und Sicherheit gewährleisten.

Einwanderungsland Deutschland gestalten
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wir brauchen Einwanderung nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus demographischen Gründen. Die Fehler der alten "Gastarbeiterpolitik" dürfen nicht wiederholt werden. Wir wollen eine Integrationsoffensive. Dauerhaft hier lebende Ausländerinnen und Ausländer müssen gleichberechtigten Zugang zum gesellschaftlichen und politischen Leben haben. Migrantinnen bedürfen hierzu einer besonderen Förderung.

Integrationspolitik ist eine Querschnittsaufgabe und kostet Geld. Aber jeder Euro ist eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Sprachkompetenz ist eine Voraussetzung für den Erfolg in Schule und Beruf sowie für soziale Anerkennung. Die Sprachförderangebote des Bundes für Migrantinnen und Migranten sowie Aussiedlerinnen und Aussiedler müssen vereinheitlicht und weiter entwickelt werden. Interkulturelle Erziehung in Kindergärten und Schulen muss zur Regel werden - und zwar zum Nutzen aller Kinder. Integration erfolgt immer auch über den Arbeitsprozess. Der öffentliche Dienst soll deshalb eine Vorreiterrolle bei der Ausbildung und Einstellung von Einwanderinnen und Einwanderer übernehmen. Die Staatsbürgerschaftsreform wollen wir weiterführen und für die erste Generation der Einwanderer die Möglichkeit des so genannten Doppelpasses einführen und die Einbürgerung von Kindern weiter erleichtern.

Arbeitsmigration darf aber nicht gegen den menschenrechtlich begründeten Flüchtlingsschutz ausgespielt werden.

Das Asylrecht ist ein unveräußerliches Menschenrecht. Wir sind die Garanten des Asylgrundrechts unserer Verfassung und setzen uns auch in Zukunft dafür ein, dass sowohl die deutsche als auch die europäische Flüchtlingspolitik auf der uneingeschränkten und umfassenden Gültigkeit der Genfer Flüchtlingskonvention aufbaut. Die Anerkennung von geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung und von Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität ist ein Gebot der Genfer Flüchtlingskonvention. Flüchtlingspolitik heißt für uns zum einen, Fluchtursachen zu beseitigen, und zum anderen, Menschen auf der Flucht bei uns menschenrechtlich und rechtsstaatlich gesicherten Schutz zu gewähren. Faire, effektive und zügige Asylverfahren sind im Interesse der Asylsuchenden wie der Behörden. Deshalb wollen wir die Asylanerkennungsverfahren weiter verbessern. Vor der Asylantragstellung müssen umfassende und unabhängige Beratungsmöglichkeiten eingerichtet werden. Die Abschiebehaft und das Flughafenverfahren wollen wir künftig vermeiden. Illegalisierten Menschen dürfen elementare Rechte wie z. B. die medizinische Versorgung nicht länger vorenthalten bleiben. Das Auseinanderklaffen von Sozialhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wollen wir durch eine soziale Grundsicherung überwinden. Um die Schutzlükke für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge zu schließen wollen wir, dass die Vorbehalte gegen die Kinderkonvention der Vereinten Nationen zurückgenommen werden.

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden wir konsequent bekämpfen und verfolgen. Dies gilt auch für rechtsextreme Organisationen und Parteien. Auch dabei setzen wir auf den Dreiklang von Prävention, Intervention und Repression. Wir wollen ein gesellschaftliches Klima schaffen, das dem Rechtsextremismus den Boden entzieht und Rassismus und Antisemitismus ächtet. Opferberatungsstellen, das Bündnis für Demokratie und Toleranz und den Aufbau und die Vernetzung von Vereinen für das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit wollen wir auch finanziell fördern.

Bürgerrechte ausbauen
Eine moderne, aktive Bürgergesellschaft muss die Bürgerinnen und Bürger überall in politische Entscheidungen einbeziehen. Durch die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide bauen wir die direkte Beteiligung aus. Grundrechte und Minderheitenschutz müssen durch die Abstimmungsverfahren ausdrücklich gewährleistet sein.

Wir wollen die Direktwahl der Bundespräsidentin bzw. des Bundespräsidenten. Im Petitionsrecht wollen wir die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken. Bei Wahlen, Abstimmungen und Petitionen wollen wir Formen der elektronischen Demokratie verstärkt nutzen. Dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und dem Freiwilligen Ökologischem Jahr (FÖJ) haben wir einen rechtlichen Rahmen gegeben. Wir werden das bürgerschaftliche Engagement weiter fördern und wollen ein "Freiwilligen-Gesetz" verwirklichen, das freiwillige Tätigkeit von der Erwerbsarbeit abgrenzt und ihr die erforderliche Anerkennung sichert. Wir wollen die kulturellen Angebote für junge Frauen und Männer stärken und ausbauen, die politische Bildung verbessern und die offene Jugendarbeit, die Jugendsozialarbeit sowie die Kinder- und Jugendverbandsarbeit fördern. Wir wollen selbstbestimmte Strukturen in der Gesellschaft, die auch bei Kommunikation, Kunst, Wissenschaft und Jugendkultur nicht aufhören. Wir wollen transparente und kooperierende staatliche Strukturen und die Verwaltung weiter modernisieren.

Bürgerrechte sind das Fundament der Demokratie. Die Rechte der Einzelnen als Person oder als Teil einer gesellschaftlichen Minderheit müssen gegen unverhältnismäßige Eingriffe staatlicher und privater Stellen verteidigt wer den. Wir wollen die Bürgerinnen- und Bürgerrechte auch in Europa stärken. Wir setzen uns dafür ein, dass die Grundrechtecharta endlich rechtsverbindlich und Teil einer europäischen Verfassung wird. Die wachsenden Zuständigkeiten der EU im Bereich der Justiz- und Innenpolitik dürfen nicht dazu führen, dass demokratische und bürgerrechtliche Standards darunter leiden. Dies heißt für uns, dass wir einerseits auch in diesem Bereich für eine umfassende Demokratisierung und insbesondere die Mitentscheidung des europäischen Parlaments eintreten. Andererseits wollen wir mehr parlamentarische und justizielle Kontrolle für die europäische Polizeibehörde Europol.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein elementares Grundrecht, das mit der rasanten Entwicklung in der Informationsgesellschaft Schritt halten muss. Durch ein Auskunfts- und Widerrufsrecht bei der Erhebung von Daten wollen wir mehr Transparenz schaffen und den Schutz im Internet - etwa bei der Erhebung von Kundendaten - verstärken. Die Bürgerinnen und Bürger müssen ein Recht haben zu erfahren, an wen und für welchen Zweck ihre Daten weitergegeben werden. Für die zunehmende Überwachung in der Arbeitswelt, aber auch im öffentlichen Raum bedarf es einer klaren gesetzlichen Regelung.

Wir haben den großen Lauschangriff immer abgelehnt. Deswegen wollen wir die tatsächliche Anwendung zurückdrängen und die Berichtspflichten der Länderbehörden erheblich ausweiten. In Deutschland werden weltweit am meisten Telefone abgehört. Die Telefonüberwachung muss an höhere gesetzliche Hürden gebunden werden. Mit einem Informationsfreiheitsgesetz muss allen Bürgerinnen und Bürger der umfassende Zugang zu amtlichen Akten und Datenträgern ermöglicht werden. Wir stehen für eine demokratische Fortentwicklung des Cyberspace. Demokratie und Bürgerrechte dürfen vor dem Cyberspace nicht Halt machen. Mögliche Bedrohung ziviler Datennetze durch Hackerangriffe und die Gefahren virtueller Kriegsführung nehmen wir ernst. Wir setzen uns ein für die Vielfalt von Betriebssystemen und Software und wollen durch die Förderung von open-source monopolistische Tendenzen durchbrechen und die Teilhabe aller am Nutzen der neuen Technologien ermöglichen.

Wir wollen weiter den Weg in eine neue Drogenpolitik gehen. Die bisherige Drogenpolitik der generellen Strafverfolgung von Konsumenten ist gescheitert und muss beendet werden. Ein unkontrollierbarer Schwarzmarkt verschlimmert die Probleme nur. Wer Probleme mit Drogenkonsum hat, braucht Hilfe statt Strafe. Viele andere, meist Cannabiskonsumenten, werden durch Verbote nur schikaniert und kriminalisiert. Es muss auch Schluss damit sein, dass bereits der bloße Besitz von Cannabis den Führerschein kosten kann. Deshalb setzen wir auf ein gutes Hilfesystem, das sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert und Selbsthilfestrukturen unterstützt. Risikominimierung und bewusster Umgang mit allen Drogen - also auch Alkohol und Tabak - sind dabei maßgebend. Wir setzen uns für eine Legalisierung von weichen Drogen wie Haschisch und Marihuana ein.

Diskriminierung beseitigen
Niemand darf wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion, einer Behinderung, des Alters, der Hautfarbe oder der sexuellen Identität diskriminiert werden. Deswegen wollen wir ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz.

Wir wollen die rechtliche Stellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften verbessern. Rechte und Pflichten sollen in ein faires Verhältnis kommen.

Wir treiben die Gleichstellung von Schwulen und Lesben voran und sind Garant dafür, dass das Erreichte nicht nur verteidigt, sondern ausgebaut wird. In einer zweiten Runde wollen wir die Eingetragene Lebenspartnerschaft durch das Ergänzungsgesetz weiter anreichern, z. B. bei der Hinterbliebenenversorgung und im Steuerrecht.

Schon im Interesse des Kindeswohles ist es geboten, die rechtliche und finanzielle Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern zu beenden. Dazu gehört es auch, das Adoptionsrecht für eingetragene Partnerschaften zu öffnen.

Wir setzen uns ein für die historische Aufarbeitung der Homosexuellen-Verfolgung und für ein würdiges Gedenken an die Opfer.

Nach der erfolgreichen Durchsetzung des Gleichstellungsgesetzes von Menschen mit Behinderung wollen wir das Prinzip der Barrierefreiheit weiter im Alltag verankern. Das Sexualstrafrecht muss Behinderte wirkungsvoll vor sexuellen Übergriffen schützen.

Freiheit und Sicherheit
Die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit, besonders der Schutz vor Gewalt, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaats. Lebensqualität ist nicht vorstellbar ohne das Gefühl von Sicherheit. Unsere Kriminalpolitik setzt auf Prävention, rasche Aufklärung, angemessene Strafverfolgung, Opferschutz, Resozialisierung und die Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Prävention bedeutet bessere Schulen, bessere Bildung und mehr soziale Sicherheit. Der Kampf gegen die Unwirtlichkeit unserer Städte und eine integrative Kommunalpolitik ist ein wichtiger Beitrag zur Vorbeugung von Alltagskriminalität.

Im Jugendstrafrecht verteidigen wir den Erziehungsgedanken und die Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren. Wir wollen den Schutz und die Rechte der Opfer im Strafprozess deutlich stärken - minderjährigen Opfern muss anwaltlicher Beistand garantiert sein.

Der Kauf und das Tragen von Waffen müssen unter wirksamere Kontrollen gestellt werden. Die Bekämpfung von wirtschaftlicher und politischer Korruption ist für die Stabilität der Demokratie entscheidend. Wir haben mit dem neuen Parteiengesetz eine gute Grundlage gelegt, dass bestechliche Politiker zur Rechenschaft gezogen werden. Aber nicht nur gegen die Bestochenen muss hart vorgegangen werden - auch gegen die, die mit Millionen bestechen. Wir wollen ein Korruptionsregister beim Bundeskriminalamt. Es muss sichergestellt werden, die in Korruption verstrickten Unternehmen keine Aufträge von Bund, Ländern und Kommunen mehr erhalten. Vergabeverfahren müssen transparent und für alle nachvollziehbar ausgestaltet werden.

Gegen die Geldwäsche und illegale Finanzmachenschaften setzen wir auf die Lockerung des Bankgeheimnisses und auf ein europäisches Vorgehen, um der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität wirkungsvoll entgegentreten zu können.

Der Internationale Terrorismus stellt den Rechtsstaat und die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger vor neue Herausforderungen. Freiheitsrechte und der Anspruch auf Sicherheit dürfen aber nicht in Gegensatz zueinander gebracht werden. Wir werden die Gesetze, die im Rahmen der Sicherheitspakete gegen den Terrorismus verabschiedet wurden, immer wieder daraufhin bewerten, ob sie wirksam sind, verhältnismäßig und die Balance von Sicherheit und Freiheit wahren. Dem Prinzip der Befristung und rechtsstaatlichen Qualitätskontrolle, das wir in den Sicherheitspaketen durchgesetzt haben, wollen wir auch künftig Geltung verschaffen.

Aufgaben, Befugnisse und Struktur der Geheimdienste müssen durch eine unabhängige Geheimdienststrukturkommission umfassend neu bestimmt und klar begrenzt werden. Wir wollen die demokratische Kontrolle garantieren, beispielsweise durch die Stärkung der Befugnisse des Parlamentarische Kontrollgremium und einen Geheimdienstbeauftragten.


3.2. Die Hälfte der Macht den Frauen
Frauen beanspruchen heute ganz selbstverständlich Führungspositionen von Politik und Wirtschaft. Hieran hat unsere Frauenpolitik einen wichtigen Anteil. Aber immer noch ist unsere Gesellschaft weit davon entfernt, Frauen die Hälfte der Macht zuzugestehen. Die Hälfte der Macht für die Frauen, das bedeutet aber auch: die Hälfte der Verantwortung für die Männer. Aber selbst Männer, die dieser Verantwortung gerecht werden wollen, stoßen noch immer auf zahlreiche Hindernisse. Unserem Ziel sind wir in unserer Partei durch die Frauenquote sehr nahe gekommen und nehmen eine Vorreiterrolle für die Gesellschaft ein.

Die Gerechtigkeitslücke zwischen Frauen und Männern wollen wir schließen. Dies betrifft zum Beispiel die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer und insbesondere die Teilhabe an Entscheidungs- und Machtpositionen. Um die notwendige demokratische Modernisierung unserer Gesellschaft voranzutreiben, setzen wir auf einen offensiven Paradigmenwechsel von einer reinen Frauenpolitik hin zu einer geschlechtergerechten Politik, die auch Männer in den Blick und in die Verantwortung nimmt. Mit dem Gewaltschutzgesetz haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt: Häusliche Gewalt wird nicht weiterhin als Privatangelegenheit betrachtet und es garantiert, dass nicht mehr die Opfer, sondern die Täter die gemeinsame Wohnung verlassen müssen. Wir haben das Aufenthaltsrecht für ausländische Ehefrauen verbessert, und durch das Prostitutionsgesetz die Stellung der Prostituieren gegenüber den Freiern verbessert und die Doppelmoral zulasten der Frauen beendet. Das neue Bundeserziehungsgeldgesetz bringt Männern und Frauen Vorteile bei der Organisation des Familienalltags.

Wir stehen für eine Gesellschaftspolitik, die Frauen und Männer ermutigt und ihnen die Chance eröffnet, ihre eigenen Lebensentwürfe zu verwirklichen.

Chancengleichheit und Karriere
Frauen haben nach wie vor schlechtere Berufs- und Karrierechancen als Männer, auch wenn sie vielfach besser qualifiziert sind. Meist sind es die Frauen, die einen Karriereknick im Anschluss an Kindererziehungszeiten zu bewältigen haben. Aber auch patriarchale Strukturen und gesellschaftliche Vorurteile behindern Frauen in ihrem beruflichen Werdegang. Um diese zu überwinden brauchen wir auch frauenfreundliche Strukturen in den Betrieben, die die spezifischen Qualifikationen und Ansprüche von Frauen anerkennen und in die Personalplanungen einbeziehen. Aber auch Männer brauchen eine Veränderung der Arbeitsstrukturen, wenn sie Verantwortung für Kinder oder pflegebedürftige Menschen übernehmen.

Durch das Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst wurden den Frauen neue Ein- und Aufstiegschancen eröffnet. Wir werden uns weiterhin mit Nachdruck für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft einsetzen, in dem verbindliche Vorgaben für die Einstellung und Beförderung von Frauen festgelegt werden. Wir treten dafür ein, bei Stellenbesetzungen klare Qualifikationsanforderungen festzulegen, die Frauen nicht diskriminieren.

Die Koppelung der Vergabe öffentlicher Aufträge an die tatsächliche Frauenförderung eines Betriebes schafft zusätzliche Anreize, den innerbetrieblichen Prozess der beruflichen Gleichstellung zu beschleunigen. Junge Frauen wollen wir ermutigen, in tradierte Männerberufe einzudringen und in zukunftsfähige Branchen einzusteigen.

Auch in Wissenschaft und Forschung ist der Anteil der Frauen nicht nur in Führungspositionen viel zu gering. Hier muss staatliche Förderung ansetzen und auf die besonderen Lebenslagen junger Wissenschaftlerinnen eingehen. Auf dieses Potenzial gut ausgebildeter Frauen wollen wir nicht verzichten.

Frauen und Gesundheit
Frauendiskriminierung macht vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Es fehlt eine kontinuierliche Berichterstattung über die gesundheitliche Situation von Mädchen und Frauen. Diese unzureichende Datenlage führt zu fehlender oder falscher Medikamentierung und Behandlungsmethoden. Geschlechtsspezifische Aspekte müssen auch in der Aus- und Weiterbildung bei Gesundheitsberufen berücksichtigt werden. Wir brauchen mehr Geld in der Frauengesundheitsforschung.

Um das Brustkrebsrisiko zu verringern setzen wir uns für hohe Qualitätsstandards bei Mammographien und die Möglichkeit zu alternativen Vorsorgeuntersuchungen ein. Eine hohe Qualifikation und Spezialisierung des medizinischen Personals, regelmäßige Kontrollen der Geräte sowie die doppelte Auswertung der Ergebnisse müssen selbstverständlich sein. Außerdem fordern wir ein flächendeckendes Krebsregister, um eine optimale Behandlung zu gewährleisten.

Schwangerschaftsabbruch - Frauen in Zwangslagen
Wir treten ein für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Deshalb werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass das Recht der Frauen, sich selbstbestimmt und ohne äußeren Druck für oder gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden, gewahrt bleibt. Ein wichtiger Schritt dazu ist, die Rahmenbedingungen für ein Leben mit Kindern zu verbessern. Auch eine strafrechtliche Verfolgung von Schwangerschaftsabbrüchen ist kein geeigneter Weg, Entscheidungen für das Leben mit Kindern zu fördern. Keine Frau entscheidet über eine Abtreibung ohne große Konflikte.

Eine Hilfe für Frauen in Zwangslagen könnte dagegen zukünftig die anonyme Geburt sein: Frauen sollen künftig die Möglichkeit bekommen, ihr Kind in einer Klinik zur Welt zu bringen, ohne ihre Personalien angeben zu müssen.

Wir treten dafür ein, dass qualifizierte, persönliche Beratungs- und Hilfsangebote auf freiwilliger Basis gewährleistet bleiben.

Fortpflanzungsmedizin
Wir treten dafür ein, dass Präimplantationsdiagnostik in Deutschland verboten bleibt. Bei allen Methoden der Pränataldiagnostik steht für uns das Selbstbestimmungsrecht der Frau im Vordergrund. Das Recht des Schwangerschaftsabbruchs im Rahmen der heutigen Regelung darf sich, auch bei differenzierten Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik, nicht zu einer Pflicht zu einem Kind ohne Behinderung ausweiten. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wir treten auch in diesem Bereich dafür ein, dass für alle Betroffenen eine qualifizierte ergebnisoffene Beratungsmöglichkeit besteht.

Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe
Frauenpolitik ist Querschnittspolitik. Als Ergänzung zu den gezielten Frauenfördermaßnahmen treten wir dafür ein, die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Entscheidungsprozessen zu etablieren. Diesen Prozess des so genannten Gender Mainstreaming wollen wir beschleunigen und verstärken. Die Bundesregierung soll über getroffene Maßnahmen regelmäßig berichten.

Auch wenn öffentliche Gelder ausgegeben werden, muss das Geschlechterverhältnis in Rechnung gestellt werden. Dazu muss bekannt sein, ob und wie sich Investitionen oder Kürzungen in bestimmten Bereichen auf Männer und Frauen auswirken. Nur so können gezielte Maßnahmen zur Förderung von Frauen ergriffen werden. Wir treten dafür ein, dass die Haushalts- und Finanzpolitik dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet sind.

Fortbildungen und Trainingsmaßnahmen bleiben dabei besonders in Verwaltung und Ministerien unerlässlich.

Frauenrechte sind Menschenrechte.
Wir setzen uns dafür ein, den Frauenrechten weltweit Geltung zu verschaffen. Der Frauen- und Mädchenhandel ist international zu einem blühenden Geschäft geworden. Auch in der Bundesrepublik werden durch diese neue Form der Sklaverei große Gewinne erzielt. Zeuginnen, die den Mut aufbringen gegen die Täter auszusagen, brauchen ein sicheres Aufenthaltsrecht in Deutschland. Um Frauen und Mädchen auch bei uns wirksam zu schützen, müssen Zwangsheirat und Zwangsarbeit wie der Menschenhandel verboten werden.

Wir setzen uns für die ausdrückliche weltweite Ächtung der genitalen Verstümmelung von Mädchen und Frauen ein. Das gesamte Instrumentarium der Außen- und Außenhandelspolitik wollen wir darauf ausrichten, Menschenrechtsverletzungen an Frauen zu unterbinden. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit müssen frauenspezifische Belange neben ökologischen und sozialen Standards im Mittelpunkt stehen.

Auch und gerade im Zusammenhang mit Globalisierung ist es notwendig, Haushalts- und Ausgabenpolitik von Staaten und internationalen Institutionen auf die Auswirkungen für Frauen und Männer zu prüfen. Nur so können geschlechtergerechte und nachhaltige Strategien für die Entwicklung eines Landes entwickelt werden. In die Reform des Internationalen Währungsfonds muss das Instrument des Gender budgeting einfließen, damit sich dessen Politik nicht allein an Zahlungsbilanzen, Zinsraten und Geldwertstabilität orientiert.



4. Gerechte Globalisierung und Europäische Demokratie
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sind die Partei der ökologischen, sozialen und demokratischen Weltinnenpolitik. Der Globalisierung eine gerechte Gestalt zu geben, eine Kultur der Prävention aufzubauen, die Vereinten Nationen zu stärken, die Europäische Union zu demokratisieren und die transatlantische Beziehung im Sinne kritischer Solidarität zu gestalten - das sind unsere Ziele, denen wir bereits ein gutes Stück näher gekommen sind.

Mit der Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder haben wir zahlreichen Ländern wieder Luft verschafft. Das Abkommen zum Klimaschutz und zum weltweiten Verbot der zwölf giftigsten Stoffe waren ein Schritt zu mehr globaler Gerechtigkeit. Wir haben die Debatte um eine europäische Verfassung angestoßen. Mit der Grundrechtecharta und dem Verfassungskonvent ist die Basis für ein bürgerrechtliches und demokratisches Fundament für die Europäische Union gelegt. In Mazedonien ist es durch rechtzeitigen politischen Druck auf die Konfliktparteien und militärische Garantien zum Schutz der Bevölkerung gelungen, einen Bürgerkrieg zu verhindern. Zur Stärkung der Politik der Prävention haben wir ein eigenes Ausbildungsprogramm für ziviles Personal geschaffen. Südosteuropa wurde durch den Stabilitätspakt erstmals eine wirklich friedliche Perspektive eröffnet und ein Weg in Richtung Europäischer Union gewiesen. Die internationalen Anstrengungen zum demokratischen Wiederaufbau Afghanistans haben wir voran gebracht. Die für Asylverfahren entscheidenden Lageberichte wurden neu gefasst und restriktive Rüstungsexportrichtlinien beschlossen.

Die Globalisierung stellt unsere Gesellschaft und die internationale Politik vor völlig neue Herausforderungen. Die Europäische Union ist ein wichtiger Schlüssel zur Lösung dieser Aufgaben. Die europäische Integration hat Westeuropa eine lange Friedensperiode beschert. Nachdem die Teilung des Kontinents überwunden ist, eröffnet sie die Möglichkeit eines dauerhaften friedlichen Zusammenlebens in ganz Europa. Schon jetzt sind die Staaten Ost- und Mitteleuropas auf ihrem Weg zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und sozialer Marktwirtschaft ein gutes Stück vorangekommen.

Aber immer noch sind wir von einer stabilen Friedensordnung weit entfernt. Hatte die Außen- und Sicherheitspolitik in Zeiten der Blockkonfrontation ihre stabilen Leitplanken, so muss sie heute einen neuen Ordnungsrahmen erst schaffen und festigen. Regionale und innerstaatliche Konflikte sowie die mit dem 11. September 2001 offenkundig gewordene Bedrohung durch den internationaler Terrorismus prägen unsere Zeit. Wir haben Einsätzen der Bundeswehr zugestimmt, ohne uns vom Ziel der Gewaltfreiheit zu verabschieden. Unsere Priorität ist eindeutig: Wir wollen die internationalen Beziehungen zivilisieren und setzen vorrangig auf den Ausbau der Krisenprävention und die Stärkung und Demokratisierung der Vereinten Nationen.

Ökologie, Selbstbestimmung, Demokratie und Gerechtigkeit gelten für uns auch international. Menschenrechte und Gewaltfreiheit folgen aus unseren Grundwerten. Deshalb lassen wir uns von den Grundprinzipien der Zivilisierung und Entmilitarisierung der internationalen Politik und dem Ziel einer ökologisch-solidarischen Weltwirtschaftsordnung leiten.

Es gibt viel zu tun. In den nächsten Jahren stehen weit reichende Entscheidungen für die europäische und internationale Politik an. Wir wollen die zügige Erweiterung der EU. Wir wollen ein demokratisiertes Europa und eine starke europäische Union. Deswegen brauchen wir die europäische Verfassung. Wir wollen die internationalen Institutionen so ausbauen, dass sie zu Trägern und Motoren einer gerechten und ökologischen Entwicklung werden.

Am 22. September 2002 entscheiden Sie: Wir wollen eine Politik der globalen Gerechtigkeit, der Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte und des dauerhaften Friedens. Diese setzen wir den Vorstellungen der anderen Parteien von Renationalisierung oder von ungehemmter Globalisierung entgegen.


4.1. Gerechte Globalisierung
Die globale Verflechtung von Märkten hat nicht zur Überbrückung der Kluft zwischen Arm und Reich geführt - im Gegenteil. Nur 20 Prozent der Menschheit profitieren bisher von der Globalisierung. Neue Technologien wie Internet lassen die Welt dichter zusammenrücken, Entwicklungen wie die Gentechnik stellen hohe Ansprüche an unsere Fähigkeit global zu denken und zu handeln. Internationale Politik ist heute zunehmend Weltinnenpolitik. Sie muss sich am Leitbild der Gerechtigkeit orientieren und auf eine Politik der Verantwortungsethik zielen. Nur eine gerechte Globalisierung reduziert Armut, sichert die ökologischen Ressourcen und schafft mehr Sicherheit. Mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 hat die Bekämpfung des internationalen Terrorismus neues Gewicht erhalten. Wir brauchen ein erweitertes Verständnis von Sicherheit. Wer den internationalen Terrorismus dauerhaft besiegen will, muss die Lebensgrundlagen der Menschen verbessern, den "Dialog der Kulturen" ernsthaft führen und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung errichten. Uns geht es um die Verankerung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Kriterien auch in der Weltwirtschaft. Wir machen eine Politik der Solidarität der Einen Welt und kämpfen gegen eine Globalisierung, die eine Spaltung der Welt in Arm und Reich verfolgt. Dem Primat der Ökonomie setzen wir das Primat der Politik entgegen, um die Chancen der Globalisierung zu nutzen. Die Rolle der Frauen im Globalisierungsprozess bedarf hierbei der besonderen Beachtung.

Ökologische Modernisierung und weltweite Agrarwende
Im internationalen Rahmen muss sich Umweltpolitik zunehmend mit den Folgen der Globalisierung auseinandersetzen. Wir wollen die internationale Umweltagentur UNEP zum globalen Anwalt ökologischer Belange ausbauen und damit ein Gegengewicht zur Welthandelsorganisation bilden.

Der internationale Klimaschutz hört nicht mit dem Kyoto-Protokoll auf. Für die Zeit nach 2012 sind weitere deutliche Minderungen der klimaschädlichen Emissionen nötig. Wir werden uns dafür einsetzen, dass gerade die Industriestaaten, aber auch die Schwellenländer ihren Beitrag dazu leisten.

Wir kämpfen für eine Marktöffnung für Entwicklungsländer, für den Abbau ökologisch und sozial schädlicher Subventionen und einen weltweit verbesserten Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten. Exportsubventionen wollen wir abschaffen und insbesondere die Abschottung Europas für landwirtschaftliche Produkte aus so genannten Entwicklungsländern systematisch abbauen. Dabei müssen Umweltkriterien, Kriterien des Verbraucherschutzes und der Entwicklung der ländlichen Räume Regeln des internationalen Handels werden, sonst gewinnen die internationalen Konzerne und Eliten, nicht aber die Menschen. Von den mehr als 800 Millionen hungernden Menschen leben 70 Prozent in ländlichen Räumen. Wir wollen gerade in diesen Ländern die bäuerliche Landwirtschaft stärken und der Ernährungssicherung ihrer eigenen Bevölkerung höchste Priorität einräumen.

Mehr Geld aus dem Norden - mehr politische Beteiligung für den Süden
Wir sind den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen verpflichtet, vor allem dem Ziel, die extreme Armut und den Hunger in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Neben Reformanstrengungen in den Entwicklungsländern braucht es hierzu zusätzliche Mittel aus den öffentlichen Haushalten der Industrieländer. Deshalb wollen wir, dass die Bundesrepublik im Rahmen konkreter Zeitpläne so schnell wie möglich die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts erhöht. Wir wollen weitere innovative Finanzierungsquellen für Umwelt und Entwicklung erschließen, wie z. B. ein Nutzungsentgelt für den Verbrauch öffentlicher Güter. Wir wollen, dass Deutschland innerhalb Europas eine Initiative zur Einführung der Tobin-Steuer und anderer geeigneter Instrumente ergreift, um die internationalen Finanzmärkte zu regulieren und die Devisenspekulationen einzuschränken. Die Erlöse der Tobin-Steuer sollen Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und zur Erhaltung der Umwelt zugute kommen. Steueroasen wollen wir austrocknen.

Wir brauchen internationale Institutionen, in denen sich Industrieländer und Entwicklungsländer gleichermaßen repräsentiert sehen. Deshalb treten wir ein für eine Reform der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und der Welthandelsorganisation. Der Internationale Währungsfonds muss die Krisenprävention ausbauen und seine Programme auf ihre sozialen und ökologischen Folgen überprüfen. Die Welthandelsorganisation muss die Teilhabe aller Staaten verbessern und sich für zivilgesellschaftliche Akteure öffnen. Wir wollen, dass in der nächsten Runde der Welthandelsorganisation die Anliegen der Entwicklungsländer angemessen berücksichtigt werden.

Aber auch Entwicklungsländer müssen eigene Anstrengungen unternehmen. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte sowie eine funktionierende Wirtschaftsordnung sind wichtige Grundlagen für eine selbsttragende Entwicklung.

Entwicklung braucht Entschuldung
Die Entschuldung der armen Länder bleibt weiterhin ein vorrangiges Ziel grüner Außenpolitik. Die armen Länder brauchen Geld für die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen und nicht für Waffen. Sie brauchen Geld für die Versorgung der Kranken und Bedürftigen. Deshalb wollen sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - auch als Reaktion auf die neuerlichen Rüstungsprogramme der USA - darüber hinaus für eine G8-Initiative einsetzen, die die dringend notwendigen Gelder einfordert für die Bewältigung der globalen Herausforderungen: für die Überwindung von Krankheit, Armut und Unwissenheit und zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Zusätzlich fordern wir ein transparentes und faires Verfahren zur Haushaltssanierung von überschuldeten Staaten. Wir wollen ein internationales partnerschaftliches Insolvenzrecht einführen und rechtsstaatliche Verfahren auf internationaler Ebene verankern, die Lasten zwischen Schuldnern und Gläubigern angemessen verteilen und den Ländern eine Möglichkeit des wirtschaftlichen Neuanfangs geben. Bei der Bewältigung von Verschuldungskrisen muss auch der Privatsektor und müssen besonders die Banken einbezogen werden. Die Früherkennung von Wirtschafts- und Finanzkrisen muss verbessert werden.

Fairer Handel - Entwicklungszusammenarbeit stärken
Die Entwicklungszusammenarbeit leistet wichtige Beiträge beim Einsatz für die Rechte der Frauen, gegen Kinderarbeit und für die Rechte ethnischer oder religiöser Minderheiten. Damit dieses so bleibt, werden wir die begonnenen Strukturreformen in der technischen und finanziellen Zusammenarbeit vorantreiben. Dieses gilt für deutsche Entwicklungszusammenarbeit genauso wie für die von Europäischer Union und Vereinten Nationen.

Kampagnen für "Fairen Handel" für "Saubere Kleidung" und gegen Kinderarbeit wollen wir durch gezielte Programme unterstützen. Wir wollen die Nichtregierungsorganisationen als Anwälte einer gerechten Globalisierung stärken und den Zugang zu öffentlichen Mitteln entbürokratisieren.


4.2. Europäische Demokratie
Deutschland darf seine europäische Politik nicht auf nationale Interessen reduzieren. Wir wollen eine Politik der klugen Einbindung und der Selbstbeschränkung. Das Europa, das wir anstreben, ist das Europa der Demokratie und der Solidarität, das eine sozial gerechte und ökologische Politik nach innen und nach außen vertritt, eine Europäische Union, die den Menschen innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen nützt. Sie spielt eine aktive Rolle bei der sozialen und ökologischen Gestaltung der Globalisierung. Sie setzt Maßstäbe für andere. Bei den Verhandlungen für den Erhalt des Klimaschutzes hat sie dieses bereits getan. Die Europäische Union ist der bisher am weitesten reichende Ansatz für eine gemeinsame Verantwortung von Staaten, die dafür Teile der eigenen Souveränität abgeben, um neue, europäische Handlungsspielräume zu bekommen. Akzeptabel ist dies nur, wenn das Übertragen der Souveränität nicht zu einem Verlust an demokratischer Mitsprache und Kontrolle führt.

Die europäische Integration vertiefen
Die europäische Integration ist für uns der Rahmen, in dem die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihren europäischen Nachbarn am wirkungsvollsten zur Gestaltung einer europäischen und internationalen Friedensordnung beitragen kann. Unser Kernanliegen ist die Demokratisierung der EU. Gesicherte Bürgerrechte, mehr Transparenz und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sind dafür notwendige Voraussetzungen. Deshalb wollen wir, dass die zur Zeit vom Konvent zu erarbeitende Verfassung auch durch ein europaweites Referendum legitimiert wird.

Erweiterung vorantreiben
Europa wird ohne die Überwindung seiner Teilung nicht dauerhaft stabil werden. Ein geeintes Europa sichert aber nicht nur den Frieden in Europa, sondern bietet wirtschaftliche und kulturelle Perspektiven für die Beitrittsländer und die Länder der Union. Wir setzen uns für den sorgfältigen aber zügigen Abschluss der Erweiterungsverhandlungen und für eine schnelle Ratifizierung der Beitrittsverträge ein. Dabei wollen wir erreichen, dass die ersten neuen Mitgliedstaaten an den Wahlen zum Europaparlament im Sommer 2004 teilnehmen können.

Wir halten an der Integrationsperspektive für die Türkei fest. Sobald sie die wirtschaftlichen, sozialen und menschenrechtlichen Kriterien erfüllt hat, die die Europäische Union voraussetzt, sollten die Beitrittsverhandlungen beginnen.

Parallel zur Erweiterung bleibt die Ausgestaltung und die Vertiefung der engen Nachbarschaft zu Russland, der Ukraine und anderer Staaten eine wichtige Aufgabe der Europäischen Union und auch der Bundesrepublik Deutschland.

Europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik festigen
Der Ausbau der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist notwendig, um die Rolle der Europäischen Union in der Welt zu stärken. Wir setzen auf eine Priorität ziviler Konfliktbearbeitungsinstrumente. Im Sinne der Demokratisierung der Europäischen Union ist eine stärkere Beteiligung des Europäischen Parlaments in allen Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik erforderlich.

Südosteuropa stabilisieren
Südosteuropa ist seit dem Umbruch von 1989 die Krisenregion Europas. In keiner anderen Region der Welt ist Deutschland auf mittlere Sicht in vergleichbarer Weise in Konfliktprävention und Krisenbewältigung engagiert. Die Perspektive der europäischen Integration ist mehr und mehr zum Ordnungsfaktor in Südosteuropa geworden. Die Fortführung des Stabilitätspaktes für Südosteuropa ist ein wichtiges Element, um die grenzüberschreitende Kooperation in der Region zur Grundlage ihrer politischen und wirtschaftlichen Verflechtung zu machen.


4.3. Dauerhafter Frieden
Den Frieden zu sichern ist und bleibt Kern unserer Politik. Deshalb wollen wir, dass Prävention Vorrang hat. Wir machen uns stark für die von Kofi Annan geforderte "Kultur der Prävention" und den "Dialog der Kulturen". Dazu zählt für uns die Förderung und der Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung im Rahmen einer aktiven europäischen Außenpolitik ebenso wie das Bemühen zur Entspannung regionaler Konflikte, z. B. im Nahen und Mittleren Osten, beizutragen.

Die Vereinten Nationen stärken
Aus unserer Sicht bilden die Vereinten Nationen den Hauptrahmen für eine weltweite Ordnungspolitik, bei der die Menschenrechte im Zentrum stehen. Deshalb wollen wir die UN als wichtigste internationale Institution zur Lösung globaler Probleme und Konflikte stärken. Wir wollen das Völkerrecht im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen weiterentwickeln. Der Sicherheitsrat muss reformiert werden. Die angemessene Repräsentanz der Staaten muss auch im Sicherheitsrat gewährleistet sein. Die Vereinten Nationen und ihre Einzelorganisationen müssen auch regional wirksam gefördert werden. Angesichts der Zunahme von Konflikten sind die Anforderungen an die UN dabei wesentlich komplexer geworden. Wir werden uns deshalb nachdrücklich für den Ausbau von Ansätzen regionaler Sicherheitskooperation in der OSZE und in außereuropäischen Regionen einsetzen, um die Fähigkeiten und Instrumente zur Konfliktprävention in den Krisenregionen selbst zu stärken.

Bundeswehr verändern - die Wehrpflicht beenden
Die wichtigste Aufgabe der Bundeswehr ist die internationale Friedenssicherung. Die Bundeswehr muss mit begrenzten, aber qualitativ hochwertigen Beiträgen zur Stärkung der Zielsetzung und Fähigkeiten der Vereinten Nationen beitragen können. Dieses erfordert, gerade auch unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001, eine Weiterentwicklung der bisherigen Reform der Bundeswehr. Wir wollen die Bundeswehr, wie von der Weizsäkker-Kommission zur Reform der Bundeswehr vorgeschlagen, deutlich verkleinern und die Wehrpflicht abschaffen. Die Bundeswehr muss ihre demokratische Struktur durch mehr Transparenz auf allen Ebenen fördern. Wir wollen, dass die Bundesrepublik Deutschland sich für den Aufbau eines nationalen und internationalen Netzwerks von Institutionen und Verfahren einsetzt, das effektiv zur Gewaltvorbeugung und zum Aufbau von Friedensstrukturen beitragen kann.

Die Bundesrepublik muss sich vom Zivildienst, nicht aber von sozialen Dienstleistungen verabschieden. Wir wollen die Abhängigkeit vom Zivildienst abbauen und feste Jobs im Bereich der sozialen Dienstleistungen schaffen. Die jetzt für den Zivildienst aufgewendeten Finanzmittel wollen wir erhalten, um Schritt für Schritt diese Stellen in reguläre Arbeitsplätze umzuwandeln und das freiwillige Engagement von Jugendlichen fördern.

Abrüstung nutzen
Wir wollen eine aktive Abrüstungspolitik, die auf den bereits erreichten und vertraglich fixierten Erfolgen aufbaut und Antworten auf neue bzw. neu erkannte Bedrohungen formuliert. Diese reichen von der Kontrolle und Vernichtung konventioneller Kleinwaffen und Landminen bis hin zur Zerstörung von Massenvernichtungswaffen und der drastischen Reduzierung der Nuklearpotentiale. Die Verträge zur Nicht-Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, das Chemiewaffenübereinkommen, das B-Waffen-Übereinkommen und das Regime der Nichtverbreitung von Trägerwaffentechnologie wollen wir wirkungsvoller gestalten und stärken. Wir wollen Rüstungsexporte weiter begrenzen und Entscheidungsverfahren transparent gestalten. Wir setzen uns für einen regelmäßigen Bericht zur Rüstungsfolgenabschätzung ein.

 

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Anmerkung:
[1] Das Bundestagswahlprogramm wurde auf der 19. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis90/Die Grünen am 5. Mai 2002 beschlossen.


Quelle: Vierjahresprogramm 2002-2005 von Bündnis90/Die Grünen, Mai 2002.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl 2002 (25.03.2002), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2002/wahlprogramm_gruene_2002.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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