Deutsch-polnischer Vertrag zur Regelung der Grenzverhältnisse.

[Vom 27. Januar 1926.[1]]


  Nachdem die deutsch-polnische Grenzfestsetzungskommission, die auf Grund des Artikel 87 Absatz 4 des Vertrags von Versailles zwischen den Alliierten und Assoziierten Mächten und Deutschland vom 28. Juni 1919 zusammengetreten war, ihre Arbeiten beendet hat, sind

Deutschland
einerseits
und Polen
andererseits,

in dem Bestreben, die auf die Grenzziehung bezüglichen Fragen zu regeln, übereingekommen, entsprechend den Bestimmungen der Artikel V, VI des Schlußprotokolls der Grenzfestsetzungskommission vom 18. Oktober 1924 einen Vertrag zu schließen.
  Demzufolge haben sich die beiderseitigen Bevollmächtigten, nämlich

für Deutschland:
der Gesandte Herr Dr. Paul Eckardt,
für Polen:
Herr Maciej Koczorowski

nach Vorlegung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten über die folgenden Bestimmungen geeinigt:

Abschnitt I
Festsetzung und Beurkundung der Staatsgrenze.

A r t i k e l  1

  1. Die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen ist von der Grenzfestsetzungskommission, die gemäß Artikel 87 Absatz 4 des Vertrages von Versailles zwischen den Alliierten und Assoziierten Mächten und Deutschland vom 28. Juni 1919 zusammengetreten war, an Ort und Stelle festgesetzt, vermarkt und ausgemessen worden. Diese Grenze bildet gemäß der Bestimmung unter 1 des Zusatzprotokolls a) zu dem Schlußprotokoll der Grenzfestsetzungskommission vom 18. Oktober 1924 die Hoheitsgrenze zwischen den vertragschließenden Staaten.
  2. Die den Grenzverlauf nachweisenden Urkunden sind in dem im Absatz 1 dieses Artikels erwähnten Schlußprotokoll aufgeführt.
  3. Die im Absatz 2 bezeichneten Urkunden weisen auch den Verlauf der Grenze auf den Grenzbrücken und –schleusen nach.
  4. Die festgelegte und in den Urkunden nachgewiesene Grenzlinie bestimmt auch die Abgrenzung des Hoheitsgebiets unter der Erde und in der Luft.
  5. Das im Absatz 1 erwähnte Schlußprotokoll nebst den Zusatzprotokollen a) und b) ist diesem Vertrag beigefügt.

Abschnitt II
Kennzeichnung, Sicherstellung und Unterhaltung der Grenze.

A r t i k e l  2

  1. Die Grenze wird durch gemeinschaftliche Grenzzeichen örtlich gekennzeichnet, soweit sie nicht durch die Mittellinie von Wegen gebildet wird oder durch Gräben, Wasserläufe und sonstige Gewässer bezeichnet ist.
  2. Wo die Grenze durch gemeinschaftliche Grenzzeichen (Steine, Pfähle, Hügel usw.) vermarkt ist, verläuft sie in gerader Linie von dem Mittelpunkt eines Grenzzeichens zu dem Mittelpunkte des nächstfolgenden Grenzzeichens. Die mit fortlaufenden Nummern versehenen, die Anfangsbuchstaben beider Staaten tragenden Grenzsteine oder -pfähle dienen der Bezeichnung der Grenze der Staatshoheit der beiden Staaten.
  3. An den im Absatz 1 erwähnten Wegen und Wasserläufen ist die Staatsgrenze durch Grenzzeichen versichert, die abwechselnd in dem Gebiete des einen oder des anderen Teiles stehen. Die Grenzsteine oder -pfähle tragen den Anfangsbuchstaben desjenigen der beiden vertragschließenden Staaten, in dessen Gebiete sie aufgestellt sind.

A r t i k e l  3

  1. Die im Artikel 2 Absatz 1 erwähnten Wege werden in diesem Vertrage gemäß den Bestimmungen unter III des Zusatzprotokolls a) zum Schlußprotokoll vom 18. Oktober 1924 als Grenzwege bezeichnet. Die Mittellinie der Grenzwege gilt als Hoheitsgrenze zwischen den vertragschließenden Staaten.
  2. Die im Artikel 2 Absatz 1 erwähnten Gräben sind solche, die nur zur Kennzeichnung der Grenze und nicht der Vorflut dienen. Sie werden in diesem Abkommen als Grenzgräben bezeichnet. Gräben, die zugleich der Vorflut dienen, gelten im Sinne der nachfolgenden Bestimmungen als Wasserläufe.
  3. Die im Artikel 2 Absatz 1 erwähnten Wasserläufe werden in diesem Vertrag als Grenzwasserläufe bezeichnet. In schiffbaren Grenzwasserläufen bildet die Mittellinie der Hauptfahrrinne die Hoheitsgrenze. In den übrigen Grenzwasserläufen bildet die Mittellinie des Wasserlaufs bei gewöhnlichem Wasserstand entsprechend den Bestimmungen unter II Absatz 1 des obenerwähnten Zusatzprotokolls a) die Hoheitsgrenze. Als gewöhnlicher Wasserstand gilt der Wasserstand, der im Verlauf der letzten 10 Jahre an ebensoviel Tagen überschritten wie nicht erreicht wird.
  4. Die im Absatz 1 des Artikel 2 erwähnten sonstigen Gewässer werden in diesem Vertrag als Grenzgewässer bezeichnet. Der Verlauf der Hoheitsgrenze auf diesen ist aus den im Artikel 1 angeführten Urkunden ersichtlich.

A r t i k e l  4

  Gemäß den Bestimmungen unter II Absatz 2 des Zusatzprotokolls a) zum Schlußprotokoll vom 18. Oktober 1924 folgt die Grenze den Grenzwasserläufen in ihren allmählichen und natürlichen Veränderungen; ändert sich ein Wasserlauf plötzlich und beträchtlich, so bildet die vor der Änderung vorhanden gewesene Mittellinie die Hoheitsgrenze bis zum Abschluß einer endgültigen Vereinbarung zwischen den vertragschließenden Staaten. Eine solche Vereinbarung bleibt auch für den Fall vorgesehen, daß in anderer Weise durch höhere Gewalt oder infolge Bergbaubetriebs eine Änderung des Grenzverlaufs eintreten sollte.

A r t i k e l  5

  Mit der Sicherstellung und Unterhaltung der Grenze werden deutscherseits die preußischen Landräte und polnischerseits die Starosten beauftragt. Diese Behörden treten zur Ausführung ihrer Aufgaben unmittelbar miteinander in Verbindung.

A r t i k e l  6

  1. Soweit die im Artikel 5 bezeichneten Aufgaben durch ein Einvernehmen der zuständigen Behörden ihre Erledigung nicht finden können, entscheiden gemischte Ausschüsse. Dieses setzen sich aus je drei deutschen und drei polnischen Mitgliedern zusammen. Die Ausschußmitglieder sowie die gleiche Anzahl von Stellvertretern werden von den Zentralbehörden der beiden vertragschließenden Staaten oder von den durch diese zu bestimmenden Stellen ernannt. Beide Teile der Ausschüsse haben das Recht, Sachverständige mit beratender Stimme zu berufen.
  2. Für die Tätigkeit der gemischten Ausschüsse werden unter Zugrundelegung der in den Urkunden der Grenzfestsetzungskommission festgelegten Grenzabschnitte I bis V und A bis O fünf Abschnitte gebildet, und zwar

  1. Abschnitt, bestehend aus dem Grenzabschnitt V;
  2. Abschnitt, bestehend aus den Grenzabschnitten I, II, III, IV;
  3. Abschnitt, bestehend aus den Grenzabschnitten A, B, C, D;
  4. Abschnitt, bestehend aus den Grenzabschnitten E, F, G, H, J, K;
  5. Abschnitt, bestehend aus den Grenzabschnitten L, M, N, O.

  Für jeden Abschnitt wird ein besonderer Ausschuß gebildet.
  3. Die Ausschüsse stellen selbst ihre Geschäftsordnung auf. Den Vorsitz in jedem Ausschuß führt abwechselnd Jahr um Jahr ein deutscher und ein polnischer Vertreter. Im ersten Jahr entscheidet über den Vorsitz das Los.
  4. Die Einberufung der Ausschüsse erfolgt unter Angabe von Zeit und Ort des Zusammentretens nach Bedarf durch den Vorsitzenden. Jeder Ausschuß soll abwechselnd in dem Gebiete des einen und in dem des anderen Staates zusammentreten. Über die Sitzungen der Ausschüsse sind Verhandlungsniederschriften in beiden Sprachen zu fertigen, von denen jede der beiden Regierungen eine Ausfertigung erhält.
  5. Die Entschließungen der Ausschüsse erfolgen, soweit in diesem Vertrage nichts anderes bestimmt ist, mit zwei Drittel Stimmenmehrheit. Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit sämtlicher Mitglieder oder deren Stellvertreter erforderlich. Eine Angelegenheit, über die ein Ausschuß entschieden hat, darf den Gegenstand einer neuen Beschlußfassung desselben Ausschusses nur dann bilden, wenn sämtliche Mitglieder oder deren Stellvertreter einer nochmaligen Beratung zustimmen.
  6. Angelegenheiten, in denen eine gemischter Ausschuß zu keiner Entscheidung kommt, können auf den diplomatischen Weg geleitet werden.

A r t i k e l  7

  1. Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, die Grenzlinie in ihrer gesamten Ausdehnung übersichtlich zu halten.
  2. Neue Bauwerke dürfen in einem Abstand von weniger als fünf Meter beiderseits der Grenzlinie nur mit Zustimmung der im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse errichtet werden. Dieser Zustimmung bedarf es nicht bei der Errichtung von Gebäuden, die für die mit der Beaufsichtigung oder Unterhaltung der Grenze beauftragten Beamten und Angestellten bestimmt sind, sowie bei der Errichtung leichter Einzäunungen. Solche Gebäude und Einzäunungen dürfen bis auf einen Meter an die Grenzlinie herangerückt werden. Bei Grenzwasserläufen sind die Abstände von dem nächstliegenden Uferrande zu berechnen.
  3. Wo die Grenze durch Waldungen oder Gebüsch verläuft, muß beiderseits der Grenzlinie ein Geländestreifen von je einem Meter Breite dauernd von Bäumen und Sträuchern ausgelichtet werden.

A r t i k e l  8

  Die vertragschließenden Staaten verpflichten sich, die Grenzzeichen und sonstigen Grenzeinrichtungen gegen fahrlässige oder vorsätzliche Beseitigung oder Beschädigung zu schützen. Entsprechendes gilt für die Böschungen und das Bett der Grenzwasserläufe und Grenzgewässer.

A r t i k e l  9

  Die staatlichen Beamten, die in der Nähe der Grenze Dienst tun, haben über die Erhaltung der Grenze zu wachen und Grenzbeschädigungen sowie Mängel der Vermarkung den im Artikel 5 bezeichneten Behörden anzuzeigen.

A r t i k e l  10

  1. Die mit der Unterhaltung der Grenze betrauten beamteten Personen und die sie begleitenden Arbeiter dürfen die Grenze, soweit es zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlich ist, frei begehen und überschreiten. Dabei dürfen sie, ohne deswegen zur Vorführung beim Zollamt verpflichtet zu sein, frei von Zöllen und Abgaben zur Ausführung ihrer Aufgaben erforderliche gebrauchte Geräte und Instrumente unter der Bedingung der Wiedermitnahme bei der Rückkehr sowie ihren Mundvorrat mit sich führen. Die obenerwähnten beamteten Personen müssen mit Ausweisen versehen sein, die in beiden Sprachen die dienstliche Stellung des Inhabers und den dienstlichen Auftrag enthalten. Diese Ausweise werden von den im Artikel 5 bezeichneten Behörden ausgestellt und sind auf Verlangen der Grenzorgane vorzuzeigen. Werden Arbeiter beschäftigt, so genügt es, wenn in dem Ausweis des Leiters der Arbeiten die Anzahl der ihn begleitenden Arbeiter angegeben ist. Die Arbeiter müssen mit weißen fortlaufend numerierten Binden am linken Arme versehen sein. Das Vorstehende gilt auch für die mit der Ausführung von amtlichen Vermessungsarbeiten an der Grenze beauftragten Personen.
  2. Von der Vornahme der Arbeiten zur Unterhaltung der Grenze sowie von Vermessungsarbeiten, bei denen ein Überschreiten der Grenze durch beamtete Personen oder Arbeiter erforderlich ist, haben sich die im Artikel 5 bezeichneten Behörden gegenseitig und zwar möglichst sechs Tage vor dem Beginne der Arbeiten zu benachrichtigen.
  3. Andere Personen als die im Absatz 1 aufgeführten oder die Mitglieder und Stellvertreter der im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse sowie die von diesen berufenen Sachverständigen dürfen die Grenzgräben sowie die Grenzhügel und Grenzraine nicht betreten.

A r t i k e l  11

  1. Jeder der vertragschließenden Staaten unterhält die auf seinem Gebiete stehenden Grenzzeichen.
  2. Die Unterhaltung der gemeinsamen Grenzzeichen und der zwischen ihnen liegenden Grenzstrecken wird vorbehaltlich der Bestimmungen in der Artikeln 15, 16 wie folgt geregelt:
  Deutschland obliegt die Unterhaltung der Grenzzeichen mit ungeraden Nummern und des Teiles der Grenzstrecke zwischen den Grenzzeichen mir ungeraden Nummern bis zu den Grenzzeichen mit den nächsthöheren Nummern. Polen obliegt die Unterhaltung der Grenzzeichen mit geraden Nummern und des Teiles der Grenzstrecke zwischen den Grenzzeichen mit geraden Nummern bis zu den Grenzzeichen mit den nächsthöheren Nummern.

A r t i k e l  12

  1. Fehlende oder aus ihrer Lage gebrachte Grenzzeichen sind im Einvernehmen zwischen den im Artikel 5 bezeichneten Behörden unter Leitung der beiderseitigen Vermessungsbeamten nach den Grenzurkunden wieder herzustellen. Der Nachweis der zutreffenden Erfassung des wiederhergestellten Grenzpunkts ist in besonderen Feldbüchern zu erbringen.
  2. Kann aus besonderen Gründen ein Grenzzeichen an seinen bisherigen Standort nicht belassen oder im Falle der Beseitigung an derselben Stelle nicht wieder aufgestellt werden, so haben die beiderseitigen Vermessungsbeamten den neuen Standort unter Berücksichtigung der Örtlichkeit auszuwählen. Der neue Standort ist im Rahmen des bei der Grenzfestsetzung benutzten Polygon- und Liniennetzes auszumessen.
  3. Ergibt sich die Notwendigkeit einer Ergänzung der Grenzvermarkungen durch Einfügung neuer Grenzzeichen, so hat dies im Einvernehmen sowie mit Zustimmung der im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse zu erfolgen.
  4. Auf der Grenzlinie dürfen Zeichen zur Abgrenzung der Eigentumsverhältnisse nur mit Zustimmung der im Artikel 5 bezeichneten Behörden errichtet oder verändert werden.

A r t i k e l  13

  Alle zehn Jahre, zunächst im Jahre 1935, findet in der Zeit von Anfang Mai bis Ende September nach vorheriger Vereinbarung zwischen den im Artikel 5 bezeichneten Behörden in jedem Verwaltungsbezirk eine gemeinsame Grenzbegehung durch die beiderseitigen staatlichen Vermessungsbeamten unter Mitwirkung der im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse statt. Bei der Grenzbesichtigung sind die zur Behebung der vorgefundenen Grenzmängel erforderlichen technischen Arbeiten (z. B. Befestigen locker gewordener, Einsetzen beschädigter oder abhandengekommener Grenzzeichen, Auslichten der Grenzlinie) einzuleiten und sofort auszuführen.

A r t i k e l  14

  Über alle an der Staatsgrenze ausgeführten Vermessungsarbeiten sowie über die Grenzbegehungen sind Niederschriften in zweifacher Ausfertigung in beiden Sprachen herzustellen. Unter Anschluß der entstandenen Feldbücher (Handrisse) ist je eine Niederschrift durch Vermittlung der im Artikel 5 bezeichneten Behörden den beiderseitigen zuständigen Zentralbehörden vorzulegen.

A r t i k e l  15

  Die Unterhaltungsarbeiten an den Grenzgräben und den mit ihnen verbundenen Abflußgräben sind auf beiden Seiten gleichmäßig auszuführen. Der Umfang der jährlich auszuführenden Arbeiten wird durch die beiderseitigen, im Artikel 5 bezeichneten Behörden festgesetzt. Die Abnahme dieser Arbeiten erfolgt alljährlich unmittelbar nach Beendigung durch Sachverständige, die von den im Artikel 5 bezeichneten Behörden ernannt werden.

A r t i k e l  16

  Die Grenzwasserläufe müssen alljährlich geräumt werden. Die Räumung hat grundsätzlich in der Weise zu erfolgen, daß jeder der vertragschließenden Staaten die Ausführung der Arbeiten übernimmt, die für den in seinem Gebiete liegenden Teil des Wasserlaufs erforderlich sind. Falls die Verhältnisse es angezeigt erscheinen lassen, können die im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse beschließen, daß die Räumung ganz von dem einem oder dem anderen der vertragschließenden Staaten vorgenommen wird.

A r t i k e l  17

  1. Bei der Räumung der Grenzgräben und Grenzwasserläufe ist die ausgehobene Erde mindestens um einen halben Meter vom oberen Rande auszuwerfen, auszubreiten oder, sofern dies nötig ist, zu beseitigen.
  2. Die Böschungen von Gräben und Wasserläufen sowie die Ufer von anderen Gewässern, die längs der Grenze ganz im Gebiet eines der vertragschließenden Staaten liegen, sind von diesem Staat ganz zu unterhalten, und zwar so, daß das anschließende Gelände oder die anliegenden Deiche in ihrem Bestande nicht gefährdet werden.
  3. Die vertragschließenden Staaten werden dafür Sorge tragen, daß die in ihrem Gebiete liegenden Gräben und Wasserläufe, die den Grenzwasserläufen die Vorflut gewähren, geräumt werden, und zwar in einer Weise, die den Wasserabfluß in den Grenzgräben und den Grenzwasserläufen sichert.

A r t i k e l  18

  Die Kosten für die Unterhaltung der Grenzzeichen und für die Räumung und Instandhaltung der Grenzgräben, Grenzwasserläufe und Grenzgewässer werden von dem Teile getragen, dem die Ausführung der Arbeiten obliegt.

Abschnitt III
Übergänge über die Grenze.

A r t i k e l  19

  1. Für den allgemeine Verkehr sollen diejenigen Übergänge über die Grenze offen sein, über deren Fortbestehen oder Neueinrichtung beiderseits eine Verständigung erfolgt ist oder noch erfolgen wird.
  2. Die in Absatz 1 erwähnten Übergänge können, soweit die Verständigung nicht etwa anderes bestimmt, im Einvernehmen der zuständigen Behörden bei der vertragschließenden Staaten aufgehoben werden.
  3. Eine vorübergehende Sperre der Übergänge über die Grenze darf einseitig nur dann angeordnet werden, wenn ein zwingender Anlaß gesundheitspolizeilicher oder anderer Art vorliegt. Die Sperre ist, soweit nicht durch besondere Vereinbarungen etwas anderes bestimmt wird, mindestens vierundzwanzig Stunden vorher durch die zuständige Behörde des einen Teiles der des anderen Teiles mitzuteilen und alsbald nach Wegfall des Anlasses aufzuheben.
  4. Auf Eisenbahnübergängen finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung.

A r t i k e l  20

  An denjenigen Stellen, an denen die Grenze öffentliche Wege schneidet, sind beiderseits besondere Hoheitszeichen anzubringen. Falls an diesen Stellen Absperrungsvorrichtungen bestehen, müssen sie mit Eintritt der Dunkelheit beleuchtet sein. Im übrigen ist bei der Anlegung und Unterhaltung von Absperrungsvorrichtungen an der Grenze darauf Bedacht zu nehmen, daß der öffentliche Verkehr tunlichst wenig gestört und daß der Zugang zu Grundbesitz jenseits der Grenze gesichert wird. Die Absperrungsvorrichtungen sind mindestens einen Meter von der Grenzlinie entfernt anzubringen.

A r t i k e l  21

  Übergänge über die Grenze, deren Benutzung nicht vertragsmäßig oder in anderen für beide Teile verbindlichen Bestimmungen vorgesehen ist, sind einzuziehen.

A r t i k e l  22

  Die öffentlichen Brücken, Stege und Fähren über Grenzwasserläufe und Grenzgewässer sowie Furten durch solche Gewässer dürfen, soweit sie nach dem Vorstehenden dem Übergang über die Grenze dienen, vorbehaltlich der zollgesetzlichen und polizeilichen Bestimmungen von den Bewohnern der beiden vertragschließenden Staaten in dem Umfange benutzt werden, in dem ihre Benutzung zur Zeit der Unterzeichnung dieses Vertrags zugelassen ist.

A r t i k e l  23

  Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung durch die im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse darf ein Brückengeld nur nach einheitlichem Tarife zugunsten desjenigen Teiles erhoben werden, dem die Unterhaltung der Brücke obliegt; liegt die Unterhaltung beiden Teilen ob, so wird das Brückengeld nach einem im beiderseitigen Einvernehmen festzusetzenden Tarif erhoben, und die Einnahmen sind im Verhältnis der Unterhaltungspflicht zu verteilen.

A r t i k e l  24

  1. Die Unterhaltung der im Artikel 22 bezeichneten Brücken, Stege und Fähren erfolgt nach den landesgesetzlichen Bestimmungen. Die Arbeiten für die Unterhaltungen werden im Einvernehmen der im Artikel 5 bezeichneten Behörden durchgeführt.
  2. Die im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse können durch einstimmigen Beschluß die Unterhaltungspflicht der Brücken, Stege und Fähren abweichend regeln und die Kosten angemessen verteilen.

A r t i k e l  25

  Die Errichtung neuer sowie jede wesentliche Veränderung vorhandener Brücken und Fähren darf nur mit einstimmiger Genehmigung der im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse erfolgen.

A r t i k e l  26

  Auf Eisenbahnbrücken finden die Bestimmungen der Artikel 22 bis 25 keine Anwendung.

Abschnitt IV
Benutzung der Grenzwasserläufe und Grenzgewässer sowie Zuleitung von Wasser und elektrischer Kraft.

A r t i k e l  27

  Als Beaufsichtigungs- und als Zollgrenze in den Grenzwasserläufen und in den Grenzgewässern wird jeder der vertragschließenden Staaten die Staatsgrenze ansehen.

A r t i k e l  28

  1. Die Grenzwasserläufe und die Grenzgewässer unterliegen, soweit im Nachstehenden nichts anderes bestimmt ist, der Benutzung durch die dazu nach den Landesgesetzen berechtigten Personen bis zur Grenze.
  2. Die Schiffahrt in den Grenzwasserläufen regelt sich nach den dafür vorgesehenen Vereinbarungen. In den nicht schiffbaren Grenzwasserläufen stehen das Kahnfahren und die Flößerei den Bewohnern beider vertragschließender Staaten ohne Unterschied unter Berücksichtigung etwaiger einschränkender Bestimmungen der beiderseitigen Landesgesetze in der vollen Breite des Wasserlaufs zu.
  3. Die Bewohner jedes der vertragschließenden Staaten dürfen, soweit ihnen an den Grenzwasserläufen und Grenzgewässern mit Einschluß der Altarme und der bei Niedrigwasser abgeschnittenen Teile dingliche oder persönliche Nutzungsrechte jenseits der Grenze zustehen, nach Maßgabe der Landesgesetzes diese Rechte ausüben und dort, sofern sie im Besitze der zum Überschreiten der Grenze erforderlichen Ausweise sind, die zur Durchführung ihrer Berechtigungen notwendigen Arbeiten vornehmen.

A r t i k e l  29

  Zur Uferbefestigung, zu Arbeiten und Änderungen am Wasserlaufe sowie zum Abschluß von Ab- und Zuleitungsgräben ist bei den Grenzwasserläufen und Grenzgewässern die Genehmigung der zuständigen Behörde des Landes, in dem die Arbeiten ausgeführt werden sollen, erforderlich. Diese Behörde wird vor Erteilung der Genehmigung der entsprechenden Behörde des anderen Teiles Mitteilung machen. Die Neuerrichtung von Werken, die ihre Wirkung auf das Gebiet des Nachbarstaates erstrecken können, insbesondere von Stauwerken, von Wassermühlen oder von irgendwelchen anderen Anlagen, durch welche die Richtung eines Grenzwasserlaufs geändert oder eines Grenzgewässers beeinflußt oder der Abfluß des Hochwassers behindert werden könnte, ist nur mit vorheriger Zustimmung der im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüsse gestattet.

A r t i k e l  30

  Die beiden vertragschließenden Staaten werden unter der Bedingung der Gegenseitigkeit jeder auf seiner Seite alle in den Landesgesetzen vorgesehenen Maßgaben zur Reinhaltung des Wassers in den Grenzwasserläufen und Grenzgewässern sowie zur Verhütung von Hochwassergefahren im Bereiche der Grenzwasserläufe und Grenzgewässer treffen. Soweit hierzu gemeinsame Maßnahmen erforderlich sind, bleibt eine Verständigung der beiden vertragschließenden Staaten vorbehalten.

A r t i k e l  31

  Durch Anlagen zur Wasserbenutzung an und in den Grenzwasserläufen darf der Wasserabfluß nicht gehindert werden. Die Viehtränken und Gänsetränkstellen sind an den Ufergrundstücken so herzustellen, daß sie den Wasserabfluß nicht hemmen. Die Böschung sowie der Uferrand derjenigen Grenzwasserläufe, die den Vorschriften über den Hochwasserschutz unterliegen, sind vom Bäumen und Sträuchern frei zu halten.

A r t i k e l  32

  Die beiden vertragschließenden Staaten werden jeder auf seinem Gebiete dafür sorgen, daß bei Grenzwasserläufen der Betrieb der gemeinschaftlichen Ent- und Bewässerungsanlagen die Vorflut sowie der Wasserzu- und -abfluß für Mühlen nicht gestört wird und daß die Anlagen ordnungsgemäß erhalten werden. Die mit der Bedienung und Beaufsichtigung gemeinschaftlicher Ent- und Bewässerungsanlagen betrauten Personen dürfen bei ihrer Tätigkeit, wenn sie im Besitze der zum Überschreiten der Grenze erforderlichen Ausweise sind, im jenseitigen Gebiete nicht gehindert werden.

A r t i k e l  33

  Nachrichten über Hochwasser und über die Eisverhältnisse sind nach näherer Vereinbarung der beiderseitigen zuständigen Behörden regelmäßig und jeweils unverzüglich auszutauschen.

A r t i k e l  34

  Auf Wasserläufe im Grenzgebiet, die nicht zu den Grenzwasserläufen gehören, aber in einem Grenzwasserlauf münden oder sonst ihr Wasser aus dem Gebiete des einen Teiles in das Gebiet des anderen Teiles führen, finden die Bestimmungen der Artikel 30 bis 33 entsprechende Anwendung. Jedoch bedarf es bei Uferbefestigungen, bei Arbeiten oder Änderungen im Wasserlaufe sowie beim Anschluß von Zu- und Ableitungsgräben der Mitteilung der zuständigen Behörde des einen Teiles an die entsprechende Behörde des anderen Teiles nicht, insoweit diese Arbeiten keine Änderung Wasserabflusses oder des Wasserstandes in dem Gebiete des anderen Teiles herbeiführen. Als Grenzgebiet ist der Raum von innerhalb vier Kilometer von der Grenze anzusehen.

A r t i k e l  35

  1. Die bestehenden oberirdischen und unterirdischen Leitungen von Gebrauchswasser und elektrischer Kraft sowie von industriellen Abwässern, die aus dem Gebiete des einen Teiles in das Gebiet des anderen Teiles führen, dürfen auch weiter in der bisherigen Weise benutzt werden, ohne daß hierfür Zölle undd sonstige Abgaben zu entrichten sind. Werkzeuge, die zur Instandhaltung der erwähnten Anlagen notwendig sind, dürfen frei von Zöllen und Abgaben unter der Bedingung ihrer Rückbringung über die Grenze gebracht werden. Ebenso dürfen in den erforderlichen Mengen Materialien, die bei unerwarteten Betriebsstörungen oder Beschäftigungen der Anlagen zur Wiederherstellung verwendet werden sollen, frei von Zöllen und anderen Abgaben eingeführt werden.
  2. Die Bestimmungen der Titel V, VI des fünften Teiles des Abkommens über Oberschlesien vom 15. Mai 1922 bleiben unberührt.

Abschnitt V
Fischerei in den Grenzwasserläufen und Grenzgewässern.

A r t i k e l  36

  Über die Fischerei in den Grenzwasserläufen und Grenzgewässern bleibt eine besondere Vereinbarung vorbehalten.

Abschnitt VI
Abgabenfreiheit bei der Veräußerung von Grundbesitz, der durch die Grenze durchschnitten wird.

A r t i k e l  37

  1. Wenn Eigentümer von solchem Grundbesitze, der auf beiden Seiten der Grenze liegt und bis zum 18. Juni 1920 eine wirtschaftliche Einheit gebildet hat, vor dem 1. Januar 1928 Teilgrundstücke veräußern, die durch die Grenze vom Hauptbesitze getrennt sind, so werden Verkehrssteuern, Gerichtskosten und Gebühren nicht erhoben, die hinsichtlich dieser vorbezeichneten Teilgrundstücke auf Grund des Veräußerungsgeschäfts und der dinglichen Eigentumsübertragung sowie deren Beurkundung und Eintragung in das Grundbuch zu erheben sein würden.
  2. Als Veräußerung im Sinne der Bestimmung des Absatz 1 ist auch ein Grundstückstausch anzusehen mit der Maßgabe, daß die Abgabenfreiheit für das eingetauschte Grundstück nur dann eintritt, wenn auch für dieses die Voraussetzungen unter Absatz 1 vorliegen.
  3. In Zweifelsfällen entscheidet über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Abgabenbefreiung endgültig in Deutschland der Reichsminister der Finanzen, in Polen der Finanzminister.

Abschnitt VII
Allgemeine und Schlußbestimmungen.

A r t i k e l  38

  Soweit nach diesem Vertrage dem einen der vertragschließenden Staaten Kosten zu erstatten sind, erfolgt die Erstattung in der Währung des Staates, der die Zahlung zu erhalten hat.

A r t i k e l  39

  Die mit diesem Vertrag im Zusammenhange stehenden, in einem besonderen Verzeichnis zusammengestellten Beschlüsse der Grenzfestsetzungskommission werden beiderseits als verbindlich anerkannt. Ihre Durchführung ist von den im Artikel 6 vorgesehenen Ausschüssen, soweit diese es noch für erforderlich halten, in die Wege zuleiten.

A r t i k e l  40

  Die Bestimmungen dieses Vertrags finden keine Anwendung, soweit durch Abkommen zwischen den vertragschließenden Staaten oder in sonstiger Weise eine anderweitige Regelung getroffen worden ist oder getroffen werden wird. Die hiernach in Betracht kommenden, bisher abgeschlossenen Abkommen und sonstigen Bestimmungen sind in dem anliegenden Verzeichnis aufgeführt.

A r t i k e l  41

  Dieser Vertrag soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen sobald wie möglich in Warschau ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt vier Wochen nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und bleibt so lange in Wirksamkeit, bis er im beiderseitigen Einvernehmen abgeändert oder aufgehoben wird.

  Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.


  Geschehen in Posen, am 27. Januar 1926 in doppelter Ausfertigung in deutscher und polnischer Sprache, wobei beide Wortlaute gleiche Geltung haben sollen.

gez. Paul Eckard

gez. Maciej Koczorowski

 


Verzeichnis
der deutsch-polnischen Abkommen und sonstigen im Artikel 40 des Vertrags zur Regelung der Grenzverhältnisse vorgesehenen Bestimmungen.

  1. Vereinbarung über Unterhaltung der Brücke über den Skottaufluß vom 18. Juli 1923.
  2. Abkommen über eine gemeinschaftliche Deichverwaltung in der Marienwerderer Niederung vom 27. Januar 1923.
  3. Bestimmungen der Botschafterkonferenz über den Zugang der Bevölkerung von Ostpreußen zur Weichsel und die Benutzung des Stromes vom Dezember 1924.
  4. Vereinbarung über die Benutzung des Bahnhofs in Gardeja und des Zuganges dazu vom deutschen Gebiete her vom 6. Juli 1921.
  5. Verhandlungsniederschrift über die Unterhaltung des Grenzwegs Nadoller Grenze-Rauschendorf-Kartoschin vom 12. Februar 1923.
  6. Vorläufige Verständigung der Regierung in Schneidemühl und der Wojewodschaft in Poznan über die Unterhaltung der die Grenze bildenden Strecken der Netze und der Küddow vom 27. September 1921.
  7. Verhandlungsniederschrift über die Benutzung eines Feldwegs bei Saborwitz vom 1. Juni 1921.
  8. Artikel 11 des Abkommens über das berg- und hüttenfiskalische Eigentum in dem polnisch werdenden Teile Oberschlesiens vom 15. Juni 1922 wegen des Wohnrechts der Beamten der Delbrückschächte.

 

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Anmerkung:
[1] Ebenfalls abgedruckt ist der Vertragstext in polnischer Sprache, welcher hier nicht wiedergegeben wird.


Quelle: Reichsgesetzblatt 1926 II, S. 723-733, 738.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Deutsch-polnischer Vertrag zur Regelung der Grenzverhältnisse (27.01.1926), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/1926/grenzvertrag_deutsches-reich_polen.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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